Karstadt Verdi stellt Strategie in Frage

Investor Nicolas Berggruen muss nach dem angekündigten Abgang von Karstadt-Chef Andrew Jennings zum Jahresende nicht nur mitten in der Krise einen neuen Sanierer für die Warenhauskette suchen. Die Gewerkschaft Verdi fordert zudem eine Überprüfung der Strategie „Karstadt 2015".

Dienstag, 11. Juni 2013 - Handel-Archiv
Lebensmittel Praxis

„Die ,Strategie Karstadt 2015' muss überprüft und erforderlichenfalls angepasst werden", sagte eine Verdi-Sprecherin in Berlin. Dabei müssten nicht nur Geschäftszahlen analysiert werden. Auch der bereits weitgehend umgesetzte Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen und der Ausstieg aus der Tarifbindung gehörten auf den Prüfstand. Diese Schritte gehen nach Ansicht der Gewerkschaft in die falsche Richtung.

Nach nur zweieinhalb Jahren muss Karstadt-Eigentümer Nicolas Berggruen für seinen Warenhauskonzern einen neuen Chef suchen. Karstadt wies die Darstellung der „Bild am Sonntag" zurück, wonach der Grund für den Abgang Jennings Differenzen über die Strategie zur Rettung der Warenhauskette seien. „Berggruen und das Management befinden sich über die Fortsetzung der Karstadt-Strategie in Harmonie miteinander", hieß es in der Mitteilung.

Verdi äußerte indirekt auch Kritik am Führungsstil des scheidenden Karstadt-Chefs: Karstadt brauche ein Management, das den deutschen Markt gut kenne und die Sprache seiner Beschäftigten spreche. „Damit ist nicht gemeint, dass ein Manager deutsch spricht, sondern vor allem, dass er die Beschäftigten motiviert und einbindet", unterstrich die Sprecherin der Gewerkschaft. Wer zudem viele noch unbekannte Modemarken einführe, müsse Service und Beratung groß schreiben. Die Erfahrungen der Beschäftigten müssten stärker berücksichtigt werden und in die Ausrichtung des Unternehmens einfließen - auch weil sie wissen würden, was die Kundschaft wolle. Zudem fordert Verdi von Berggruen höhere Investitionen.

Berggruen hatte vor wenigen Tagen eingeräumt, die Probleme bei der Übernahme 2010 unterschätzt zu haben: „Ich habe nicht gewusst, wie krank Karstadt nach 20 Jahren Missmanagement wirklich war. Die Herausforderungen sind noch größer und noch anstrengender", sagte er der „Bild"-Zeitung. Eine Sanierung sei immer ein langer Weg, und „wir haben erst ungefähr die Hälfte hinter uns."

Doch nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ist der Umsatz in den ersten Monaten des Jahres wohl beinahe um 10 Prozent eingebrochen; das Erreichen des Umsatzziels von 3,5 Mrd. Euro im Jahr 2015 ist in die Ferne gerückt. Hinzu kommt, dass die Warenhäuser generell in Deutschland an Boden verlieren. Im Jahr 2000 betrug ihr Marktanteil noch 4,2 Prozent, 2011 waren es nur noch 2,8 Prozent, Tendenz weiter fallend.

Am Donnerstag tagt der Karstadt-Aufsichtsrat. Dort wird es nicht nur um die Spitzenpersonalie und die künftige Unternehmensstrategie gehen, sondern auch um den Verdacht der Steuervermeidung. Laut „Bild am Sonntag" soll Karstadt über mehrere Zwischenfirmen einem Nicolas Berggruen Charitable Trust auf den British Virgin Islands gehören. Die Zeitung beruft sich auf ihr vorliegende Dokumente der US-Börsenaufsicht SEC. Der Trust halte „die Aktienbeteiligungen der Berggruen Holdings und soll gemeinnützige Aktivitäten unterstützen". Die Geschäftsanschrift des Trusts sei ein Briefkasten auf der Insel Tortola. Laut der Zeitung bleiben im Ausland erwirtschaftete Erträge auf der Insel steuerfrei. Ein Berggruen-Sprecher wollte den Bericht nicht kommentieren.