Der Fipronil-Skandal zieht weitere Kreise in den Niederlanden und Deutschland. Das in der Tiermast verbotene Herbizid Fipronil, das im Sommer dieses Jahres in großen Chargen in Hühnereiern und Eierprodukten in gesundheitlich bedenklichen Konzentrationen nachgewiesen wurde, schwirrt nach Bewältigung der akuten Krise als Bumerang erneut nach Berlin zurück.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert, die deutschen Verbraucher über das wahre Ausmaß des Lebensmittelskandals nicht rechtzeitig und umfassend aufgeklärt zu haben.
Mit Bekanntwerden der gesundheitlichen Gefährdung für die Verbraucher im Zuge des Fipronil-Skandals trat das Europäische Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) auf den Plan. Es ist bei der EU-Kommission angesiedelt. Es verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, bei Gefährdungen für Gesundheit und Umwelt umgehend Informationen in internen Internetplattform einzuspeisen zu konkreten Verdachtsfällen sowie Laborergebnisse von Verseuchungen von Lebensmitteln oder Futtermitteln. Diese Informationen sollen nationalen Behörden ein rasches Eingreifen zum Schutz von Bürgern und Umwelt ermöglichen.
„Die EU-Kommission dient beim Austausch der Informationen und Daten als eine Art Briefträger“, erklärte eine Sprecherin von EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis im Gespräch mit der Lebensmittel Praxis. Die EU-Kommission ist Manager des elektronischen Informationssystems, in dem Mitgliedsstaaten und weitere angeschlossene Länder ihre Ermittlungsergebnisse über Grenzwertüberschreitungen, belastete Lebensmittelmengen, betroffene Erzeuger in Landwirtschaft und Lebensmittelverarbeitung austauschen.
EU-Kommission: Mitgliedsstaaten sind zuständig
Kompetenz und Verantwortung, in der Lebenmittelproduktionskette geeignete Maßnahmen zur Eindämmung von Lebensmittel- oder Futtermittelverfälschungen zu unterbinden, liege allein in Verantwortung der Mitgliedsstaaten, unterstrich die Kommissionssprecherin.
Im August stellte die Deutsche Presse-Agentur (dpa) an die EU-Kommission ein Auskunftsersuchen: Sie fragte nach Daten, Stückzahlen und Mengen von in Deutschland im Umlauf gebrachten mit Fipronil verseuchten Eiern, Teigwaren oder eihaltigen Lebensmitteln. Diese Anfrage wurde am 24. Oktober vom Juristischen Dienst der EU-Kommission negativ beschieden.
In der Begründung heißt es: „Da die Kommission nicht der Autor der nachgefragten Dokumente sei, mussten 16 betroffene Mitgliedsstaaten und zwei Drittstaaten befragt werden, ob sie mit der Veröffentlichung ( vollständig oder teilweise) einverstanden sind.“ Das Ergebnis der Rückfragen bei den 18 Ländern: Zwei Mitgliedsstaaten gaben laut Schreiben eine negative Antwort – im Einzelnen „die Niederlande und Deutschland“.
Haben die beiden Nachbarstaaten, die in ihren Handelsbeziehungen den mit Abstand größten Warenaustausch von Eiern, Geflügeltieren und Masthähnchen in der gesamten EU aufweisen, etwas zu verbergen? Grüne und sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete schlugen Alarm: Sie fordern umfassende Aufklärung und Veröffentlichung der Zahlen und Fakten im Fipronil-Skandal von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU). „Wir fordern sofortige Veröffentlichung der gemeldeten Fipronilfälle mit konkreten Zahlen. Die Blockadehaltung Deutschlands und der Niederlande ist ein Skandal“, sagte die Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion, Ursula Schulte. Die Sozialdemokraten forderten seit Langem ein Gesamtkonzept zu Transparenz und Verbraucherinformation – und sehen die neue Bundesregierung in der Pflicht.
Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Friedrich Ostendorff verlangt Aufklärung. „Die Begründung der deutschen und niederländischen Behörden, aufklärende Daten zurückzuhalten, ist nicht nachvollziehbar.“ Es müssten alle Daten für den Verlauf des Skandals nachvollziehbar gemacht werden.