Ladendiebstahl 85.000 Diebstähle pro Tag bleiben unentdeckt - Ladendiebstahl anzeigen

Fast 4 Mrd. Euro an Warenverlusten verzeichnen die deutschen Händler pro Jahr. Mit geschultem Personal und ausgefeilter Sicherheitstechnik wappnen sie sich gegen Langfinger.

Montag, 18. August 2014 - Management
Sonja Plachetta
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Bildquelle: Shutterstock/EHI Retail Institute

Viele Händler verzichten entgegen der Empfehlung der Polizei auf das konsequente Anzeigen jedes Ladendiebstahls. „Zu viel Aufwand“, „außer einem Haufen Ärger bringt es gar nichts“, „wegen Geringfügigkeit werden die Verfahren ja ohnehin meistens eingestellt“, so lauten die Argumente derer, die auf Anzeigen verzichten. Der Handelsverband Deutschland kritisiert die Strafverfolgung als unzureichend, fordert eine gesetzlich festgeschriebene Bagatellgrenze von 25 Euro. Damit solle erreicht werden, dass gravierendere Diebstähle auch wirklich verfolgt werden.

Polizist Geckle sieht ebenfalls Verbesserungsbedarf. Die in ihren Heimatländern oft schon vorbestraften Täter seien überrascht, dass sie in Deutschland nicht so verfolgt werden, wie sie es gewohnt seien, sondern zunächst ungestraft weiterklauen könnten. Dennoch sei es notwendig, dass jeder Ladendiebstahl angezeigt werde: „Nur dann wird der Täter registriert und vielleicht beim zweiten Mal schon ganz anders bestraft.“

Abhilfe schaffen kann der Handel z. B. durch genug Mitarbeiter auf der Fläche. „Verlängerte Öffnungszeiten bei geringerer Personalbesetzung begünstigen unentdeckten Ladendiebstahl“, sagt Horst. Zusätzlich investiert der Handel jährlich rund 1,3 Mrd. Euro in Präventiv- und Sicherungsmaßnahmen (siehe S. 24). Summiert man diese Investitionen sowie die Inventurdifferenz, entgeht dem Handel jährlich rund 1,3 Prozent seines Umsatzes bzw. absolut rund 5,2 Mrd. Euro. Im LEH liegt die Investitionssumme mit im Schnitt 0,25 Prozent vom Umsatz deutlich niedriger als im Textilhandel (0,5 Prozent). Außer in Mitarbeiterschulungen investieren Lebensmittelhändler vor allem in offene Kameraüberwachung, z. B. bei Edeka Lustfeld in Nienburg (siehe S. 36). Diese wird bevorzugt im Verkaufsraum und an den Kassen eingesetzt, wo die meisten Inventurdifferenzen entstehen. Investiert wird auch in Testkäufe, Auswertung der Warenwirtschafts- und Kassendaten, Detektiveinsätze und diebstahlshemmende Verkaufsträger wie Vitrinen. Eine gesonderte Artikelsicherung nutzen nur 57 Prozent.

Interview mit Frank Horst

„Hohe Sicherheit ist mit einem hohen Aufwand verbunden“

Wo sehen Sie derzeit im LEH die Defizite bei der Diebstahlsprävention?
Frank Horst: Das Personal ist das A und O, vor allen technischen Maßnahmen. Ich empfehle regelmäßige Schulungen, um die Sensibilisierung des Personals zu vertiefen. Das kann auch ein Testkauf mit anschließender Schulung oder die Information über aktuelle Vorfälle sein, sodass die Mitarbeiter sich immer wieder mit dem Thema beschäftigen.

Was können Mitarbeiter tun, um Kundendiebstähle zu vermeiden?
Bei professionalen Banden kann das Personal wenig ausrichten, bei Gelegenheitsdieben schon. Letztere kann man durch aufmerksames Verhalten abschrecken. Dazu zählt Blickkontakt oder auch die Frage, wie die Kassiererin den Kunden anspricht, was ja sowieso zum Servicegedanken gehören sollte. Öffnet sie den Eierkarton? Bemerkt sie, ob ein verpacktes Produkt schon geöffnet und etwas dazugepackt wurde? Diebe merken schnell, ob jemand aufmerksam ist.

Im LEH gibt es prozentual mehr Diebstähle von Mitarbeitern, aber auch von Lieferanten als in anderen Branchen. Was können die Händler tun?
Das ist bei der Masse an Lieferanten sehr schwierig zu kontrollieren. Hohe Sicherheit ist mit einem hohen Aufwand verbunden. Jeder Lieferant müsste registriert und die Ware gezählt werden. Da ist die Frage, ob sich das rechnet, weil der LEH vergleichsweise wenig hochpreisige diebstahlträchtige Sortimente führt. Aber so oder so kann man nicht jeden Diebstahl verhindern.

Viele Händler zeigen Diebstähle nicht an. Warum sollten sie es trotzdem tun, auch bei geringen Beträgen?
Bei Ladendiebstahl werden, obwohl es eine Straftat ist, bei Ersttäterschaft die meisten Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Es wäre wünschenswert, wenn schon das erste Vergehen nicht als Bagatelldelikt gesehen würde, sondern es höhere Einstiegsstrafen gäbe. Aber sobald jemand das zweite, dritte oder vierte Mal aktenkundig wird, gibt es auch angemessene Strafen. Wenn sie jedoch nicht angezeigt werden und straffrei bleiben, ist das für einfache Ladendiebe wie eine Aufforderung weiterzumachen.

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