Interview mit Christof Queisser Der Insider - Interview mit Christof Queisser: Teil 2

Christof Queisser hat bei Tengelmann das Handelsgeschäft von der Pike auf gelernt und kennt sich hier besser aus als viele andere aus der Industrie. Bis heute hat der Rotkäppchen-Chef eine Passion für den LEH und macht jede Woche bis zu fünf Store-Checks. Ein Gespräch über den Aufstieg des Sektmarktführers, die Wertigkeit von Schaumwein und den Einstieg in ausländische Märkte.

Montag, 15. Mai 2017 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Der Insider - Interview mit Christof Queisser: Teil 2

Seit 2009 sind Sie der neue Chef von Rotkäppchen-Mumm. Welches war eine positive Eigenschaft Ihres Vorgängers Gunter Heise, von der Sie gelernt haben?
Unternehmerischer Mut gepaart mit enormen Pragmatismus. Das hat mich zutiefst beeindruckt. Und das prägt unser Haus heute noch. Ich war schon in einigen Familien‧unternehmen, und das ist ein wichtiges Argument für Rotkäppchen-Mumm. Viele unserer Mitarbeiter kommen von großen Konzernen. Die wollen nicht mehr in Zwängen sein, sondern unternehmerisch arbeiten. Wir sind ein Familienunternehmen mit kurzen Entscheidungswegen, agieren aber professionell wie ein Großkonzern. Auch Gunter Heises unabdingbarer Glaube an die Marke beeindruckt mich stets.

Der Kauf von Sekt im Detail

In einer Studie zur Kaufsituation am PoS konnte Rotkäppchen ein für Sekt spezifisches Käuferverhalten
feststellen:

Kauffrequenz
Die Käufer kommen ein bis zwei Mal monatlich zum Regal – in der Regel im Rahmen eines Routine-Einkaufs. Rund 54 Prozent der Käufe für die Warengruppe sind anlassgetrieben.

Verweildauer am Regal
Käufer der Kategorie benötigen maximal 30 Sekunden, um den gesuchten Artikel zu finden. In der Regel steht das Segment für sie bereits fest, allerdings kann am Regal die Kaufmenge noch beeinflusst werden.

Plankaufrate
Knapp die Hälfte der Käufer kann am PoS aktiviert werden, denn die generelle Plankaufrate für die Kategorien liegt bei nur 55 Prozent. Wegen der besonderen Bedeutung von alkoholfreiem Sekt für den Konsumenten wird dieser zu 77 Prozent geplant gekauft.

Out-of-Stock
Bei Out-of-Stock-Situation: 55 Prozent der Käufer verlagern den geplanten Einkauf – was für Marke und Handel ein entsprechend hohes Risiko darstellt. Die restlichen 45 Prozent weichen direkt am Regal auf eine Alternative aus, meist in Form eines Markenwechsels innerhalb des Segments oder eines Sortenwechsels.

Heise war also ein mutiger Manager. Wo agiert das Unternehmen heute noch ähnlich mutig?
Beispielsweise mit der Einführung von Fruchtsecco. Wir sind quasi als Letzte in einen Markt gegangen, der einen Private-Label-Anteil von mehr als 60 Prozent und einen Preis von 1,39 Euro im Hard-Discount hatte. Wir sind mit 3,99 Euro eingestiegen, und ich kann mich noch gut an die skeptischen Kommentare bei der Prowein erinnern. Ebenso haben wir damals zur gleichen Zeit 15 Mio. Euro in die neue Entalkoholisierungsanlage und Produktion von Mischgetränken in Eltville investiert. Das war mutig. Auch unsere Akquisitionen im Ausland, wie jetzt Italien, erfordern gewissen Mut. Wir leben nicht mehr in den 1960er-Jahren, sondern wir müssen uns jetzt internationaler aufstellen, wo die Märkte schon verteilt sind. Der deutsche Markt ist für uns gesetzt.

Wie sehen für Sie denn die Sortimente der Zukunft für den stationären Handel aus?
Es gibt durch den Internet-Handel einen dominanten Trend: Der stationäre Handel muss sich stärker auf seine Kernkompetenz fokussieren, also Food mit großer Auswahl, Frische und Bedienung. Darin sehe ich auch den Kerntreiber für die Renaissance des Supermarktes, der sich wieder auf dieses klare Profil einstimmt. Die Kategorien, die im Internet gut gehen, also Nonfood, Bücher etc., werden dort auch den Raum einnehmen.

Wie stark beschäftigen Sie sich denn mit dem Online-Handel?
Der Online-Anteil ist bei uns klein, wächst aber stetig. Unsere Marken sind ubiquitäre Marken, sie sind fast überall verfügbar. Trotzdem: Schaut man sich den Sekt- und Weinanteil am Online-Geschäft an, dann liegt der im Vergleich zu anderen Food-Kategorien relativ hoch. Die Stärke liegt da, wo Spezialitäten in die breite Distribution kommen. Rotkäppchen oder Blanchet muss man nicht online kaufen, kann man aber.

Der LEH steht unter Druck und versucht, sich mit hochwertigen Eigenmarken zu differenzieren. Was bedeutet das für eine starke Marke? Ich sehe die Eigenmarke und die Marke auf einem Niveau. Eine Eigenmarke eines Händlers ist für mich genauso ein Wettbewerbsprodukt wie die Marke eines Herstellers, da mache ich keinen Unterschied. Ich glaube auch nicht, dass der Verbraucher da einen Unterschied macht. Der Händler hat mit seiner Eigenmarke, was den Start angeht, natürlich bessere Voraussetzungen. Er kann das Produkt einfach in das Regal stellen. Aber wenn sich eine Eigenmarke nicht dreht, fliegt sie auch raus. Ich sehe diesen Wettbewerb sportlich. Wir haben aber auch das Glück, in einer Kategorie mit imagegetriebenen Marken und einem geringen Eigenmarkenanteil von nur ca. 10 Prozent zu agieren. Allerdings ist der Aktionsanteil mit 60 bis 70 Prozent bei Sekt sehr hoch. Wir sind ein Lockvogel. Das ist aber auch normal bei einer Marke wie Rotkäppchen mit mehr als 35 Prozent Käuferreichweite. Da landen sie automatisch auf der ersten Seite des Handzettels.

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