Neues Verbot Doppelqualitäten verboten

Seit Kurzem gilt das „Dual Quality“-Verbot in Europa: Nationale Differenzierungen bei der Zusammensetzung von Produkten sind dann unzulässig. Das gilt vor allem für Lebensmittel. Rechtsanwalt Mathis Breuer (Foto) erläutert im Interview die Auswirkungen für die Praxis.

Dienstag, 14. Juni 2022 - Management
Jens Hertling
Artikelbild Doppelqualitäten verboten
Bildquelle: Breuer

Seit dem 28. Mai gilt das „Dual Quality“-Verbot: Was heißt das?
Mit der entsprechenden Richtlinie gibt der europäische Gesetzgeber den Mitgliedsstaaten vor, „Dual Quality“ als sogenannten Irreführungstatbestand in das jeweilige nationale Wettbewerbsrecht aufzunehmen. Als irreführend gilt hiernach jede Vermarktung einer Ware in einem Mitgliedsstaat als identisch mit der in einem anderen Mitgliedsstaat, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist.

Teile des Handels haben laut Insidern noch kein Problembewusstsein für das Verbot. Was passiert ihnen?
Die europäischen Vorgaben weiten die bisherigen Sanktionsmöglichkeiten bedeutend aus, vor allem für sogenannte weitverbreitete Verstöße. Das sind Verstöße, die einen Bezug zu mindestens drei Mitgliedsstaaten aufweisen, wie es bei „Dual Quality“ regelmäßig der Fall ist. Ab einem Jahresumsatz von 1,25 Millionen Euro kann hier eine Geldbuße von bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes verhängt werden. Liegen keine Anhaltspunkte für den Jahresumsatz vor, beträgt die Geldbuße bis zu 2 Millionen Euro.

Einige Unternehmen sind unsicher, ob das Verbot überhaupt für sie gilt. Stimmt das und inwiefern ist der Handel davon betroffen?
Richtig ist, dass die EU-Kommission mit dem Verbot vorrangig Hersteller im Blick hatte, die über die Präsentation und Zusammensetzung der betreffenden Waren bestimmen. Allerdings differenziert die Richtlinie nicht zwischen den verschiedenen Herstellungs- und Handelsstufen. Auch die nationale Umsetzung nimmt Händler nicht aus. Haben Händler also einen Einfluss auf die Zusammensetzung, Verpackung oder auch nur auf die Bewerbung, kann das Verbot auch sie betreffen.

Viele Handelsunternehmen pochen aktuell darauf, dass ihre Lieferanten Freistellungserklärungen abgeben. Was halten Sie davon?
Freistellungserklärungen sind zwar ein gangbarer Weg, beugen aber einem Verstoß nur bedingt vor und werden oft als Automatismus vereinbart. Wichtiger ist eine genaue vertragliche Zuweisung der Verantwortlichkeit, wen die Pflicht zur Prüfung der Geschäftspraktiken trifft und welche Maßnahmen erfolgen müssen. Hierdurch wird sichergestellt, dass eine Partei proaktiv erforderliche Maßnahmen trifft, um Verstöße zu vermeiden.

Was sollten die Verantwortlichen in der Industrie jetzt beachten?
Die Verantwortlichen sollten ihre Praktiken prüfen und eine Strategie entwickeln. In diesem Zusammenhang wird seitens der Industrie zu Recht kritisiert, dass das Verbot einige unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, die erst durch die Gerichte ausgelegt werden müssen. Unternehmen sollten auch die rechtliche Debatte im Auge behalten.

Also doch besser gleich die Rezeptur europaweit angleichen?
Dies stellt eine mögliche Strategie dar, die aber nicht immer praktisch umsetzbar ist. Hersteller sollten dann prüfen, ob die Unterschiede durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt sind. Die Richtlinie nennt hier beispielsweise die Verfügbarkeit oder Saisonabhängigkeit von Rohstoffen. In Betracht kommen daneben weitere Gründe, etwa die Haltbarkeit, das Klima oder besondere regulatorische Anforderungen. Der Nachteil ist allerdings, dass der Hersteller insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist. Daher ist es für ihn zentral, diese Faktoren sorgfältig zu ermitteln und für einen möglichen Streitfall zu dokumentieren.

Und was ist mit einem Hinweis auf den Rezepturunterschied? Ist das eine Lösung?
Auch über diesen Weg kann eine Irreführung ausgeschlossen werden. Generell bleibt es den Unternehmen überlassen, wie sie sicherstellen, dass die verschiedenen Versionen ihrer Waren für die Verbraucher klar zu unterscheiden sind.