Yougov Studie Keine digitale Scheu!

Kaum ein Thema beherrscht die Branche so stark wie die Digitalisierung: viel Aufmerksamkeit, wenig Marktanteil. Bleibt das so?

Mittwoch, 29. November 2017 - Management
Markus Braun

Weniger als 2 Prozent werden in Deutschland derzeit mit Lebensmitteln online umgesetzt. Sind die Digitalisierung und der Onlinehandel im LEH also nur ein Schreckgespenst? Mit Sicherheit nicht. Dennoch ist die Angelegenheit beim Verkauf von Lebensmitteln deutlich komplexer als in anderen Handelssparten.

Unser You-Gov-Report „Aldi meets Amazon“ macht deutlich: Auf der einen Seite wird der Lebensmittel-Einzelhandel künftig noch mehr gefordert, als er es ohnehin schon ist. Auf der anderen Seite wird der digitale Wandel den Händlern aber auch völlig neue Chancen eröffnen. Zumindest dann, wenn man in den Mittelpunkt rückt, was bei all den Offline- und Online-Debatten viel zu oft vergessen wird: die Kundenbedürfnisse. Dieser denkt nicht in „online“ oder „offline“, sondern honoriert, wenn man seine Ansprüche optimal befriedigt und ihm Mehrwerte liefert.

Studie

Für die Studie wurde auf das 100.000 Datenpunkte umfassende Analysetool You-Gov-Profiles zugegriffen, für das im Jahresverlauf 70.000 Bundesbürger kontinuierlich repräsentativ befragt werden. Die intelligente Vernetzung der Daten ermöglicht eine besonders detaillierte Analyse des Konsumentenverhaltens.

Der Online-Vertriebskanal wird in Zukunft dynamischer wachsen. Dafür gibt es verschiedene Gründe: So ist die Hemmschwelle, online Lebensmittel zu bestellen, zwar groß, doch haben Verbraucher es einmal ausprobiert, sind sie überraschend zufrieden. Einige werden zum Wiederholungstäter. Den digitalen Wandel beschleunigen wird zudem ausgerechnet eine Gruppe, die bislang für Discounter besonders wichtig war: die „preisorientierten Kunden“.

In dieser relativ großen Gruppe (39 Prozent der Käufer ab 18 Jahren) ist die Wahrscheinlichkeit besonders hoch, dass Kunden zukünftig ins Onlinegeschäft abwandern. Etwa zwei Drittel (63 Prozent) von ihnen geben an, dass, wenn das Einkaufen irgendwo anders schneller und einfacher ist, sie das Geschäft wechseln.

Sie achten auf Schnäppchen – verfügen aber dennoch über eine hohe Kaufkraft. Noch ist diese Kundengruppe aufgrund ihrer Preissensibilität die ideale Zielgruppe von Aldi, Lidl und den anderen. Doch die Erfahrung zeigt, dass „online“ in vielen Produktkategorien preisführend ist. Das wird bei Lebensmitteln perspektivisch ähnlich sein, zumindest bei haltbaren Produkten.

Allerdings wird das nicht über Nacht passieren. Dafür sind die Hürden, die Verbraucher derzeit noch sehen, viel zu hoch – egal, ob sie bereits Online-Kunden sind oder nicht. Ein Vergleich dieser beiden Gruppen im Hinblick auf die Hürden ist besonders interessant.

Zur größten Hürde der Nicht-Nutzer von Online-Supermärkten zählt mit 75 Prozent, dass die Ware vor dem Kauf nicht betrachtet oder geprüft werden kann. An zweiter Stelle folgt mit 60 Prozent das fehlende Vertrauen in die Qualität der Waren (z. B. frisches Gemüse, Tiefkühlkost). Weitere Hürden sind zu hohe Versandkosten (52 Prozent) oder eine zu große Umweltbelastung durch zusätzliche Transportwege oder Verpackungsmüll (45 Prozent). Bei den Nutzern liegen die hohen Versandkosten (46 Prozent) hinter der fehlenden Prüfmöglichkeit der Ware (52 Prozent) sogar auf dem zweiten Platz.

Auch wenn der digitale Durchbruch noch nicht unmittelbar bevorsteht: Stationäre Händler werden sich künftig noch stärker differenzieren müssen, wenn sie Erfolg haben wollen.

Eine wichtige Zielgruppe in diesem Zusammenhang sind die „anspruchsvollen Käufer“. Diese machen 27 Prozent der Käufer aus und legen besonderen Wert auf Qualität und Markenprodukte – sie sind bereit, für eine gute Leistung mehr auszugeben und somit essenziell für eine gute Marge. Die Gruppe ist eine der großen Zukunftschancen für Supermärkte – ihr ist gerade Frische und ein ansprechendes Ambiente wichtig, was stationäre Konzepte sehr gut erfüllen können. Um diese Menschen künftig in die Geschäfte zu locken, sind jedoch vielerorts Investitionen in die Filialen notwendig. Denn in Zeiten, in denen sich Discounter- und Supermarktfilialen in der Kundenwahrnehmung immer mehr annähern, wird es anspruchsvoller, sich in den genannten Punkten zu differenzieren.