Die Kartellverfahren in der Lebensmittelbranche sind in weiten Teilen abgeschlossen. Bekanntlich wurden nicht wenige Unternehmen mit Bußgeldern in Millionenhöhe belegt. Vor Kurzem hat das Bundeskartellamt (BKartA) nun offizielle Hinweise zum Preisbindungsverbot als Konsultationsdokument veröffentlicht. Anhand von zahlreichen Beispielsfällen verdeutlicht die Behörde, wo die Grenze zwischen zulässiger Kommunikation und unzulässiger Preisabstimmung verläuft. Die hiermit bezweckte Erhöhung der Rechtssicherheit ist zu begrüßen. Das Papier veranschaulicht aber auch die äußerst strenge Sichtweise der Bonner Behörde. Lieferanten und Händler sollten sich zeitnah mit dem neuen Dokument vertraut machen und dieses in die tägliche Vertriebspraxis umsetzen.
Zur Person
Dr. Daisy Walzel ist Rechtsanwältin bei der DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Köln. Sie ist auf Kartellrecht spezialisiert.
Hintergrund
Bekanntlich verfolgt das BKartA bereits seit 2010 Kartellverstöße im LEH, etwa bei Süßwaren, Tiernahrung, Kaffee, Wurst und Bier. Das BKartA hatte an die von den Verfahren betroffenen Unternehmen zwar schon seinerzeit Verhaltenshinweise gerichtet. Dieses als „Vorsitzendenschreiben“, „Handreichung“ oder „Orientierungshilfe“ bezeichnete Dokument ist in der Praxis häufig als zu restriktiv kritisiert worden und löste Unsicherheit über seinen Geltungsbereich aus.
Die nunmehr veröffentlichten Hinweise lösen das Vorsitzendenschreiben ab und richten sich erstmals an die breite Öffentlichkeit. Sie orientieren sich an typischen Fallkonstellationen, die das BKartA anlässlich der Verfahren zum Lebensmittel-Einzelhandel angetroffen hat.
Interessierte Kreise können bis zum 10. März 2017 eine Stellungnahme zum Entwurf abgeben.
Das Dilemma
Verstöße gegen das Kartellverbot werden bekanntlich mit hohen Bußgeldern von bis zu 10 Prozent des Konzernumsatzes geahndet. Unternehmen müssen die Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens dabei selbst einschätzen. Sie können ihre Vertriebspraxis nicht über eine behördliche Genehmigung freizeichnen lassen.
Die gesetzlichen Vorgaben sind jedoch denkbar dünn und für den juristischen Laien kaum handhabbar: Klar ist, dass Vereinbarungen oder Abstimmungen über Wiederverkaufspreise verboten sind. Auch die einseitige Druckausübung ist untersagt. Was heißt dies aber ganz konkret für die vielgestaltigen Vertriebssituationen, in denen es (selbstverständlich) direkt oder indirekt auch um Wiederverkaufspreise geht? Genau in diesem Punkt will das Papier Klarheit schaffen. Dies gelingt teilweise. Praktische Probleme rund um das Category Management werden leider nicht angesprochen.
Das sagt das Kartellamt konkret:
Fest- und Mindestpreise
Vereinbarungen über Fest- oder Mindestpreise sind (freilich) unzulässig. Ein Verstoß liegt nach Auffassung des BKartA hier schon dann vor, wenn der Händler dem Hersteller die Befugnis erteilt, selbst die Ladenverkaufspreise (LVP) des Händlers festzusetzen. Hier stellen sich zwei praktisch relevante Fragen, auf die das Papier leider nicht eingeht. Ist demnach schon die automatische Einspeisung von UVP in Warenwirtschaftssysteme des Händlers unzulässig? Oder gilt dies nur dann, wenn der Händler die Preise faktisch nicht mehr ändert? Sind Preisauszeichnungen durch den Hersteller stets verboten?
Ferner sind nach dem BKartA etwa auch Vereinbarungen mit folgenden Inhalten unzulässig: „Der Regalpreis beträgt 1,89 €, der Aktionspreis mindestens 1,69 €.“, „Der LVP wird durch den n/n-Einkaufspreis zuzüglich einer Spanne von 25 Prozent gebildet.“ Oder: „Der LVP darf die LVP des Händlers X nicht unterschreiten.“ Sofern Hersteller über Druck (etwa die Androhung mit einer Nichtbelieferung) oder Anreize (etwa einen Preispflegerabatt) auf die LVP Einfluss nehmen, sollen sich Händler hiergegen zur Wehr setzen, nötigenfalls durch Einschaltung der Kartellbehörden.
Unverbindliche preisempfehlungen
Hersteller dürfen (selbstverständlich) unverbindliche Preisempfehlungen (UVP) aussprechen. Allerdings können UVP auch „als Vehikel für eine Preisbindung“ genutzt werden. Die Grenze zum Kartellverstoß wäre nach dem BKartA (schon) dann erreicht, wenn der Händler die Zusage gibt, der UVP zu folgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Hersteller offen an mehrere Händler mit dem Ziel herantritt, bspw. die LVP anzuheben und dies über mehrere Händler koordinieren zu wollen.
Aktionsplanungen
Die Planung von (reinen) Aktionszeiträumen durch den Hersteller erachtet das BKartA mit Blick auf die erforderlichen Mengenplanungen als zulässig. Allerdings rät das BKartA Händlern entschieden davon ab, dem Hersteller vorab den geplanten Aktionspreis zu nennen. Auch sollten Hersteller nicht die Händler zur Vorab-Information über Aktionspreise verpflichten.
Spannengarantien
Spannengarantien können aus Sicht des BKartA unter zwei Gesichtspunkten zu einem Kartellverstoß führen: Erstens könne die Abgabe einer Spannengarantie gegebenenfalls als Zusicherung dafür gewertet werden, dass der übrige Handel bei der Preissetzung gemäß der UVP „mitzieht“. Anderenfalls würde sich der Hersteller kaum auf die Abgabe einer solchen Garantie einlassen. Zweitens könnten Ausgleichsforderungen des Handels auch als Druckausübung auf den Hersteller gewertet werden, um diesen verbotener Weise zu Preisbindungen bei anderen Händlern zu veranlassen. Nachträgliche Forderungen des Handels nach einer wirtschaftlichen Kompensation sieht das BKartA dagegen in der Regel weniger kritisch.
Nichtaufnahme und Abbruch von Geschäftsbeziehungen
Lieferanten (die nicht marktbeherrschend oder marktstark sind) sind nicht verpflichtet, Händler zu beliefern, deren zu erwartende LVP von den Vorstellungen des Lieferanten über die Produktplatzierung abweicht. Das BKartA schränkt diese Aussage jedoch erheblich ein: Wird nämlich aus dem Zusammenhang deutlich, dass die Nichtbelieferung oder der Abbruch einer Lieferbeziehung mit der unerwünschten Preisgestaltung des Händlers zusammenhängen, sei dies als unzulässige Druckausübung durch den Hersteller zu werten.
Zum Datenaustausch
Auch beim Datenaustausch, etwa bei der Übermittlung von Absatzdaten des Händlers an den Hersteller, sieht das BKartA die Gefahr von Preisabstimmungen: Dies betrifft den Austausch zukunftsbezogener Daten, etwa die Ankündigung von Aktionspreisen des Händlers gegenüber dem Hersteller. Diese ist in der Regel unzulässig (s. o.). Betroffen ist aber auch der Austausch aktueller Daten, die in kurzen Abständen (etwa wöchentlich) übermittelt werden und so – im Zusammenspiel mit weiteren Umständen – eine Preisüberwachung ermöglichen.