Eine typische Pyramide: Die Rewe Group beschäftigt derzeit rund 320.000 Mitarbeiter. Ziemlich genau 250 Personen haben die Fäden in der Hand, befinden sich also in den oberen beiden Führungsebenen, entweder in der Kölner Zentrale oder an internationalen Standorten. 250 Köpfe, auf denen eine Menge Verantwortung lastet. Wer in der Konzernhierarchie nach ganz oben strebt, trifft auf Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp. Diese Frau hat drei Jahre lang neue Strukturen für die Personal- und Führungskräfteentwicklung der Holding aufgebaut. Ende 2009 hat sie die Zuständigkeit für den überwiegenden Teil der Rewe-Mitarbeiter abgeben: Seit Januar des laufenden Jahres beschränkt sie sich auf den Pool der obersten 250 Führungskräfte, die Personalentwicklung für alle übrigen liegt nun in der Verantwortung ihres Kollegen Michael Möller.
Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp ist Seiteneinsteigerin: In ihrem ersten Beruf war sie viele Jahre lang erfolgreiche Frauenärztin und Psychotherapeutin. Heute zählt zu einer ihrer wichtigsten Aufgaben, pro Jahr etwa zehn bis 15 Top-Positionen neu zu besetzen, die auf Grund üblicher Fluktuation frei werden. 70 Prozent davon stammen aus dem eigenen Unternehmen, was laut der Personalentwicklerin „ein gesunder Wert“ sei.
Mit ihrer Forderung „mehr Frauen in die Führungsetagen“ macht sie sich naturgemäß in der Domstraße nicht immer Freunde – schließlich ist im Kölner Karneval sogar die Jungfrau männlichen Geschlechts. Schon rein zahlenmäßig betrachtet kann sie mit dem Verhältnis von 17 Frauen zu 233 Männern in den Top-Positionen nicht zufrieden sein. Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp weiß aus eigener Erfahrung: „Frauen haben eine andere Art zu kommunizieren und Konflikte zu bewältigen, sind dabei meist sachbezogen und nicht politisch.“ Wünschenswert wäre aus ihrer Sicht, wenn die Männer – obwohl sie in der Überzahl sind – „diesen Kommunikations- und Konfliktstil wertschätzen und davon lernen könnten“. Sie arbeitet intensiv an diesem Wandel in der Unternehmenskultur. Immerhin: Bei den ausländischen Rewe-Gesellschaften sind 15 Frauen in Schlüsselfunktionen, meist in der kaufmännischen Leitung, eingesetzt. Und auch in Deutschland wird die Rewe künftig schon auf Grund des demografischen Wandels „nicht an den Frauen vorbeikommen“.
Gibt es Eigenschaften, die eine Führungskraft haben muss, man aber nicht oder kaum erlernen kann? Darauf antwortet die Personalerin spontan: Sensitivität (wie weit lasse ich mich von einer Fragestellung berühren?), Sensibilität (was kann ich erspüren oder erahnen?), Selbstreflexion, Überzeugungskraft bei gleichzeitiger Überzeugbarkeit, Güte, Dankbarkeit und Neugier. Nicht zuletzt: eine optimistische Lebenshaltung und Humor. Was hingegen geht bei Führungskräften überhaupt nicht? Auch darauf kommt die Antwort ohne Zögern: Als Hemmschuh nennt sie geistige Enge, Unaufrichtigkeit, subtile Aggression und einen unreflektierten, ungerichteten Machtanspruch. Sie arbeitet nicht gern mit Menschen, die „den Transfer zwischen abstraktem Denken und Handeln nicht hinbekommen“.
Welche Fähigkeiten sind unverzichtbar, wenn man in die obersten Etagen gelangen will?
Sie schätzt einen Menschen, „der seine eigenen, klaren Ansichten vertritt, Mut zur eigenen Position hat“. Außerdem sollte er oder sie gut ausgebildet sein, praktische Handlungserfahrung aufweisen, den Austausch von Ideen suchen und Gespür für die Atmosphäre entwickeln sowie entsprechend klug und weise handeln können. Ganz wichtig: Angstfrei sein, sprich: finanziell und von der Lebensplanung her nicht abhängig sein von der derzeitigen Position. So wie Dr. Schütze-Kreilkamp: Wenn sie – aus welchen Gründen auch immer – die Arbeit bei der Rewe beendet, geht sie zurück in ihren ersten Beruf.
Dr. Ursula Schütze-Kreilkamp, rewe-Group, Köln