Interview mit Gerd Köber „Wir wissen genau, was wir können und was nicht“

Norma feiert 50 Jahre Unternehmensgeschichte. Für die Zukunft sieht Vorstand Gerd Köber den Discounter gut aufgestellt und im Markt positioniert.

Dienstag, 18. November 2014 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Wir wissen genau, was wir können und was nicht“
Differenzierung über den Preis ist bei Lebensmitteln generell schwierig. Das geht bei Nonfood schon besser.
Bildquelle: Norma

Köber spricht im LP-Interview über Geschichte und Zukunft, Wettbewerb und Themenwelten, Großfläche und Online-Geschäft, Expansion und sich selbst bereinigende Sortimente.

Herr Köber, 50 Jahre Norma – was waren die wesentlichen Veränderungen in dieser Zeit?
Gerd Köber: Georg Roth hatte schon 1921 ein erstes Geschäft in Fürth eröffnet. 1964 entstand dann die erste Norma-Filiale. Schon damals war der Slogan „Mehr für die Mark“. Heute heißt das immer noch „Mehr fürs Geld“. Aber Meilensteine lassen sich gut am Sortiment festmachen. Früher gab es rund 480 Artikel in einer Norma-Filiale, dann stieg das auf 600 bis 800, heute haben wir im Schnitt 1.200. Früher gab es kein Nonfood im Discounter, das begann erst Ende der 80er-Jahre. Der Einstieg in die Frische mit Kühlung, Tiefkühlkost, Backwaren war eine große Veränderung. Genauso wie jüngst die Themenwelten, die wir wöchentlich aufbauen.

Die Discounter bedienen immer mehr Bereiche: Regionales, Bio, Feinkost, Nachhaltig, „Frei von…“ sind Stichworte. Ist das eine Aufweichung des Hard-Discount-Prinzips, und wie unterscheidet sich der Discounter dann noch vom Vollsorti-menter?
Nein, das ist keine Abkehr vom Hard-Discount. Die Kunden wollen das. Natürlich bringen wir z. B. Bio-Obst. Und das geht auch noch weiter. Wir arbeiten mit Hochdruck an weiteren Bio- und veganen Sortimenten. Aber das bedeutet keine ungebremste Ausweitung der Artikelzahl. Nur ein Beispiel: Wir haben – wie andere auch – Backautomaten und bieten frisch Brötchen, Brot usw. Wo wir früher vielleicht 50 haltbare und verpackte Artikel hatten, haben wir heute noch 5, dafür aber 30 bis 40 frische Produkte. Die Sortimente bereinigen sich selbst.

Aber die Sortimente werden immer kleinteiliger…
Ja, das ist aber auch ein Vorteil unserer Größe. Wir können eben auch regionale Aktionen fahren. Das stärkt den Discounter sogar.

Wie hoch ist Ihr Eigenmarkenanteil am Geschäft?
Wo Eigenmarke machbar ist, bei rund 80 Prozent.

Was hat sich in den 50 Jahren am äußeren Erscheinungsbild von Norma verändert?
Einiges! Andere Dachformen, glänzende Fassaden und größere Flächen. Aber grundsätzlich sind wir hier eher konservativ.

Was waren die prägenden Persönlichkeiten in diesen fünf Jahrzehnten?
Eindeutig Manfred Roth. Er hat natürlich die wesentlichen Pflöcke eingeschlagen. Maßgeblich auch: Klaus Teichmann, langjährige rechte Hand von Manfred Roth.

Wie sehen Sie Ihr Unternehmen selbst im Wettbewerb mit anderen Discountern?
Wir fühlen uns sehr wohl im Wettbewerb und wissen, was wir können und was nicht. Durch unsere Größe haben wir einige Probleme weniger als andere. Wir können aus eigener Kraft selbstständige Entscheidungen treffen. Wir expandieren mit eigenen Mitteln.

Was können Sie denn besonders gut?
Regionalität, Bio im Discount, Transparenz und Nachhaltigkeit bei Fisch, Themenwelten bei Nonfood…

Beschreiben Sie bitte das eigenständige Norma-Profil.
Wenn ich fünf Punkte nennen darf: „Mehr fürs Geld“, Hard-Discount, ausgeprägte Regionalität, detailliert ausgearbeitete Themenwelten und Frische.

Wo liegen Ihre Wettbewerbs-Nachteile?
Viel fällt mir da nicht ein. Aber natürlich bräuchten wir flächendeckend mehr Filialen. Da gibt es noch ein paar weiße Flecken. Andererseits ist unsere Größe auch in Ordnung, um eigenständig zu wirtschaften.

Was sind heute Profilierungsfelder für Discount und Norma?
Discount ist viel stärker vom Aktionsgeschäft bestimmt. Damit meine ich nicht Preisaktionen. Der Vollsortimenter kann oder will das weniger. Wir entwickeln da komplette Produktranges, auch in sehr speziellen Sortimenten, die weniger typisch sind, z. B. die neue Range „Time to taste“ im Kühlregal.

Und der Preis?
Klar. Preis und Qualität sind entscheidend. Danach kommt lange nichts. Wir sind da sehr schnell und flexibel. Nehmen Sie zuletzt die Butter- und Milchpreise. Da nutzen wir Preissenkungen natürlich auch für die Öffentlichkeitsarbeit. Differenzierung über den Preis ist aber generell schwierig. Das geht bei Nonfood schon besser.

Welche Trends sehen Sie bei Lebensmitteln?
Rückverfolgbarkeit und „gnadenlose“ Transparenz wird auch im Discount noch viel stärker kommen. Der Verbraucher fordert das, aber wird er auch dafür bezahlen? Trend ist natürlich auch das Zurück in die Städte.

Wo sind für Norma künftig am ehesten Expansion und Wachstum möglich?
In Deutschland sind wir in Bayern, Baden-Württemberg und in den ostdeutschen Ländern stark. Da ist auch noch Spielraum für Wachstum, zum Beispiel durch eine weitere Verdichtung unseres Filialnetzes dort, wo das sinnvoll ist. Und natürlich in den anderen Bundesländern.

Wie viele Filialen pro Jahr kommen hinzu?
Etwa 100 Neueröffnungen, Erweiterungen oder Umzüge haben wir als Ziel. Wichtig ist, dass wir das eigenständig und konzernfrei realisieren.

Und das Auslandsgeschäft?
Das ist natürlich sehr spannend. Wir wollen in Österreich, Frankreich und Tschechien auch weiter behutsam wachsen. Aber das ist enorm investitionsintensiv.

Ist das Online-Geschäft ein Wachstumspfad?
Daran wird auch im Lebensmittelbereich niemand vorbeikommen. Wir arbeiten seit etwa drei Jahren an einem entsprechenden Angebot. Nonfood-Artikel bieten wir über Norma24 schon länger an. Mit einem großen Weinangebot sind wir gestartet. Der Online-Verkauf von Lebensmitteln wird sich – ausgehend von den Ballungszentren – entwickeln.

Bieten Sie auch hier Discountpreise?
Online muss teurer sein als Discount. Die Frage ist, ob dem Kunden die Bequemlichkeit und der Zeitgewinn etwas wert sind. Preise für Dienstleistungen zahlen die Deutschen bisher eher ungern.

Wenn Sie fünf Jahre voraus denken – was wird sich im Handel verändert haben?
Konzentration wird ja immer schwerer. Es wird aber mehr Kooperationen geben. Bei den Großflächen wird es Veränderungen geben – hier wird der Markt nicht mehr aussehen wie heute. Der „Hunger“ nach größeren Verkaufsflächen wird weitergehen, die Filialzahl insgesamt wird nicht mehr groß steigen.

Und Norma in fünf Jahren?
Wir werden gewachsen sein, weiter eigenständig am Markt agieren und noch mehr in Eigenregie machen.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Gerd Köber bildet zusammen mit Robert Tijon den Vorstand von Norma.
Bild öffnen Differenzierung über den Preis ist bei Lebensmitteln generell schwierig. Das geht bei Nonfood schon besser.
Bild öffnen „In fünf Jahren werden wir gewachsen sein, weiter eigenständig agieren und noch mehr in Eigenregie machen.“