Ausbilder des Jahres 2015 Gute Pädagogen und Sozialarbeiter

Anpacken, helfen, mitmachen lassen – nach dieser Devise handeln die „Ausbilder des Jahres 2015“. Dabei haben sie jeden einzelnen ihrer Azubis als Individuum im Blick.

Freitag, 25. September 2015 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Gute Pädagogen und Sozialarbeiter
Nadine Bayer, Metro

Das Prinzip Gießkanne hat ausgedient. Man kann nicht alle Azubis auf die gleiche Weise schulen und erwarten, dass sie damit fit für den Beruf werden. Anders als früher ist der traditionelle Weg selten: also Haupt- oder Realschulabschluss und dann anschließend eine Lehre im Handel. Heute kommen viele über Umwege in die Märkte. Die Auszubildenden brauchen individuelle Betreuung, weil sie ganz unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Ein Studienabbrecher, der im Handel einen erneuten Anlauf nimmt, kann hoffentlich auf gute Grundlagen in Mathematik und Deutsch zurückgreifen. Anders als ein Jugendlicher ohne Schulabschluss. Beide lernen in einem Marktteam, neben- oder besser miteinander. Ein guter Ausbilder bringt beide auf die richtige Spur.

Zum zwölften Mal hat die LEBENSMITTEL PRAXIS die besten „Ausbilder des Jahres“ ermittelt, genauer gesagt, tritt dabei eine Jury mit Entscheidern aus zahlreichen Personalabteilungen in Aktion. Ein Blick auf die diesjährigen Nominierungen zeigt, wie wichtig das Thema „Individuelle Anforderungen“ der Azubis ist. Ein einprägsames Beispiel dafür ist die Arbeit der Real SB-Warenhäuser. Ebenso die Edeka Rhein-Ruhr: Die 15 Personalentwickler der Genossenschaft analysieren bei ihren Kaufleuten erst die Personalstruktur und, welchen Bedarf diese in den nächsten Jahren haben. Dann werden Konzepte erarbeitet, die auf die einzelnen Händler zugeschnitten sind, insbesondere im Bereich Fort- und Weiterbildung. Neben den bewährten Seminaren stehen Instrumente aus der Personalentwicklung zur Verfügung, mit denen ambitionierte Mitarbeiter gefördert werden.

Neben Arbeiten wie Regalpflege oder Kassieren stehen bei der Ausbildung verstärkt soziale Aspekte im Mittelpunkt. So unterstützen Ausbilder Asylbewerber  und geben ihnen die Chance, in Deutschland Fuß zu fassen.

Viel Mühe bereitet ohne Frage, wenn man lernschwache Schüler fördert, damit sie durch die Abschlussprüfung kommen und dadurch einen Grundstein für ihr eigenes Selbstbewusstsein legen. Katrin Heider, Ausbilderin bei Real, hat dafür ein Händchen, ebenso wie Ganimete Sadriu  und Venice Mückschitz, Edeka Paschmann. Manchen Nominierten gelingt sogar die Inklusion, sie beziehen also Behinderte aktiv in den Arbeitsalltag ein: Edeka Wehrmann (Menschen mit Handicap haben einen Bringdienst aufgebaut); Rewe Wintgens (Ausbildung eines behinderten Jugendlichen, Praktikant mit Autismus); Metro St. Augustin (schwerbehinderter Praktikant). So mancher Sozialarbeiter würde staunen, wenn er sähe, dass Inklusion machbar ist – und obendrein das Geschäft läuft und die Kassen klingeln.

Kennziffern und Warenkunde sind für Ausbildende unverzichtbar. Aber genauso wichtig ist es, ihnen zu vermitteln, dass sie als Teil der Gesellschaft Verantwortung für Mitmenschen tragen. Das gelingt vielen Nominierten hervorragend, sie stecken ihre Schützlinge regelrecht mit ihrer „sozialen Ader“ an. Daraus resultieren zahlreiche nachahmenswerte Aktionen, hier nur einige Beispiele: Die vier Lernenden von Eric Tiedtke (so heißen die Auszubildenden bei Tegut) sammeln Spenden für die Tafel, außerdem unterstützen sie einen Kindergarten . Die Azubis von Christoph Kolb spenden für einen Kinderhort. Dietmar Grießinger (Kaufland Bad Dürrheim) kümmert sich mit seinen Azubis um Obdachlose in einer Wärmestube. Katrin Heider (Real Potsdam) geht mit ihren Azubis in eine Schulklasse und macht in einem Planspiel deutlich, wie der Wirtschaftskreislauf funktioniert. Die Schüler verkaufen selbstgepressten Orangensaft, der Erlös kommt der Klassenkasse zugute. Das Team der Rewe Nord unterstützt die Rettungsflugwacht . Nicht zuletzt haben Real-Nachwuchsteams ihre Kunden auf das Problem aufmerksam gemacht, dass wir in Deutschland zu viele Lebensmittel wegwerfen, sie haben Lösungsmöglichkeiten zur Müllvermeidung angeboten.

Die Nominierten

Super- und Verbrauchermärkte
1. Ursula Wintgens, Rewe Wintgens
2. Christoph Kolb, Edeka Kolb
3. Eric Tiedtke, Tegut Mainz

Cash & Carry, SB-Warenhäuser
1. Nadine Bayer, Metro St. Augustin
2. Dietmar Grießinger, Kaufland Bad Dürrheim
3. Katrin Heider, Real Potsdam

Selbstständige
Mehrbetriebsunternehmen
1. Ganimete Sadriu, Edeka Zurheide
2. Venice Mückschitz, Edeka Paschmann
3. P. Wehrmann und W. Bischoff, Edeka Wehrmann

Handelszentralen
1. Real SB-Warenhaus GmbH
2. Edeka Rhein-Ruhr
3. Rewe Nord

Kreativ-Cups:
Christian Geißler, Kaufland Zwickau
Corinna Trier, Rewe Süd
(Ausführlicher Bericht über die KreativCups folgt in der nächsten Ausgabe.)


 

Ursula Wintgens, Rewe

Die Rewe-Kauffrau aus Bergisch-Gladbach beschäftigt 38 Personen aus zehn Nationen. Sie überzeugt durch ihr soziales Engagement und ungewöhnliche Ideen. Im Rewe-Markt von Ursula Wintgens ist Multikulti gelebte Realität. Sie gibt allen Menschen eine Chance, egal, welche Herkunft oder Qualifikation sie haben. Gemeinsam mit zwei weiteren Ausbildern kümmert sie sich um sieben Azubis.
Dabei bildet sie eine junge Mutter in Teilzeit aus, integriert einen jungen Menschen mit geistiger Behinderung, einen Azubi mit Lernschwäche und einen autistischen Praktikanten. Ursula Wintgens’ Einsatz geht weit über das hinaus, was man von einem guten Arbeitgeber verlangen kann. Die Weihnachtsfeier findet bei ihr zu Hause statt, die Chefin kocht. Und wer bei der Arbeit besonderen Einsatz gezeigt hat, darf einen Tag mit dem Auto der Chefin fahren.

Ursula Wintgens, Rewe

Als Ausbilderin im Metro Großmarkt St. Augustin kümmert sich Nadine Bayer um 14 junge Menschen. Sie organisiert die Ausbildung perfekt, überlässt nichts dem Zufall. Nadine Bayer, ein Eigengewächs der Metro, ist immer auf der Suche nach neuen, geeigneten Kandidaten. Dabei arbeitet sie mit mehreren Schulen zusammen, an denen sie Assessment Center anbietet. Außerdem nutzt sie alle werblichen Maßnahmen, die sie rund um den Großmarkt zur Verfügung hat: Sie spricht Werbespots für die hausinterne Sprechanlage ein, plakatiert die Wände auf dem Parkplatz mit Ausschreibungen, stellt am Kundeneingang Ständer mit Stellenbeschreibungen auf – sogar die Karnevalsmesse im Großmarkt wird zur Bühne fürs Recruiting. Gleichzeitig hat sie eine ausgeprägte soziale Ader, mit der sie auch ihre Azubis ansteckt, Gutes zu tun, in Form mehrerer karitativer Aktionen.


 

Ganimete Sadriu, Edeka

Als Ausbilderin bei Edeka Zurheide ist Ganimete Sadriu für 55 Nachwuchskräfte in acht Märkten zuständig. Dabei können die Azubis zwei Wochen lang bei einem Mitbewerber Erfahrungen sammeln. Da haben die Chefs sicher nicht schlecht gestaunt: Ganimete Sadriu (vordere Reihe, 3. v. r., hier beim Neuwieder Sommercamp) hat einen Azubi-Tausch eingerichtet, bei der ihre Azubis zwei Wochen beim
Mitbewerber Edeka Paschmann arbeiten. Im Austausch schauen zwei Paschmann-Lehrlinge, wie die Praxis bei Zurheides aussieht. Ganimete Sadriu hat eine Lernkarte für ihre Schützlinge angelegt, auf der alle Anforderungen, Schulungen und Abschlüsse aufgeführt sind – das schafft Transparenz für Azubis und Ausbilder. Außerdem organisiert sie viele Aktionen für Kinder und Jugendliche, wie eine Marktrallye und ein Kinderfest, um das Unternehmen als potenziellen Arbeitgeber bekannt zu machen.

 

Real SB-Warenhäuser

Wer seine Ausbildung bei Real macht, bekommt Möglichkeiten von A bis Z: vom Apfel über die Wurst bis zum Zweirad. Die Ausbildung ist maßgeschneidert. Das Team Personalentwicklung der Real SB-Warenhaus GmbH in Mönchengladbach vertraut bei der Ausbildung nicht auf reine Wissensvermittlung, vielmehr setzt es auf die Vermittlung von Kompetenzen. Dafür packen die Personalentwickler gedanklich einen Koffer, der die 1.100 Real-Azubis mit allen nötigen Werkzeugen ausstattet, die sie benötigen, um den Einzelhandel zu bewältigen. Das funktioniert nur, wenn man jede einzelne Nachwuchskraft als Individuum im Blick hat und ihre Bedürfnisse Berücksichtigt. Bei Projekten gibt die Zentrale nur Dachthemen vor, in Form eines Grobkonzeptes samt Werbematerialien. Bei der Umsetzung in den Märkten haben die Azubi-Teams Spielraum für eigene Ideen.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Ursula Wintgens, Rewe
Bild öffnen Nadine Bayer, Metro
Bild öffnen Ganimete Sadriu, Edeka
Bild öffnen Real SB-Warenhäuser (Quellen: Eilers)
Bild öffnen ADJ Pokal 2015