Supermarkt-Kongress Multi-Formate für den individuellen Kunden

Der Wettbewerb zwingt zum Beschreiten neuer Wege. Was nicht heißt, dass bewährte Erfolgsfaktoren aus den Augen verloren werden.

Donnerstag, 31. Mai 2012 - Rückblick
Dieter Druck
Artikelbild Multi-Formate für den individuellen Kunden
Bildquelle: Belz, Hoppen

Die neuen Medien beeinflussen den Handel sowie das Handeln und sind fast immer Bestandteil visionärer Ansätze, wenn es um die Frage des „Supermarktes der Zukunft“ geht. 202o wurde beim Kongress zur 20. Auflage des Branchen-Events „SuperMarkt des Jahres“ als Zeitmarke der nahen Zukunft gesetzt. Aber wie Prof. Dr. Hendrik Schröder vom Lehrstuhl für Marketing & Handel der Universität Duisburg-Essen für viele überraschend aufzeigte, ist beispielsweise der Online-Lebensmittelhandel gar nicht so neu, wie viele glauben. „Alles schon mal da gewesen“, sagt er. Viele Lebensmittelhändler seien zum damaligen Hype in den Jahren 2002/03 online gegangen, hätten aber in der Folge die Online-Shops wieder aufgegeben (Direktkauf, Otto Einkauf24, LeShop, netkonsum, Karstadt, Kaufhof etc.) bzw. ihren Leistungsumfang eingeschränkt. Allerdings seien aktuell eine deutlich steigende Zahl der Geschäftsmodelle (Lieferung, Drive-In, Kooperationen, Spezialsortimenter etc.) und viele Start Ups auf Händler- wie Herstellerseite zu registrieren, z.B. saymo.de, bring24.com, Emmas Enkel). „Und die Phase von Versuch und Irrtum ist vorbei“, fügt Schröder an. Der Markt sei offen für Innovationen wie beispielsweise die virtuellen Regale von Homeplus (Tesco) in U-Bahn-Stationen in Südkorea, wo via QR-Code „eingekauft“ werden kann.

Als Dreh- und Angelpunkte des Erfolges sieht Schröder das Erkennen von Kundenbedürfnissen und vor allem Vertrauen. Dabei sollte der Händler einiges über seine Kunden wissen, wie zum Beispiel die Einstellung gegenüber den verschiedenen Kanälen, Kaufmotive, Kaufrisiken und ihre Reduktion, Informations- und Entscheidungswege oder das Beschwerdeverhalten. In diesem Zusammenhang nennt er mit Blick auf den Kunden Maßnahmen zur Risikoreduktion als einen sehr bedeutsamen Aspekt. Der Lebensmittel-Online-Shop saymo.de beispielsweise bietet eine Best-Price-Garantie. Das heißt, findet der Kunde ein günstigeres Angebot für einen Artikel auf einer deutschen Internetseite, wird dieses unterboten. Und Saymo gewährt 66 Tage Rückgaberecht, Frischeartikel oder ähnlich sensible Waren ausgenommen.

Christiaan Rikkers, Geschäftsführer verwies auf Erhebungen der GfK, nach denen der Internetverkauf von Lebensmitteln auch 2020 noch unter 1 Prozent des Gesamtmarktes liegen wird. Heute sind es 0,2 Prozent. Dabei sind vor allen Smartphones treibende Kraft. Er hob die vielfältigen Kontaktmomente hervor, die über moderne Medien geschaffen werden. Per Smartphone besteht zu jeder Zeit, an jedem Platz die Zugangsmöglichkeit zu jedem Produkt etc. „Der traditionelle Ladenbau ist nicht mehr die Lösung zum Erfolg. Entscheidend für das ’Ladenkonzept 2020’ ist die Konstruktion einer Verbindung zwischen meinem Laden und allen anderen Kontaktmomenten mit meinem Kunden.“ Das bedinge auch eine intensive Reflektion über die Transparenz von Retail-Brands – von ökologischen Werten bis hin zum Preis. Und es sei schon jetzt bei der Kommunikation ein Übergang von der reinen Orientierung zur Interaktion erkennbar. Das forciert auch die Evolution von Multiformaten unter dem Dach einer Retailbrand. Das Ziel: unterschiedliche Kundengruppen mit unterschiedlichen bzw. wechselnden Einkaufsgewohnheiten zu unterschiedlichen Zeiten anzusprechen.

Thomas Bruch, geschäftsführender Gesellschafter der Globus Holding GmbH in St. Wendel analysierte Faktoren, die beim SB-Warenhaus-Betreiber den stetigen Fortschritt gewährleisten und damit auch die Wettbewerbsfähigkeit des Familienunternehmens. Er nannte fünf Kernpunkte: Den eigenen Weg finden, und sich damit in Zeiten, in denen man an nahezu jeder Ecke Lebensmittel kaufen kann, zu differenzieren. „Wir müssen uns täglich die Frage stellen, wie erreichen wir einen Unterschied im Wettbewerb?“ Dies erziele Globus durch Vielfalt, ansprechende Warenpräsentation und Exklusivität wie den Käse direkt vom Erzeuger, den es sonst nur noch in dessen Hofladen gibt.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal für Bruch sind die Mitarbeiter. „Sie kennen in der Regel ihre Kunden und den lokalen Markt.“ Und dieses Wissen gelte es zu nutzen. Ebenso wichtig seien Mitarbeitermotivation und individuelle Förderung. Hier bietet Globus verschiedene Möglichkeiten wie zum Beispiel die Kulturwerkstatt, eine Projektwoche im zweiten Lehrjahr. Diese und andere Maßnahmen, mehr als die Hälfte der in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter sind stille Gesellschafter des Unternehmens, sorgen für Identifikation und erzeugen Leidenschaft und Energie, die dritte Komponente des Fortschritt-Mix. Der vierte Faktor heißt für Bruch „auf der Höhe der Zeit bleiben“. Das bedeute u. a. Weitblick und Kreativität. Hier habe sich im Zuge des Konzentrationsprozesses im deutschen Handel, aber auch in anderen Branchen gezeigt, dass Organisationen, die auf die Gestaltungskraft nur weniger Köpfe gesetzt haben, oftmals nicht alt geworden seien. Und last but not least müsse der Unternehmens-Gewinn als Saatgut für die Zukunft gesehen werden, sprich Investitionen in Modernisierung und neue Projekte.

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Belz, Hoppen

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Bild öffnen „Die Phase von Versuch und Irrtum beimOnline-Handel mit Lebensmitteln ist vorbei.“ Prof. Dr. Hendrik Schröder, Universität Duisburg-Essen
Bild öffnen „Entscheidend ist die Verbindung zwischen dem Laden und allen anderen Kontaktmomenten.“ Christiaan Rikkers, Geschäftsführer JosdeVries The Retail Company B.V. Maarsen (NL)
Bild öffnen „Mitarbeiter, die auch Nähe zum Kunden haben, machen den Unterschied.“ Thomas Bruch, Geschäftsführer Globus SB-Warenhaus Holding GmbH