Herr Malcher, Sie arbeiten an einer Neuordnung der Berufe im Lebensmittelhandel mit. Müssen die Händler etwas beachten, wenn sie neue Azubis rekrutieren, die im Herbst ihre Ausbildung starten?
Wilfried Malcher: Die Neuordnung wird erst ab dem Einstellungsjahrgang 2017 wirksam; dann sollten unter anderem die betrieblichen Ausbildungspläne angepasst werden, wofür es aufgrund des ordentlichen Zeitvorlaufs auch guten Spielraum geben wird. Unternehmen, die im Herbst 2016 Auszubildende einstellen, können im Grunde so weitermachen wie bisher: gut und viel ausbilden, auf hochwertige Ausbildungsqualität achten, Ausbilder und Ausbilderinnen qualifizieren, möglichst viele Ausgebildete auch in (Vollzeit-)Beschäftigung übernehmen.
Lernen die derzeitigen Azubis denn in einer Art Auslaufmodell?
Nein. Die Einzelhandelsberufe Verkäufer/in und Kaufmann/-frau im Einzelhandel bieten nach wie vor beste Chancen für den Start in ein spannendes Berufsleben.
Von welchen Änderungen, die es geben wird, können die Azubis Ihrer Meinung nach am meisten profitieren?
Grundlegende Veränderungen bei den Ausbildungsinhalten und Prüfungsanforderungen wird es wohl nicht geben. Es werden einige Aktualisierungen vorgenommen, die aufgrund der veränderten Anforderungen erforderlich sind. Dazu zählen zum Beispiel die Stärkung von Kommunikations- und Beratungskompetenz sowie der Wettbewerb zwischen den Vertriebswegen und die Nutzung unterschiedlicher Vertriebswege in einem Unternehmen.
Wichtig ist also das, was bleibt…
Die Kernelemente der aktuellen Ausbildungsordnung bleiben und werden weiterhin so technik- und gestaltungsoffen formuliert, dass sie von den unterschiedlichen Betriebsformen des Einzelhandels bedarfsgerecht umgesetzt werden können. Die bewährten Wahlqualifikationen bleiben; lediglich „IT-Anwendungen“ wird weiterentwickelt zu „E-Commerce anwenden“. Es bleibt ebenfalls bei der gestreckten Abschlussprüfung für die Kaufleute und bei der inhaltlichen und prüfungsmäßigen Verzahnung der beiden Einzelhandelsberufe. Nur ein Stichwort: Die Prüfungsleistungen aus der Verkäuferprüfung werden bei Fortsetzung der Ausbildung im Kaufleuteberuf angerechnet.
Es zeichnet sich ab, dass es einen neuen Beruf geben wird: Kaufmann für E-Commerce. Welche Handelsunternehmen werden diesen Beruf Ihrer Einschätzung nach ausbilden?
Dieser neue kaufmännisch geprägte Ausbildungsberuf wendet sich zunächst an Handelsunternehmen, die einen umfangreicheren Online-Shop selbst betreiben. Der HDE hat das Konzept für diesen Beruf entwickelt, weil die bislang verfügbaren kaufmännischen Ausbildungsberufe die Anforderungen zum Beispiel im Marketing, dem Shopmanagement, der Kundenkommunikation, dem Controlling und der Zusammenarbeit mit den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen des E-Commerce im günstigsten Fall nur teilweise abbilden können. Diese Lücke wird nun voraussichtlich ab dem 1. August 2018 geschlossen; ab dann dürfte in diesem neuen Beruf ausgebildet werden können.
Ergänzend wird auch ein neuer Fortbildungsberuf Fachwirt/in im E-Commerce erarbeitet, der gleichwertig zum Handelsfachwirt und zum Fachwirt für Vertrieb im Einzelhandel ist, die beide ihre Schwerpunkte im stationären Teil des Einzelhandels haben. Von diesen neuen Berufen wird aber nicht nur der Online-Handel profitieren. Begünstigt werden auch Dienstleistungsunternehmen, die zum Beispiel touristische Leistungen über das Internet vermarkten.
Profitieren davon Händler, die Lebensmittel vermarkten?
Wir sehen angesichts des anhaltend dynamischen Wachstums des E-Commerce ein gutes Potenzial an neuen und zusätzlichen Ausbildungschancen in einem sehr attraktiven Beschäftigungsfeld. Handelsunternehmen können sich an Marketing- und IT-affine Bewerber-gruppen wenden, die bislang eher andere Branchen bevorzugen. Auch das bietet neue Chancen für den Handel.
Der Zeitplan
Was Passiert wann bei der Neuordnung der Berufe?
Die Arbeit der Sachverständigen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird voraus - sichtlich im April 2016 abgeschlossen. Bis Mai dürfte der Entwurf des Rahmenlehrplans für die Berufsschulen vorliegen.
Daran schließt sich die Abstimmung der Arbeitsergebnisse in den Spitzenorganisationen der Sozialpartner an, gefolgt von einer inhaltlichen Abstimmung von Ausbildungsordnung und Rahmenlehrplan zwischen Bundesregierung, Kultusministerkonferenz (KMK) und Sozialpartnern.
Danach folgt – vermutlich im Juni 2016 – die vom Berufsbildungsgesetz geforderte Beratung des Verordnungsentwurfs im Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung.
Bevor die Ausbildungsordnung im Bundesgesetzblatt verkündet werden kann, ist die Rechtsförmlichkeitsprüfung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz erforderlich.
Vermutlich wird die neue Ausbildungsordnung noch 2016 verkündet, ebenso wie der von der KMK zu beschließende neue Rahmenlehrplan für die Berufsschulen.