Schilkin Verhärtete Fronten

Das Spirituosenhaus Schilkin („Berliner Luft“) ist seit zwei Jahren nicht mehr bei Rewe und Edeka zentral gelistet. Die LP sprach mit dem Geschäftsführer Dr. Erlfried Baatz (Foto) über die Macht des Handels.

Freitag, 28. Januar 2022 - Getränke
Tobias Dünnebacke
Artikelbild Verhärtete Fronten
Bildquelle: Melanlie Wehnert

Es ist das in der Fachpresse dominierende Thema. Eckes-Granini, Melitta, Coca-Cola und jüngst Pepsico. Die Liste der Markenhersteller, die sich mit dem Handel in ihren Jahresgesprächen nicht auf Konditionen einigen können, ist lang und wird immer länger. „Die multinationalen Lieferanten der Konsumgüterindustrie verfügen nicht nur über eine Angebotsmacht, sondern auch über einen zunehmenden Konzentrationsgrad“, erklärte ein Edeka-Sprecher gegenüber diesem Magazin zu den Auseinandersetzungen mit diversen Markenherstellern. Aber Streitereien über Preisstellungen treffen nicht nur die großen internationalen Konzerne wie Nestlé. Auch das Berliner Spirituosenhaus Schilkin (Umsatzniveau: gerade einmal 21 Millionen Euro) kann sich seit zwei Jahren nicht mit den führenden Handelsketten Edeka und Rewe auf Konditionen einigen. „Schon seit Beginn des vergangenen Jahres führte die Auseinandersetzung mit führenden Supermarktketten über unsere notwendige Abgabepreisstellung zu ganzjährigen Lieferstopps und damit Distributionslücken“, so Geschäftsführer Dr. Erlfried Baatz gegenüber der Lebensmittel Praxis.

Selbstständige Händler halten zur Marke „Berliner Luft“
Alle Rohstoffe und Materialien würden für Schilkin momentan knapp und teils dramatisch teurer. „Auch wenn der Handel immer wieder moniert, Preissteigerungen seien wegen angeblich hoher Renditen nicht notwendig, bleibt nur der Verweis auf objektiv nachvollziehbare Marktpreisindizes. Preiserhöhungen sind unverzichtbar“, erklärt der Manager zu den geforderten Preis-Anpassungen gegenüber den Handelspartnern. Angesichts dieses Konfliktes und der anhaltenden Corona-Pandemie sei man mit einem Absatz von über 4 Millionen 0,7-Liter-Flaschen „Berliner Luft Classic“ zufrieden. Man stand auf dem Höhepunkt des Erfolges aber auch schon mal bei 7 Millionen verkauften Einheiten.

„Viele Kunden fragen bei uns direkt an, wo sie denn stattdessen die Marke vor Ort kaufen könnten“, erklärt Baatz. Der Fachhandel habe in dieser Situation stark profitiert und sich mit den Schilkin-Marken zusätzliche Kunden in seine Läden geholt. Als ein verlässliches Geschäft hat sich auch der Abverkauf bei inhabergeführten Rewe- und Edeka-Märkten erwiesen. Sie werden entweder direkt über Strecke oder über die Fachhändler, bei denen sie Spirituosen beziehen, beliefert. Aktuell bedient Schilkin rund 400 Kaufleute von Edeka und Rewe auf direktem Weg. Tendenz steigend. Ohne dieses Geschäft und in Zeiten geschlossener Clubs und Szene-Bars wäre es für einen Mittelständler wie Schilkin sehr schwierig zu überleben.

Edeka: Inflation ist nur ein vorgeschobenes Argument
Edeka erklärt in einer Stellungnahme zu Konditionsstreitigkeiten, dass von der Industrie geforderte Preiserhöhungen häufig nicht auf gestiegene Kosten zurückgehen. „Der Verweis auf die allgemeine Inflation wird als willkommenes Argument genutzt, um die eigene Gewinnmarge – im Sinne der Aktionäre – zu verbessern. Dies können und wollen wir – im Sinne der Verbraucher und Verbraucherinnen – nicht einfach akzeptieren“, so der Edeka-Sprecher. Baatz kann dieses Argument für sein Unternehmen nicht nachvollziehen. Seit der Spirituosenhersteller 2014 (vor dem Einstieg des ehemaligen Oetker-Managers) beinahe pleite gegangen wäre, gebe es „keine Alternative zu der klaren Preis- und Markenpositionierung von Schilkin“. Die Marktmacht der großen Händler bezeichnet Baatz als mächtiges Oligopol. Mit einem verhältnismäßig geringen Jahresumsatz stehe Schilkin aber internationalen Wettbewerbern mit Milliardenumsätzen und marktbeherrschenden Händlern gegenüber und könne nur durch regionale Kompetenz und überragende individuelle Markenkonzepte überleben. „Wir würden uns freuen, wenn der Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten hier das Maß aller Dinge wäre“, so Baatz. Ungeachtet der angespannten Situation will der Schilkin-Geschäftsführer weiter in die Marke investieren: Seit 17. Januar gibt es die Variante „Berliner Luft Kräuterfix“. Darüber hinaus steht eine neue limitierte Edition an. Man unterstütze alle Absatzmittler aktiv. Displays, Werbematerial, ideelle Hilfe und Beratung durch die Berliner Außendienstler und die regionalen Handelsvertreter stünden bereit. „Laufende Produktinnovationen, die Marke und Sortiment modern, wertig und aktuell halten, treiben auch in Zukunft unser Wachstum“, ist sich der Marken-Profi Baatz sicher.

Wer steckt hinter „Berliner Luft“?

Die russischstämmige Unternehmerfamilie Schilkin kann auf eine ereignisreiche Geschichte zurückblicken. Die vom Petersburger Apollon Fjodorowitsch Schilkin in Berlin-Kaulsdorf errichtete Produktionsstätte wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Der Sohn Sergei baute sie in mühevoller Arbeit wieder auf. In den 1970er-Jahren erfolgte die Verstaatlichung durch das DDR-Regime und nach der Wende die Reprivatisierung und Revitalisierung des Geschäftes.

Einen Tiefpunkt erreichte die Firma 2014, als sie kurz vor dem Ruin stand. Die Rettung kam in Person von Dr. Erlfried Baatz, als persönlich haftender Gesellschafter des Oetker-Konzerns und Chef der Radeberger Gruppe eine Art VIP der deutschen Konsumgüterbranche. Baatz übernahm das Ruder, erfand den Pfefferminzlikör „Berliner Luft“, traf damit einen Nerv und hauchte dem auf Wodka, Weinbrand und Gin spezialisierten Hersteller neues Leben ein. „Die Marke sorgt für frischen Atem, ist einzigartig im Geschmack, steht als klare Spirituose für Reinheit und beschwingt, sorgt für gute Laune. ‚Berliner Luft‘ spricht Frauen und Männer an und verleiht das Berliner Flair, ist aber bodenständig und bezahlbar“, erklärt Baatz den Charme der Marke.

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