HIT 2023 Innovationen machen stark

Es wird gespart: Frank Küver, Market Leader Deutschland, NielsenIQ, spricht über Eigenmarken und Marken. Das Interview führte Reiner Mihr. Er setzt auf die Innovationskraft von Marken.

Mittwoch, 19. Juli 2023 - HIT Produkte 2023
Reiner Mihr
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Echte Marken stehen unter Druck. Echte oder gefühlte Inflation und Kostensteigerungen in fast allen Bereichen sorgen dafür, dass die Kunden im Lebensmitteleinzelhandel verstärkt zu Eigenmarken greifen, Marken vor allem bei Promotions kaufen oder gar direkt zum Discounter laufen. Das spürt der vollsortierte Supermarkt selbstverständlich. Auch wenn der Vollsortimenter vermehrt Eigenmarken verkauft, dürfte es an der ein oder anderen Stelle an Spanne fehlen.

Auch die allseits beliebten Werbekostenzuschüsse, Listungsgelder, Naturalrabatte oder sonstige Zuwendungen fallen spärlicher aus. Und was bedrohlicher ist: Die Lust auf Innovationen bei der Markenartikelindustrie könnte abnehmen – zu groß das Risiko, zu hoch die Investitionen und zu gering die Erfolgschancen? Frank Küver, Market Leader Deutschland bei NielsenIQ, stellt sich den Thesen der Lebensmittel Praxis.

These 1: Die wirtschaftliche Lage der Deutschen treibt sie mehrheitlich zu Eigenmarken und Discount. Echte Marken verlieren an Bedeutung.
Frank Küver: Nun, die Verbraucher sparen in erster Linie durch das Vergleichen der Preise am Regal oder indem sie auf Promotions zurückgreifen. Manchmal verzichten sie auch ganz auf ein Produkt. Das heißt, der Wechsel zum Discounter oder der verstärkte Einkauf von Eigenmarken werden zwar auch als Sparmaßnahme genutzt, aber eben nicht ausschließlich. Aber ja, die Anteile der Eigenmarken gegenüber dem Markengeschäft steigen sowohl im Discount als auch besonders stark im Vollsortiment. Ein Trend, der unter anderem noch verstärkt wird durch das erhöhte Preisniveau der Eigenmarken gegenüber den Marken.

These 2: Die Eigenmarken des Lebensmittelhandels werden weiter an Bedeutung gewinnen und sich daraufhin immer weiter differenzieren.
Ja, das kann man so sagen. Die Vollsortimenter differenzieren weiter erfolgreich ihr Angebot im Bereich der Eigenmarken. Markenhersteller werden in den Jahresgesprächen vor allem in Bezug auf Preise immer noch verstärkt unter Druck gesetzt, sodass es teilweise zu Auslistungen kommt. Entstehende Regallücken werden dann mit anderen Marken oder aber Eigenmarken gefüllt. Auch werden das Erscheinungsbild und die Qualität der Handelsmarken immer häufiger als mit Marken vergleichbar angesehen. Spannend aus unserer Sicht auch eine neue Initiative im Discount, und zwar die Rückkehr zur „günstigen“ Eigenmarke, sogenannten „No Names“, die das untere Preissegment bedienen. Inwieweit diese Strategie erfolgreich sein kann und von den Konsumenten als Sparalternative akzeptiert wird, werden die nächsten Monate zeigen.

These 3: Innovationen werden – weil die Bedeutung der Marke im Lebensmittelhandel weiter abnimmt – deutlich weniger. Für Markenhersteller lohnt die Innovation weniger.
Ja, den Trend können wir über viele Kategorien hinweg bestätigen. Dabei ist Innovation wichtig, um Wachstum zu erzielen und sich zu differenzieren. Hersteller, die in verschiedenen Geschäftsbereichen immer wieder neue Produkte einführen, können mit höherer Wahrscheinlichkeit ihren Marktanteil halten und stärker aus Krisen hervorgehen als Unternehmen, die das nicht tun.

These 4: Die Lebensmittelindustrie wird mit einem Innovationsfeuerwerk dagegenhalten.
Ein Feuerwerk sehen wir nicht, eher im Gegenteil. Schauen wir uns beispielsweise die Food-Kategorie an, so sehen wir einen Rückgang von fast 30 Prozent bei Produkteinführungen im vergangenen 52-Wochen-Zeitraum. In der Kategorie Süßwaren und Snacks liegt der Rückgang bei 20 Prozent. Viele Hersteller verhalten sich in diesen turbulenten Zeiten konservativer und sind weniger innovativ.

These 5: Konsequenzen werden geringere Margen sein.
Tatsächlich stellen wir einen Anstieg in Promotion-Sales für Innovationen in fast allen Kategorien fest, darunter Lebensmittel, Süßwaren und Snacks oder alkoholfreie Getränke. Hier werden die Marken wohl geringere Margen erzielen. Es gibt aber auch Ausnahmen von diesem Trend. Die Kategorien Körperpflegeprodukte und alkoholische Getränke können geringere Margen wahrscheinlich abwenden, da sie ihren Standardverkaufspreis beibehalten.

Zur Person Frank Küver
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Managing Director Frank Küver leitet das Nielsen IQ-Geschäft in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Er ist seit 2019 bei Nielsen und folgte auf Fred Hogen, der Ende 2022 in den Ruhestand ging.

  

HIT 2023 – zur Befragungsmethode

HIT ist eine seit über 30 Jahren von der Lebensmittel Praxis durchgeführte Handelsbefragung nach den erfolgreichsten Neueinführungen der letzten 12 Monate. Repräsentativ analog Einzelhandelsstruktur nach Nielsen-Gebieten und Verkaufsgrößenklassen. Zeitraum erste Welle: 26.1. bis 23.2.2023. Befragt: selbstständige Unternehmer und deren Marktmanager und Vertriebsverantwortliche, Markt- und Filialleiter, Sortimentsverantwortliche und Abteilungsleiter. Zweite, digital durchgeführte Befragung 14. bis 31.3.2023, Beurteilung der Erstplatzierten. Zuerst wählten Händler ihre zehn Favoriten zur Ermittlung der Top 10. Charakterisierung durch vier Kriterien.