Bio-Produkte Heben Bio-Umsätze ab?

Der aktuelle Dioxin-Vorfall beflügelt die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln. Doch der klassische LEH muss an seinem Image arbeiten.

Donnerstag, 10. Februar 2011 - Sortimente
Bettina Röttig
Artikelbild Heben Bio-Umsätze ab?
Discount verliert (Quelle: Nielsen CatCom Food LEH + DM)

Schon lange waren Bio-Produkte nicht mehr so präsent in den Handzetteln der Discounter und Vollsortimenter wie seit Bekanntwerden des Dioxin-Skandals zum Jahreswechsel. Seitdem das Segment nicht mehr die dynamischen Zuwachsraten der Vorjahre aufweisen konnte, schien es in den vergangenen Monaten aus dem Fokus der Handelsunternehmen gerückt zu sein. Die Discounter, noch vor wenigen Jahren Auslöser und Treiber des Bio-Booms, haben ihr Engagement merklich zurückgefahren. „Nicht nur Lidl, auch Netto und Penny hatten ihr Bio-Sortiment – entgegen den öffentlichen Bekundungen, in Bio stark engagiert zu bleiben – deutlich verkleinert. Penny hat allerdings in der zweiten Januarhälfte das Bio-Sortiment wieder deutlich erweitert und damit das angekündigte Engagement in diesem Bereich bestätigt", so die Beobachtung von Markus Rippin, Inhaber des Marktforschungsunternehmens AgroMilagro Research [Anm. der Redaktion: Die letzte Information lag erst nach Redaktionsschluss vor]. Das Ergebnis: Ersten Schätzungen zufolge ist der Bio-Markt 2010 um rund 4 Prozent gewachsen. Der Bio-Umsatz im Discount hingegen schrumpfte in den ersten neun Monaten 2010 in den von Nielsen beobachteten Warengruppen gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 7,3 Prozent.

Eigentlich die Chance für Vollsortimenter, sich stärker mit Bio zu profilieren. Tatsächlich schnitten Supermärkte und kleine Verbrauchermärkte mit Zuwachsraten von 4,3 und 2,2 Prozent um einiges besser ab (vgl. Grafik S. 37). Doch bisher schöpft der klassische LEH sein Potenzial nach Meinung von Branchen-Experten häufig nicht aus. „Bio wird nicht ernst genommen, weder als Markt, noch in seiner Bedeutung für die Ernährung der Menschen und ihre Gesundheit", so die Erfahrung von Tegut-Vorstandschef Thomas Gutberlet.

Gesteigerte Nachfrage
In den Nachwehen des jüngsten Lebensmittel-Skandals jedoch scheint Bio einen neuen Hype zu erfahren. Die aktuelle GfK-Studie „Verbrauchervertrauen in der Dioxin-Krise" zeigt: Deutsche Verbraucher wollen künftig stärker zu Bio-Eiern und -Fleisch greifen. Rund 25 Prozent der Befragten gaben an, ausschließlich Bio kaufen zu wollen, weitere 25 Prozent zumindest teilweise. Vor allem die ältere Generation sowie höher Gebildete setzen demnach auf Öko-Produkte. Jedoch auch überproportional viele Haushalte (32 Prozent) mit niedrigem Einkommen (unter 1.000 Euro) wollen künftig ausschließlich Bio-Eier und Bio-Fleisch konsumieren.

Zumindest in den Wochen nach Bekanntwerden des Vorfalls handelte es sich hierbei nicht nur um reine Lippenbekenntnisse. In vielen Märkten waren Bio-Eier zeitweise komplett ausverkauft. „Der jüngste Dioxin-Skandal hat speziell bei Eiern, aber auch bei Bio-Fleisch, zu einem deutlichen Nachfrageplus geführt. Bei Eiern lag dies im Spitzenwert bei beinahe 40 Prozent", bestätigt die Rewe in Köln. Auch Tegut und Edeka verzeichneten hohe Absatzsteigerungen, die jedoch regional unterschiedlich ausfielen. Stellt sich nun die Frage, ob sich das Kaufverhalten auch auf weitere Warengruppen überträgt und wie nachhaltig sich der Skandal auf den Absatz von Bio-Lebensmitteln auswirkt.

Einen zweiten Bio-Boom wünscht sich die Branche nicht. Hohe Wachstumsraten seien ungesund, insbesondere wenn die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft in Deutschland nicht mit der steigenden Nachfrage mithalten kann. „Die Förderung der Amerikanisierung der Landwirtschaft in Deutschland verdrängt die Bio-Produktion ins Ausland. Damit steigt die Gefahr von Bio-Betrug, denn die Importe stammen häufig aus Ländern wie China und Indien, aber auch der Türkei, denen der Korruptions-TÜV 'Transparency International' die starke Verbreitung von Bestechlichkeit vorwirft", warnt Prof. Dr. Ulrike Detmers, Mitglied der Geschäftsführung und Gesellschafterin der Mestemacher-Gruppe. Nachhaltiges Bio könne nur langsam und kontinuierlich wachsen, betont Rüdiger Kerschner, Geschäftsführer der Eco-Plus Handels- und Service GmbH. „Nach einer starken Wachstumsphase haben wir nun eine Entwicklung der Qualitäten und der Grundsätze", sagt Thomas Gutberlet.

Die Erfahrung zumindest zeigt, dass Lebensmittel-Skandale auch langfristig die Bio-Absätze ankurbeln. „Jeder Lebensmittel-Skandal hat in den letzten Jahren zu einer Steigerung im Bio-Segment geführt. Die anschließende Normalisierung der Nachfrage verblieb dann aber in der Regel auf einem etwas höheren Niveau", weiß Bernd Richter, Geschäftsführer von Rila Feinkost-Importe.

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