Migranten Mühsamer Start für ausländische Azubis

Wer jugendliche Zuwanderer ausbilden will, braucht gute Nerven und einen langen Atem. Wo sind die Chancen, wo die Knackpunkte?

Freitag, 16. Mai 2014 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Mühsamer Start für ausländische Azubis
Bildquelle: Shutterstock

Inhaltsübersicht

„Ein Königreich für einen guten Auszubildenden!“ Gerade Kaufleute in Ballungsgebieten haben immer größere Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze mit engagierten jungen Menschen zu besetzen – vor allem, wenn es um die Bedienungstheken geht. In krassem Kontrast dazu präsentiert sich die Lage in einigen südeuropäischen Ländern: Die Jugendarbeitslosigkeit ist erschreckend hoch. In Spanien ist statistisch gesehen mindestens jeder zweite Jugendliche ohne Job, in Griechenland ist die Misere noch dramatischer. Schon sprechen die Politiker von verlorenen Jahrgängen ohne Perspektive. Warum also führt man Angebot und Nachfrage nicht zusammen und bildet junge Menschen aus den betroffenen Ländern bei uns aus? Die Bundesregierung hat diese Idee im vergangenen Jahr konkretisiert, ein Förderprogramm aufgelegt und gezielt Jugendliche zur Ausbildung angeworben. Ein kleiner Teil davon ist im deutschen Handel angekommen.

Lässt man das Thema Spanien und Griechenland einmal außen vor, zeigt sich grundsätzlich, dass Deutschland schon seit vielen Jahren ein Zuwanderungsland ist. Die Einwanderer kommen überwiegend aus osteuropäischen Ländern, aber wegen des Bürgerkriegs in Syrien zunehmend auch aus dieser Krisenregion. Allesamt Menschen, die bei uns eine neue Heimat und zum Teil auch einen Ausbildungsplatz suchen.

Doch zurück zum Ausgangspunkt. Die Frage, die sich ein deutscher Einzelhändler stellen kann, lautet: Ist es sinnvoll, einen jungen Menschen aus Griechenland, Spanien, Frankreich oder Portugal anzuwerben und auszubilden? Zunächst drängen sich die Hinderungsgründe auf: Sprechen die potenziellen Azubis überhaupt unsere Sprache? Kommen Sie mit unserer Mentalität zurecht? Besteht nicht die Gefahr, dass sie nach ein paar Monaten, von Heimweh und Kälte geplagt, wieder zurück wollen? Überhaupt: Wie nachhaltig ist ein solches Engagement? Kehren die Azubis nach der aufwendigen Ausbildung wieder zurück in ihre Heimat und gehen dem deutschen Arbeitgeber verloren? „Wir können die Risiken nicht einschätzen“, antwortet die Personalverantwortliche eines großen Handelsunternehmens. Man bilde selbstredend viele junge Menschen mit Migrationshintergrund aus, deren Familien in Deutschland leben, werbe aber nicht gezielt in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit um Azubis.

Ein Vordenker eines anderen großen Unternehmens stellt ein weiteres Fragezeichen in den Raum: Führt ein gezieltes Recruiting in wirtschaftlich schwachen Ländern nicht automatisch zum Ausbluten einer Gesellschaft? So wie beispielsweise Rumänien aktuell einen dramatischen Verlust von Ärzten und gut ausgebildetem medizinischem Personal beklagt?

Man würde ja gern ausländische Azubis nehmen, heißt es bei der Ausbildungskoordinatorin des dritten Unternehmens. Nur, wie packt man das am besten an, und wie organisiert man das? Bei der IHK sei man noch nicht so recht weitergekommen.

Eine ehrliche, wenn auch zurückhaltende Antwort gibt Volker Kels. Der selbstständige Kaufmann betreibt zwei Edeka-Märkte in Mülheim an der Ruhr und Ratingen, der Mülheimer ist gerade zum „Supermarkt des Jahres 2014“ gekürt worden. Volker Kels scheut weniger vor dem Aufwand zurück, der zwangsläufig mit einer Rekrutierung verbunden wäre. Er fragt vielmehr: „Wer kümmert sich denn um die jungen Menschen, wenn die hier in Deutschland sind?“ Was macht ein Zuwanderer, der ohne Familie und Freunde hier gelandet ist, am Wochenende? Wo soll er wohnen, wovon soll er leben? Vom Azubi-Gehalt allein kann man kaum Unterkunft und Essen finanzieren – geschweige denn nach Hause fliegen, wenn das Heimweh Überhand nimmt.

Kels betreut seine derzeitigen 20 Azubis gern und gewissenhaft, wenn es um Warenkunde, Berichtshefte und das Tagesgeschäft geht. Aber er möchte nicht noch die Freizeit seiner Schützlinge organisieren, damit diese nicht allein auf ihrem Zimmer sitzen, sondern in einen Fußballverein trainieren gehen. Der Kaufmann hat großen Respekt für Kollegen, die ein solches Engagement leisten, wäre aber in seinem Betrieb damit überfordert.

Ein komplettes Rundum-Paket bieten die Hiebers aus Lörrach (siehe Seite 48). Karsten Pabst, der das Projekt initiiert hat und vorantreibt, kümmert sich mit Herzblut darum, dass seine spanischen Azubis in der Region Anschluss finden und nicht in der Freizeit allein ihre vier Wände anstarren. Eine zeitintensive Aufgabe.