Gasmangel Hersteller setzen zu wenig auf regenerative Energiequellen

Die Industrie glaubt an ihre Priorisierung bei einem Gasmangel. Expertin Claudia Kemfert (DIW) (Foto) rät dringend zu Alternativen.

Freitag, 15. Juli 2022 - Management
Markus Wörmann
Artikelbild Hersteller setzen zu wenig auf regenerative Energiequellen
Bildquelle: Roland Horn

So sehr sich Wirtschaftsminister Robert Habeck auch um Ersatz für russisches Gas bemüht, so sehr warnt er vor einem Engpass zum Herbst. Die deutsche Ernährungsindustrie ist grundsätzlich stark abhängig vom Energieträger Gas, räumt die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) ein. Auf die Nahrungs-, Futtermittel- und Getränkeherstellung entfällt der zweitgrößte Erdgasverbrauch im verarbeitenden Gewerbe. Es handelt sich um 38,44 Terawattstunden pro Jahr, das sind 12 Prozent des Gesamtverbrauchs im verarbeitenden Gewerbe.
Peter Feller, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim BVE, hat dennoch die Hoffnung, dass die Ernährungsindustrie priorisiert wird. Zumindest habe das die Bundesnetzagentur „im März/April durchklingen lassen“. Man müsse sich gegebenenfalls darauf einstellen, dass es zu Differenzierungen nach Produkten und Branchen käme. „Es dringt dazu wenig nach außen“, räumt Feller ein. Sollte die erforderliche Energie nicht zur Verfügung stehen, muss jeder Betrieb für sich priorisieren, was noch hergestellt wird.

Verbrauch runterfahren
Die Bundesregierung will bei einem Gasengpass auch weitere Brennstoffe mit höheren Immissionswerten zumindest zeitweise zulassen. Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin würde eher auf Einsparung und „echte“ Alternativen setzen: „Gerade in der Lebensmittelherstellung gibt es – oftmals ungeahnte – Energieeinsparpotenziale.“ Beispielsweise könne eine effiziente Nutzung der Abwärme viel Energie einsparen, oder auch durch eine effiziente Steuerung der Produktionsprozesse. Dies ist ihrer Meinung nach durchaus kurzfristig möglich: „Die Branche sollte gezielt auf Biogas setzen. Insbesondere im Lebensmittelbereich bietet sich diese Energievariante an. Ohnehin muss die gesamte Branche sich schnell vom fossilen Erdgas verabschieden und auf erneuerbare Energien setzen, beispielsweise durch den Einsatz von Solarthermie, großindustrielle Wärmepumpen oder eben nachhaltige Biomasse beziehungsweise Biogas.“
Prof. Claudia Kemfert sieht Einsparpotenzial bei der Industrie.