Intermeat Zeichen gesetzt

In der Schweiz und den Niederlanden sind Industrie und Einzelhandel in Sachen Tierwohl und Nachhaltigkeit viel weiter als Deutschland. Uns fehlt ein Label.

Mittwoch, 15. September 2010 - Fleisch
Christina Steinheuer
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Wer hat's erfunden? Genau, die Schweizer. In Sachen Nachhaltigkeit haben uns Deutschen unsere „kleinen“ Nachbarn eine Menge voraus. Die Niederlande und die Schweiz sind europaweit führend, was das Thema Tierwohlsein anbelangt. Längst haben sich in den dortigen Supermärkten entsprechende Labels und sogar Eigenmarken Regalplatz erobert, gelten als etabliert (vgl. Naturafarm der Schweizer Coop, S. 54). In den Niederlanden sitzt die Tierschutzpartei „fett“ im Parlament, und die Plukon-Gruppe lanciert mit Albert Heijn gemeinsam das „Nachhaltigkeitshähnchen“ Scharrel (vgl. LP 14/15, S. 44). Das Label „Better Leven“ ist in den Niederlanden ein Verkaufsargument und deshalb natürlich auf den Scharrel-Packungen abgebildet. Jahrelang hat hier zu Lande schon Bio die Geister und die Geschäftswelt gespalten, da hat sich ans Thema Nachhaltigkeit erst recht kaum jemand rangewagt. Das ist jetzt anders. Erste Projekte der Industrie, zumeist in Kooperation mit der Wissenschaft, laufen. Ergebnisse liegen jedoch noch nicht öffentlich vor, geschweige denn ein Label-Entwurf, der bundesweit gelten könnte.

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick in die Schweiz. Während sich in Deutschland vereinzelt Unternehmen der Fleisch- und Wurstbranche des Themas annehmen, und z.B. wie Wiesenhof oder Westfleisch eigene Carbon-Footprints für ihre Produkte entwickeln, gibt es in der Schweiz nicht nur den ökologischen Fußabdruck für das ganze Land (vgl. Myriam Steinemann, Infras, Zürich), sondern z.B. seit mehr als 20 Jahren, exakt seit 1989, auch das IP Suisse-Label. Der Marienkäfer hat sich als Qualitätszeichen einen Namen gemacht. Nahrungsmittel, die mit diesem Label ausgezeichnet sind, garantieren Qualität, eine umweltschonende, nachhaltige, natürliche und einheimische Produktion (vgl. www.ipsuisse.ch). Die Vereinigung IP-Suisse setzt sich für eine naturnahe und gesunde Produktion von Nahrungsmitteln ein und fördert eine umwelt-schonende sowie tiergerechte Landwirtschaft. IP Suisse zählt aktuell ca. 32.000 Mitglieder und mehr als 18.000 Betriebe, die die Anforderungen an die Nutztierhaltung erfüllen. Um zu gewährleisten, dass die Interessen der Landwirte nicht übergangen werden, setzt sich der Vorstand zu mindestens zwei Dritteln aus praktizierenden Bauern zusammen.

In Deutschland haben nicht wenige aus der Industrie, aber auch aus dem Lebensmittel-Einzelhandel den Eindruck, dass das Thema Nachhaltigkeit bei uns hauptsächlich aus Imagegründen und Motiven der Kostenersparnis vorangebracht wird. Nach dem Motto: „Tue ein ganz klein bisschen Gutes und rede viel darüber.“ „Die Sensibilisierung für Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsanliegen ist nur dann glaubwürdig“, betont Heinz Hänni, Umweltmanager von McDonald's Schweiz, anlässlich eines Symposiums, das die Branchenorganisation Proviande Anfang September organisiert hatte, „wenn sie über die gesamte Wertschöpfungskette konsequent durchgezogen wird.“ McDonald's bezieht seinen Rohstoff Fleisch übrigens seit Jahren zu 100 Prozent aus der Schweiz und größtenteils von den so genannten RAUS-Kühen. RAUS steht für „Regelmäßiger Auslauf“ und ist ein etabliertes Programm im Bereich Tierwohlsein.

Ob Naturafarm bei der Coop Schweiz oder „TerraSuisse“ beim Konkurrenten Migros – die Marken sind fester Bestandteil der jeweiligen Konzernkommunikation. „Um möglichst vielen Tieren ein artgerechtes Leben zu ermöglichen, hat Coop unter anderem zusammen mit dem Schweizer Tierschutz STS eigene Tierhaltungs-Programme entwickelt. Diese erfüllen strengste Richtlinien für die Tierhaltung und Fütterung – Richtlinien, die sich deutlich von den Anforderungen der Tierschutzgesetzgebung abheben“, heißt es z.B. auf der Internetseite der Coop.

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„Die tatsächliche Bedeutung der Nachhaltigkeit zeigt sich bei der Beschaffung.“ Bernhard Kammer, Migros



Das Handelsunternehmen wurde für sein nachhaltiges Engagement vom Schweizer Tierschutz STS 2005 und 2007 zum „Tierschutz-Schweizermeister“ ernannt. Inzwischen erwirtschaftet die Coop mehr als ein Drittel ihres gesamten Fleischumsatzes mit Naturafarm-Artikeln, und das obwohl Naturafarm erst im Frühjahr 2007 als Marke für Fleisch und Eier aus tierfreundlicher Auslaufhaltung bei der Coop eingeführt wurde.    Das Anforderungs-Profil für das Label umfasst     diverse Vorgaben zu Aufzucht, Mast, Schlachtung und Verarbeitung. Zudem müssen alle Betriebe einen ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) erbringen.

Auch für Bernhard Kammer, den Labelkoordinator aus der Abteilung Qualitätssicherung und Nachhaltigkeit der Migros, zeigt sich die tatsächliche Bedeutung der Nachhaltigkeit bei der Beschaffung und bei der Betrachtung der Wertschöpfungskette. Migros kooperiert z.B. mit unabhängigen Organisationen wie der bäuerlichen Vereinigung IP-Suisse und dem WWF Schweiz. Für die Fleischproduktion wurden mit der IP-Suisse die Richtlinien hin zu mehr Tierwohl und Biodiversität entwickelt. Und mit dem WWF wurden Lösungen gesucht, wie nachhaltig produziertes Soja in der Schweizer Futtermittelindustrie eingesetzt werden kann. Das Label „TerraSuisse“ (Produkte aus einer garantiert tierfreundlichen, naturnahen Schweizer Landwirtschaft, produziert von IP-Suisse-Landwirten) ist derzeit das volumenmäßig wichtigste Schweizer Label im Fleischbereich.

Nachhaltigkeit wird bei der Migros als einer der Kernwerte des Konzerns behandelt. „Wir setzen uns für Umwelt- und Klimaschutz, faire Arbeitsbedingungen, artgerechte Tierhaltung und viele weitere Facetten dieses Begriffs ein. Dieses von uns gelebte und auch kommunizierte Engagement trug dazu bei, dass die Migros 2009 als der nachhaltigste Detailhändler der Welt gekürt wurde“, sagt Bernhard Kammer und erinnert an den World Retail Congress, der im vergangenen Jahr in Barcelona stattfand. In wenigen Wochen findet in Berlin vom 25. bis 27. Oktober der World Retail Congress 1010 statt, und im November wird in Düsseldorf der Deutsche Nachhaltigkeitspreis verliehen. Für letzteren ist die Rewe Group dreifach nominiert. Ihre Nachhaltigkeitsstrategie umfasst die vier Säulen „Grüne Produkte“, „Energie, Klima und Umwelt“, „Mitarbeiter“ und „Gesellschaftliches Engagement“. 2008 hat der Konzern zu 100 Prozent auf Grünstrom umgestellt. Im März dieses Jahres wurde das Label „Pro Planet“ lanciert. Ob die Rewe nachhaltig Erfolg hat?

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Während der InterMeat präsentieren wieder zahlreiche Unternehmen der Branche neue Produkte. Geflügel bleibt Trend, Gesundheit und Natürlichkeit ein Thema.

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