Getränkewirtschaft Schützenhilfe

AB Inbev kennt die Sorgen des deutschen Getränkegroßhandels. Zum Auftakt der Wiesn in München verspricht der Brauer Hilfe. Um Bestellungen zu vereinfachen und Regallücken zu schließen, soll eine weltweit erprobte App helfen. Ob das in den aktuellen Krisen reicht, ist fraglich.

Montag, 10. Oktober 2022 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Schützenhilfe
Bildquelle: Achim Frank Schmidt

Eigentlich hätte der diesjährige GFGH-Kongress des weltweit größten Brauers AB Inbev in München ein großes Fest werden können. Nach zweijähriger Abstinenz endlich wieder Anstich auf der Wiesn. Zumindest die Münchener Brauer können sich für eine kurze Zeit aus dem Griff von Corona befreien und auf ordentlichen Umsatz hoffen. Doch auch im Rest der Republik lief es diesen Sommer erstmals seit zwei Jahren in der Gastronomie wieder vielversprechend. Die Sonne zeigte sich ausgiebig, Biergärten und Außenterrassen waren entsprechend gut besucht.

Doch jeder Großhändler, Gastronom und Getränkehersteller weiß, dass die derzeitigen Krisen noch lange nicht ausgestanden sind. Das spürt man auch in München im „Eurostars Grand Central Hotel“, wo die Führungskräfte von AB Inbev Deutschland (unter anderem Becks, Spaten, Löwenbräu und San Miguel) am Vorabend der Oktoberfest-Eröffnung den Großhändlern ihre Wachstumsstrategie für die kommenden Jahre erklärten. Noch während AB-Inbev-Deutschland-Chef Michel Pepa versuchte, seinen wichtigen Geschäftspartnern Mut zu machen, und Bier zu einer Kategorie mit Wertschöpfungspotenzial erklärte, lief ein gemeinsamer Hilferuf der Getränkewirtschaft über den Ticker, mit dem angesichts explodierender Energiekosten und auch wegen Personalmangels ein gedeckelter Gaspreis sowie ein „Schutzschirm“ der Politik gefordert werden. „Ohne ein schnelles Eingreifen des Staates und ohne wirksame Hilfen werden allein in der deutschen Getränkewirtschaft Hunderte Betriebe und Tausende Mitarbeiter ihre Existenz verlieren“, heißt es von den Interessenverbänden der Branche.

Auch Pepa weiß um die Sorgen von Großhändlern wie Trinks, Getränke Essmann, Hövelmann und Winkels, die bei geringen Margen unter Personalmangel, explodierenden Kosten und gestörten Lieferketten ächzen. Zumindest für den letzten Punkt versprach der Belgier Abhilfe: „Wir kennen das Problem und arbeiten intensiv daran, bei der Belieferung besser zu werden.“

Bees soll Großhandel helfen
Während Ausführungen Pepas zu neuen Marken und Investments in die Kategorie Bier (unter anderem Spaten Helles in Bio-Qualität, nachhaltiger Kasten für Corona sowie die Aufnahme von San Miguel in das Portfolio) quasi die Pflichtkür einer großen Braugruppe darstellen, wurde mit Spannung die Vorstellung von „Bees“ erwartet.

Hinter dem Namen verbirgt sich eine digitale Bestellplattform, die bereits seit zwei Jahren vor allem in Lateinamerika im Einsatz ist und die sich innerhalb dieser kurzen Zeit in den Top Ten der größten Marktplätze der Welt hinter Giganten wie Amazon und Ebay platzieren konnte. „Wir generieren in 20 Ländern weltweit fast 1,8 Millionen Bestellungen pro Woche sowie einen Bruttowarenwert von über 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr“, so Pepa über das starke Wachstum.

Digitale, datenbasierte Vertriebssteuerung gilt in Deutschland als große Schwachstelle in der Gastronomie und im Getränkefachgroßhandel. Nicht selten kommt es vor, dass wenig professionalisierte Gastronomen Bestellungen noch mit Telefon oder Fax aufgeben.

Um diese digitale Wüste endlich mit Leben zu füllen, gibt es bereits viele Angebote in der Branche. Octopus (GES), Kollex (unter anderem Bitburger und Coca-Cola) sowie Gastivo (Team Beverage/Radeberger) sind nur drei der bekannteren Namen. Wer das Rennen am Ende macht, steht noch völlig offen.

Gemeinsamkeit als Mantra
Auch Jannik Weitzl, Sales Director GFGH bei AB Inbev Deutschland, weiß das. Um seinen Großkunden das neue Angebot schmackhaft zu machen, bemühte er immer wieder das Credo der „Gemeinsamkeit“. „Es gibt im Prinzip zwei Strategien, wie in der Branche auf die Krise im GFGH reagiert wird. Das eine ist die vertikale Integration“, so Weitzl, der damit auf diverse Beteiligungen großer Getränkehersteller im Fachgroßhandel anspielt. „Dies ist aber nicht unser Weg. Wir wollen Ihnen helfen, mehr Umsatz zu machen, denn dann geht es auch uns gut.“

Untermauern kann Weitzl diese Hoffnung auch mit Erfahrungen aus den letzten zwei Jahren: Die algorithmusbasierten Kaufempfehlungen von Bees bescheren dem Brauer und den teilnehmenden Fachgroßhändlern demnach bei 80 Prozent der Nutzer Einkäufe, die durchschnittlich 3 Prozent größer ausfallen als Bestellungen, die via Katalog erfolgen.

Neben diesem nach Unternehmensangaben überlegenen und KI-gestützten Algorithmus wird auch ein besserer Datenschutz als Vorteil genannt. Zudem sei Bees in seiner Standard-Version als reine Bestellplattform kostenlos, trotz „hoher Entwicklungs- und Integrationskosten seitens AB Inbev“, wie es bei dem Brauer heißt. Bestimmte Zusatz-Module, die bei Sortimentsoptimierung und Verkaufsförderung helfen sollen, sind demnach kostenpflichtig. Dabei soll selbstverständlich nicht nur das AB-Inbev-Portfolio zur Verfügung stehen. Der Brauer verpflichtet sich auch zur Neutralität und garantiert, dass das gesamte Sortiment eines Großhändlers in der App abgebildet und fortlaufend synchronisiert wird. Aus diesem Grund sollen Großhändler auch selbst Bees bei ihren Kunden bewerben. „Der GFGH muss seine Kunden davon überzeugen, mit Bees zu bestellen. AB Inbev ist neutral bezüglich des auf der Plattform angebotenen und beworbenen Sortiments. Unser Außendienst wird keine Vertriebsaktivität für Bees übernehmen“, heißt es dazu.

Preise müssen steigen
Dass ein neuer Online-Marktplatz allein wahrscheinlich nicht reichen wird, in der derzeitig angespannten Lage Abhilfe zu schaffen, weiß auch Pepa. Er rät dem Großhandel in seinem Vortrag dazu, das Sortiment zu optimieren und sich auf lukrative und gut drehende Marken zu fokussieren. Für die FMCG-Branche prognostiziert der Belgier, ähnlich wie andere Braumanager: „Die Deutschen werden sich daran gewöhnen müssen, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben.“

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