Chile Warum aus Südamerika so viele Kirschen kommen wie noch nie – und Europa den Anschluss verliert

Hintergrund

Der globale Kirschmarkt erlebt derzeit eine dynamische Neuausrichtung: Während Chile sich immer stärker behauptet, geraten andere Hauptakteure wie die Türkei, die USA und Spanien unter Druck.

Donnerstag, 20. Februar 2025, 06:40 Uhr
Stefanie Claudia Müller
China ist für Chile das wichtigste Exportland für Kirschen. Bildquelle: Getty Images

Kirschen stehen weltweit für Genuss und Exklusivität. Dass die kleinen roten Früchte immer beliebter werden, zeigen allein die extrem gestiegenen Anbauflächen und Erntemengen: Wurden in der Saison 2021/22 laut der Food and Agriculture Organization (FAO) weltweit rund 2,3 Millionen Tonnen Kirschen produziert, waren es in der Saison 2023/2024 nach Angaben des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) schon mehr als doppelt so viel. Fast ein Fünftel davon wird exportiert. Von diesem Wachstum profitieren die Anbauländer aber nicht gleichermaßen. Denn: Der Markt verändert sich rasant. Während traditionelle Produzenten wie die Weltmarktführer Türkei und die USA mit klimatischen Herausforderungen kämpfen und Europa an Einfluss verliert, eröffnet der globale Wandel Chancen für neue Partnerschaften. Aber der Reihe nach: Die Türkei ist der größte Kirschenproduzent weltweit (2024: 900.000 Tonnen), gefolgt von den USA und Chile. Besonders im Herbst und Winter, wenn in Europa keine Kirschen wachsen, dominiert Chile den globalen Export.

Chile steigt auf

Rund 657.935 Tonnen Kirschen soll Chile 2024 nach Angaben des chilenischen Obst­kirschen­komi­tees ASOEX exportiert haben – doppelt so viel wie im Vorjahr. Das Land in Südamerika entwickelt sich zum Vorreiter auf dem Weltmarkt für Kirschen und ist ein ernst zu nehmen­der Herausforderer für den bisherigen Marktführer Türkei. Chiles Erfolg basiert allerdings nicht nur auf moderner Landwirtschaft, sondern auch auf seiner engen wirtschaftlichen Partnerschaft mit China.

Anscheinend hat Chile keine Berührungsängste, mit der chinesischen Diktatur Geschäfte zu machen: So geht etwa die Hälfte der chilenischen Kirschenproduktion mittlerweile nach China. Diese starke Handelsbeziehung unterstützt China durch Investi­tio­nen in Chiles Infrastruktur und strategische Logistiklösungen – etwa durch das Logistikunternehmen China Eastern Air Logistics. Für China gilt die Kirsche längst als Superfood, besonders rund um die Neujahrsfeiern. Zudem schätzen die Chinesen die hohe Qualität der chilenischen Früchte.

Auswirkungen auf die Türkei und die USA

Länder wie Südafrika blicken mit Neid auf Chiles florierenden Fruchthandel und müssen eingestehen: Chile bietet mit seinen Margen und strategischen Handelsbezie­hungen die attraktiveren Bedingungen für die Lieferkette. Die bisher größten Produktionsländer Türkei und die USA nehmen die Entwicklung Chiles mitunter anerkennend wahr. Umut Savan, Mitbegründer des türkischen Exportunternehmens Daniur Fresh Fruits and Vegetables, sagt: „In den letzten 20 Jahren hat die Türkei große Fortschritte bei der Modernisierung gemacht. Es gibt aber noch Verbesserungsmöglichkeiten, um uns vor Naturschäden zu schützen und die Qualität unserer Exporte zu verbessern.“

In den USA gehören Kalifornien, Washington und Michigan zu den wichtigsten Anbaure­gionen. Doch langfristig könnten die Verei­nig­ten Staaten von Amerika im globalen Ernte-Ranking auf den dritten Platz zurückfallen. Die klimatischen Herausforderungen und die steigende Konkurrenz durch Chile setzt das Land zunehmend unter Druck.

Europas Produktion sinkt

Ein Blick nach Europa: Der Kontinent produ­zierte im Jahr 2024 laut USDA insgesamt rund 1,3 Millionen Tonnen Kirschen. Zusätzlich importierte Europa 60.000 Tonnen – ein Zeichen für die sinkende Eigenproduktion. Der Export europäischer Kirschen spielt kaum noch eine Rolle. Und Deutschland, einst ein wichtiger Produzent, ist mittlerweile vom internationalen Markt praktisch verschwunden.

Die spanische Landwirtschaft, früher ein verlässlicher Produzent hochwertiger Kirschen, steht aufgrund des Klimawandels vor enormen Herausforderungen. So fielen die Erntemengen auch im vergangenen Jahr deutlich niedriger aus als erwartet. Extremwetterereignisse setzten den Landwirten in den Anbauregionen Extre­madura, Aragón und Katalonien schwer zu. Im Valle del Jerte, etwa 250 Kilometer westlich von Madrid gelegen, mussten Landwirte bereits das dritte Jahr in Folge massive Ernteverluste hinnehmen.

Während Erzeuger finanzielle Unterstützung fordern, plädieren Aktivisten wie Markos Gamboa dafür, die intensive Landwirtschaft abzubauen. Er ist überzeugt: „Wir müssen den Export von Gemüse und Obst reduzieren, weil wir einfach kein Wasser dafür haben.“ Die ohnehin fragilen Produktionsbedingungen machten es schwierig, mit großen Exportnationen wie Chile und der Türkei zu konkurrieren.