Transport & Logistik Gegenseitiges Vertrauen

„Konkurrenz im Regal, aber nicht auf dem Lkw“ – Nach diesem Prinzip streben einzelne Food-Hersteller Kooperationen in der Logistik an und können, allen Vorbehalten zum Trotz, erste Erfolge vorweisen.

Donnerstag, 25. August 2011 - Sortimente
Artikelbild Gegenseitiges Vertrauen
Romald Heuvelmans, Mars Deutschland
Bildquelle: iStockphoto, Mercedes-Benz

Bei jeder Form der unternehmensübergreifenden Kooperation geht es darum, Synergieeffekte in Form von Kosteneinsparungen zu erzielen. Enorme Einsparpotenziale schlummern ganz offensichtlich speziell in der Transportlogistik. Hier geht es im Kern darum, Ladekapazitäten bei den Logistik-Dienstleistern optimal auszunutzen, Transportkilometer einzusparen und die Zahl der Rampenkontakte (wenig große statt viele kleine Anlieferungen) zu minimieren. Mars Deutschland zum Beispiel geht davon aus, dass sich durch Logistik-Kooperationen Effizienzgewinne schaffen lassen, die letztlich zu deutlich niedrigeren Produktabgabepreisen führen können (siehe Interview rechts).

Mit der bereits vor vier Jahren gestarteten Kooperationsoffensive „Agenda 2017“ engagiert sich Mars Deutschland für mehr Zusammenarbeit im Logistikbereich der Konsumgüterindustrie und ist überzeugt, dass sich dadurch Kosteneinsparungen von 10 Prozent bei horizontalen und bis zu 25 Prozent bei vertikalen Kooperationen erzielen lassen. Wesentliche Bausteine der Agenda 2017 sind verschiedene Workshops und die Initiierung von Forschungsarbeiten. Während die Logistik-Branche als Vorreiter für Kooperations-Projekte gesehen wird, so ein Ergebnis aus einer der Expertenbefragungen, wird seitens der Industrie die Kooperationsbereitschaft des Handels kritisch gesehen: „Der Handel gilt bei den Herstellern und Logistikern als Bremser“, ist in der Studie zu lesen. Als hinderlich werde vor allem die „Preisfixierung“ der Handelsunternehmen empfunden.

Über konkrete Ergebnisse kann Mars bereits aus der Kooperation mit dem Wettbewerber Ferrero berichten: Durch gemeinsame Lagerhaltung und Auslieferung über den Logistik-Dienstleister Rigterink, bei dem im Übrigen auch die ersten Hybrid-Lkw im Einsatz sind (siehe Text S. 46), konnten die beiden Unternehmen ihre Lager- und Transportkosten um 20 Prozent senken. Durch die Festlegung gemeinsamer Liefertage und die Vereinheitlichung der Bestellsysteme reduzierte sich die Zahl der Rampenkontakte um 4.000 pro Jahr, und es wurden 720.000 Lkw-Kilometer pro Jahr weniger zurückgelegt.

Bekannt sind neben dem Mars-/Ferrero-Projekt weitere Kooperationen auf Herstellerebene. Der Hamburger Logistik-Experte Dr. Tobias Hirsch und Sven Schürer von der Miebach Consulting aus Frankfurt nennen einige Beispiele: Unilever und Danone, die von einem DHL-Lager in Krefeld gemeinsam den Handel mit Kühlprodukten beliefern; Diageo, Katjes, Leaf, Hitschler und Vidal nutzen das Lager der Spedition Fiege in Bocholt für die Lagerung und Auslieferung an den LEH, und die Spirituosenhersteller Underberg und Hardenberg distribuieren von einem Fiege-Lager in Berlin.

Nur wenige Unternehmen sprechen so offen wie Mars über ihre Kooperationen und die damit erzielten Vorteile. Das könnte unter anderem damit zusammenhängen, dass Hersteller vom Handel mit zusätzlichen Forderungen konfrontiert werden: „Häufig müssen bei Bekanntwerden solcher Kooperationen die erzielten Einsparungen über Preisnachlässe an den LEH weitergegeben werden“, bestätigt Schürer. Aus der Sicht von   Hirsch sind Logistik-Kooperationen in der Industrie zugleich „ein probates Mittel, um den Bestrebungen des Handels entgegenzuwirken, Anlieferungen auf selbst organisierte Beschaffung umzustellen.“

Für das erfolgreiche Funktionieren von Logistik-Kooperationen nennt Hirsch als wesentliche Voraussetzung Vertrauen zwischen den handelnden Personen und ein einheitliches Qualitätsniveau der kooperierenden Unternehmen. Zudem sollte eine Kooperation zunächst nicht mit mehr als vier Unternehmen an den Start gehen. Optimal für die zu erzielenden Synergien seien zudem übereinstimmende Kundenstrukturen, ähnliche Produkte und vergleichbare Mengeaufkommen.

Weil im Zuge der Kooperation zwangsläufig sensible Informationen über Kunden, Kosten, Mengen und Preise ausgetauscht werden müssen, ist dieser Punkt zumeist ein entscheidender Hemmfaktor für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Insbesondere in der Findungsphase kann es deswegen hilfreich sein, wenn sich die Kooperationspartner auf einen externen Logistikberater verständigen können, der die gemeinsamen Interessen auslotet und alle relevanten Informationen vertraulich aufnimmt und anhand dieser Daten das Synergiepotenzial ermittelt.

"Kostensenkung von bis zu 30 Prozent"
Romald Heuvelmans, Leiter Kundenlogistik bei Mars Deutschland, zu Umsetzung und Zielen der „Agenda 2017".

Welche Voraussetzungen müssen für erfolgreiche Logistik-Kooperationen vorliegen?
Romald Heuvelmans: Grundvoraussetzung ist die Bereitschaft der Partner, die Kooperation selbst zu gestalten; erst wenn Ergebnisse vorliegen, spricht man über die Verteilung der Vorteile. Dazu gehört ganz sicher Vertrauen, aber das muss man sich natürlich erarbeiten.

Und wie baut man Vertrauen auf?
Zum Beispiel, indem man in kleinen Projekten erste Erfolge erzielt, so dass man sich dann an immer größere Themen herantrauen kann. Außerdem ist Unterstützung bis in die oberste Geschäftsführungsebene unumgänglich; sonst werden die internen Widerstände zu groß, um langfristig Erfolg zu haben.

Welche Probleme haben Sie bei der Umsetzung Ihrer Agenda 2017 zu überwinden?
Die Kooperationspartner müssen erkennen, dass es nicht funktioniert, wenn einzelne Partner das Fell verteilen wollen, bevor der Bär erlegt ist. Und schließlich muss man in Kooperationen häufig zunächst einmal investieren, bevor man ernten kann. Davor jedoch zucken einige zurück.

In welcher Weise profitiert der Einzelhandel von Ihrer Kooperation?
Zunächst einmal ganz direkt, wenn er mit Mars vertikale Kooperationsprojekte angeht, um Verschwendung zu eliminieren. Zudem können die positiven Erfahrungen aus Kooperationen mit Mars natürlich auch auf andere Partner und Supply-Chain-Bereiche übertragen werden. Hinzu kommen indirekte Vorteile, wenn durch Industrie-Industrie- oder Industrie-Logistiker-Kooperationen die Supply Chain effizienter betrieben werden kann und so z. B. die Zahl der Rampenkontakte beim Handel minimiert wird. Außerdem wirken sich die durch Kooperationen erzielten höheren Effizienzen direkt auf die Produktkosten aus, was am Ende dem Konsumenten über niedrigere Preise zugute kommt.

Können Sie die Effizienzpotenziale konkretisieren?
Wir wissen, dass in jedem einzelnen Mars-Riegel ein signifikanter Anteil an Verschwendung und Ineffizienz steckt, der durch fehlende Abstimmung zwischen den einzelnen Stufen der Lieferkette hervorgerufen wird. Wir gehen von einem Kostensenkungspotenzial von 15 bis 30 Prozent aus, vielleicht sogar noch deutlich mehr, und zwar bezogen auf den Produktabgabepreis.

Gibt es auch Risiken von Logistik-Kooperationen für die Beteiligten?
Wir haben bisher keine Nachteile erkennen können, solange man sich an die genannten Spielregeln hält. Zu den Spielregeln gehört übrigens auch ganz klar, dass jeder Partner jederzeit aus der Kooperation aussteigen kann, ohne dass ihm dadurch Nachteile entstehen. Natürlich ist es komplexer, wenn Abstimmungsprozesse mit anderen Unternehmen stattfinden. Aber jeder, der seine Logistik ausgelagert hat, steht sowieso vor dieser Herausforderung. Und, ganz ehrlich, interne Abstimmungen mit Nichtlogistikern sind unter Umständen deutlich komplizierter als die Kommunikation mit Logistikern anderer Unternehmen.

Was versprechen Sie sich langfristig von Ihrer Agenda 2017?
Wir erhoffen uns davon, bei den Akteuren eine Bewusstseinsänderung hervorzurufen: Optimierungen im eigenen Silo machen einfach keinen Sinn. Man muss immer die gesamte Kette betrachten und dann das Richtige tun.
Hybrid: erste Lkw im Praxiseinsatz
Nach dem erfolgreichen Einsatz und Test von Prototypen des Mercedes-Benz Atego Hybrid bei DHL sind inzwischen die ersten Serienfahrzeuge des Atego Blue Tec Hybrid mit kombiniertem Diesel- und Elektroantrieb und vollautomatisierten Getriebe im praktischen Einsatz. Zu den ersten Anwendern gehören unter anderem Mars Deutschland mit dem Logistikpartner Rigterink und die Edeka Minden-Hannover. Bei Mars ist der Einsatz der Hybrid-Technologie in der Lieferlogistik Bestandteil der Green-Logistics-Strategie und der „Agenda 2017", die sich dem Einsatz umweltschonender Technologien verpflichtet hat. Bei der Edeka ist der Zwölftonner für die C+C-Sparte im Raum Berlin unterwegs.

Der Hybridantrieb des Atego unterstützt den Diesel-Verbrennungsmotor in ganz bestimmten Betriebssituationen. Das Anfahren erfolgt zum Beispiel sehr sanft durch den 44 KW starken Elektromotor. Die Zuschaltung der Antriebsleistung des Vierzylinder-Dieselmotors (160 KW und 4,8 l Hubraum) geschieht über die Kupplung zwischen Diesel- und Elektromotor. Bis zu diesem Punkt dient der Verbrennungsmotor ausschließlich dem Antrieb der Nebenaggregate. Das ergibt nicht nur eine deutliche Verminderung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen von 10 bis 15 Prozent, sondern auch eine Reduzierung der Geräuschbelästigung von Anwohnern und Passanten. Durch die Nutzung der Motor-Start-/Stopp-Anlage werden Kraftstoffverbrauch und Geräusch an der Ampel auf Null reduziert. Sie stellt den Dieselmotor automatisch ab. Weitere Einspareffekte ergeben sich durch die elektronische Regelung des Verbrennungsmotors.

Die gute Beschleunigung des Fahrzeugs entsteht dadurch, dass bei einem Elektromotor vom Start weg das volle Drehmoment zur Verfügung steht und nicht allmählich über die Drehzahl aufgebaut wird wie bei einem Verbrennungsmotor. Ist zusätzliche Leistung im Fahrbetrieb erforderlich, etwa bergauf oder bei starkem Beschleunigen, unterstützt der Elektromotor kurzzeitig, je nach Ladezustand der Batterie, den Dieselmotor.

Der Elektromotor des Zwölftonners erhält seine Energie aus energie- und leistungsstarken Lithium-Ionen-Batterien. Die Batterien werden durch zurückgewonnene Bremsenergie gespeist: Bremst der Fahrer den Lkw ab, wirkt der Elektromotor als Generator und verwandelt die Bremsenergie in Strom. Gleiches gilt im Schub-Betrieb, wenn der Lkw „ohne Gas" mit eingelegtem Gang rollt. Da der Atego BlueTec Hybrid als selbstversorgendes System nicht auf Kabelverbindungen und Ladestationen angewiesen ist, sind seine Einsatzmöglichkeiten genauso flexibel wie bei reinen Dieselfahrzeugen.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Kooperationen zahlen sich aus, das belegt das Beispiel Mars Deutschland und Ferrero. (Bildquelle: iStockphoto)
Bild öffnen Romald Heuvelmans, Mars Deutschland
Bild öffnen Sparsam, leise und umweltfreundlich: der Atego Blue Tec Hybrid. (Bildquelle: Mercedes-Benz)

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