Länder-Report Schweiz Eidgenössisches darf seinen Preis haben

Als die Schweizer Nationalbank zum Jahresbeginn die Aufhebung der Wechselkursuntergrenze zum Euro bekannt gab, stöhnten viele exportorientierte Lebensmittelproduzenten aus der Alpenrepublik. Steigende Preise und sinkende Abverkäufe im Export wurden befürchtet. Heute zeigt sich: Alles halb so wild.

Donnerstag, 24. September 2015 - Länderreports
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Eidgenössisches darf seinen Preis haben
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Mit einem Handelsvolumen von knapp 90 Mrd. CHF (2014, nach derzeitigem Stand rund 82 Mrd. Euro) ist Deutschland der wichtigste Markt für die Schweizer Exportindustrie. Ob dies allerdings so bleiben wird, steht in den Sternen. Denn durch das Erstarken des Frankens im Vergleich zum Euro, verteuern sich Schweizer Produkte in Deutschland zum Teil massiv.

Switzerland Global Enterprise , ein Schweizer Verein zur Exportförderung, rät seinen Mitgliedern in einem Dossier, sich nun auf Länder mit geringer Preissensitivität und einer starken Währung zu konzentrieren. Am besten seien Märkte mit guten Wachstumsaussichten und einem Freihandelsabkommen mit der Schweiz. An erster Stelle der Tabelle steht China. Von den Europäischen Ländern sind demnach gerade mal die wohlhabenden Norwegen und Schweden sowie die Türkei aufgrund einer wachsenden Mittelschicht interessant. Und Deutschland? Findet sich hier nicht wieder. Seit Bekanntgabe der Aufhebung der Wechselkursuntergrenze durch die Schweizer Nationalbank (SNB) fallen die Prognosen düster aus. Die Credit Suisse beispielsweise erklärt, dass 30 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen mit einem Wettbewerbsnachteil durch den aufgewerteten Franken rechnen müssten. Und obwohl die Nahrungsmittelhersteller im Vergleich zur Pharma-, Maschinen- oder Metallindustrie ein kleines Licht in der Schweizer Exportstatistik sind, ist auch diese Branche betroffen. Nach Einschätzung von Urs Furrer von der Föderation der Schweizerischen Nahrungsmittel-Industrien (Fial), würde der erstarkte Franken besonders die Schweizer Nahrungsmittelindustrie treffen, da diese neben den Löhnen auch größtenteils schweizerische Zulieferer in Franken bezahlen. Mit der Euro-Wechselkurs-Untergrenze wurden diese negativen Effekte zumindest teilweise und vorübergehend gemilderet. Mit der Aufhebung dieser Politik, so bemängelte es Fial in einer Mitteilung, kämen die Schweizer Lebensmittelhersteller auf den Auslandsmärkten zunehmend unter Druck.

Schaut man sich die Zahlen der großen Unternehmen aber genauer an, wirkt die Situation weit weniger dramatisch. Der Nahrungsmittelmulti Nestlé beispielsweise konnte im ersten Halbjahr 2015 von einer anziehenden Nachfrage in Europa profitieren. Zwar sei der Umsatz durch unter anderem den starken Franken um 0,3 Prozent auf 42,8 Mrd. CHF (39 Mrd. Euro) gesunken, ohne Wechselkurseffekte sowie Zu- und Verkäufe wuchs der Konzern mit 4,5 Prozent aber stärker als erwartet.

Auch der Schweizer Milchverarbeiter Emmi hat nach eigenen Angaben die Stärke des Franken im ersten Halbjahr 2015 gut verkraftet. Der Konzern teilte zwar mit, dass er in der ersten Jahreshälfte einen Umsatzrückgang von 3,8 Prozent auf 1,44 Mrd Euro verbuchen musste. Währungs- und akquisitionsbereinigt ergibt sich aber ein noch moderates Minus von 1,7 Prozent. In Europa viel der Verlust noch geringer aus: Mit 213,2 Mio. Euro verlor der wichtigste Export-Markt gerade mal 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreswert. Somit hat Emmi die Turbulenzen um den Euro gut weggesteckt. Damit das auch so bleibt, will Emmi-CEO Urs Riedener neue Produkte auf den Markt bringen. Interessant sei für Emmi der Unterwegskonsum sowie Nahrungsmittel mit gesundheitlichem Zusatznutzen . „Und es braucht neue Konzepte für bekannte Produkte. Warum Fondue nur als Hauptmahlzeit und nicht als Apéro genießen?“, fragte Riedener in der Schweizer SonntagsZeitung.

Positives gibt es auch im Bezug der geschützten Schweizer Käsespezialitäten zu berichten. Der Vermarkter Switzerland Cheese Marketing bilanziert für das erste Halbjahr 2015 ein Export-Wachstum von 6,7 Prozent auf 32.147 t Käse, Schmelzkäse und Fertigfondue. Zwar könne man erst gegen Ende des Jahres erkennen, ob sich diese positive Entwicklung bestätigt, da die Preise erst zum 1. April oder 1. Mai angepasst wurden. Dennoch ist man bei SCM überzeugt, dass „der Schweizer Käse Dank einer wirkungsvollen Marktbearbeitung der Branchenakteure weiterhin das Vertrauen der Konsumenten genießt.“ Diese zeigten sich nach wie vor bereit, den im Vergleich teureren Schweizer Käse zu kaufen.

Und was sagt der Handel? „Die Währungssituation um den erstarkten Franken hat keine unmittelbare Auswirkung auf die Endverbraucherpreise, da hierdurch auch Rohwaren für die Produktion auch in der Schweiz günstiger sind und die Hersteller verantwortungsvoll mit Blick auf den Kunden agieren“, liefert Wolfgang Rose, Bereichsleiter Einkauf und Category Management bei Tegut , eine Analyse der Marktsituation für Schweizer Lebensmittel in Deutschland. Wolfgang Rose kennt die Entwicklung sehr gut. Tegut führt beispielsweise Klassiker wie Ricola, Ovomaltine (Malz-Instant-Pulver), Caotina (Kakao- und Schokoladenpulver), Maestrani (Schokolade) und Kägi-Fret (Gebäck). Seit der hundertprozentigen Übernahme des Handelsgeschäfts durch die Migros vor drei Jahren finden sich auch Eigenmarken des Detailhändlers im Sortiment von Tegut wieder, wie die Feingebäck-Marke Swiss Delice. Demnächst steht außerdem die Listung glutenfreier Backwaren von Huttwiler an. „Schweizer Produkte sind qualitativ sehr hochwertig und meist im Premium-Bereich angesiedelt. Innerhalb der Premium-Segmente weisen sie gute Abverkäufe und eine vertrauensvolle Kundenakzeptanz auf“, erklärt Rose. Trotz starkem Franken werden also Schweizer Produkte nach wie vor vom Handel in Deutschland nachgefragt.