Milchmarkt Milchpreis-Rallye geht weiter

Bei den Molkereien stehen die Zeichen für das neue Jahr natürlich auf „Go“. Aber hohe Rohmilchpreise und anhaltende Kaufzurückhaltung am PoS sind die Herausforderungen für 2023.

Sonntag, 15. Januar 2023 - Molkereiprodukte
Dr. Friederike Stahmann
Artikelbild Milchpreis-Rallye geht weiter
Bildquelle: Ueli Steingruber

Wenn die Milchpreise für die Landwirte steigen, steigen und steigen und die Verbraucherpreise für Milch, Quark und Käse dasselbe tun, hat der Milchmarkt ein lachendes und ein weinendes Auge. Was Landwirte freut wie die letzten 20 Jahre nicht, lässt Kunden beim Griff in die Mopro-Theke zögern, mehr noch: Kaufgewohnheiten ändern sind, der Konsum wird zurückgefahren. Am Milchmarkt tummeln sich neben Landwirten und Ladenbesuchern auch die Molkereien. Lachend oder weinend – wie sehen sie das Jahr 2022 mit Milchpreisen auf Rekordhöhe? „Meine feste Überzeugung ist: Dies waren und sind Preise in der Krise und damit nicht nachhaltig“, spricht Peter Stahl als Vorsitzender des Milchindustrie-Verbandes aus, was Molkereien dazu denken. Aber was bedeutet in diesem Zusammenhang „nicht nachhaltig“? Das bedarf einer Erklärung. „Die Molkereiwirtschaft hat einen erheblichen finanziellen Schaden genommen, da erstens die Preise im Handel nicht mit derselben Geschwindigkeit nach oben entwickelt werden konnten und zweitens die Verbraucher mit einer deutlichen Kaufzurückhaltung reagierten aufgrund der hohen Regalpreise sowie der allgemeinen Inflation.“

Ein Blick in die Historie: Bekam beispielsweise ein Landwirt im Jahr der Euro-Einführung 28 Cent pro Liter Milch, waren es laut Milchindustrie-Verband letztes Jahr über 50 Cent je Liter. Fast doppelt so viel. Der über 20 Jahre nicht durchsetzbare Inflationsausgleich wurde innerhalb eines einzigen Jahres nachgeholt. Verbraucher mussten vor 20 Jahren 70 Cent für einen Liter Milch ausgeben. Mitte Dezember 2022 kostete eine Tüte frische Vollmilch in der Variante 3,5 Prozent Fett im Preiseinstieg dann 1,09 Euro (zu Jahresbeginn waren es noch 83 Cent). Das entspricht einer Verteuerung von 55 Prozent – also nur halb so viel wie beim Erzeugermilchpreis.

Und wie wird es im neuen Jahr weitergehen? Bezüglich der Perspektiven scheiden sich die Geister. Erst einmal ein Blick auf die Milcherzeugerpreise – also die Preise, die die Landwirte für ihre Rohmilch erhalten. Der Hauptgeschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes, Eckhard Heuser, sieht die Milchpreis-Rallye noch nicht als beendet an.

Milch-Peak überschritten
Bei rückläufigen Anlieferungen und geringeren Milchinhaltsstoffen herrsche vor allem in Süddeutschland ein starker Wettbewerb um die knappe Rohmilch. Bei Käse und Konsummilch erwartet er in nächster Zeit noch Preisanhebungen, bei Butter und Milchpulver nicht. Dafür seien auch längerfristige Kontrakte verantwortlich. Heuser geht davon aus, dass der „Milch-Peak“ – also jedes Jahr mehr Rohmilcherzeugung als im Vorjahr – überschritten ist. Nicht nur hierzulande, sondern EU-weit. Grund dafür sei, dass es immer weniger Betriebe und Kühe gebe. Mit der Folge, dass die Preise hoch blieben.

Und wohin steuern die Verbraucherpreise 2023? „Die Rahmenbedingungen sind derzeit nicht nur aufgrund der gestiegenen Energiepreise schwierig. Auch die teils erheblichen Mehrkosten für Rohwaren – voran Milch – und Verpackungsmaterial treffen uns empfindlich“, so Tim Schwertner, Geschäftsführer der Privatmolkerei Bauer aus dem Allgäu. Und das hat Folgen, so der Molkereiexperte: „Vor diesem Hintergrund wird man in der gesamten Milchwirtschaft nicht um Preiserhöhungen herumkommen.“ Und die fallen wie hoch aus? Bei einigen Warengruppen seien die Preisspitzen schon erreicht, bei anderen noch nicht, meint Peter Stahl. „Der Butterpreis hat bestimmt seine oberen Kanten erreicht“, ist sich Hauptgeschäftsführer Heuser sicher. Bei Milch seien leichte Preiserhöhungen im Januar zu erwarten (so die Prognose Ende Oktober 2022). „Die Euro-Grenze beim Liter Konsummilch – auch bei der 1,5er – wird überschritten werden.“

Öl statt Gas
Das Thema Energiekrise beschäftigte die Molkereien 2022 und wird es wohl auch 2023 weiterhin. „Aufgrund der insgesamt unsicheren Situation im Bereich der Gasversorgung haben wir ab Herbst als präventive Maßnahme in einzelnen Arla-Werken die vorübergehende Umstellung von Gas auf Öl vorgenommen“, so Pressesprecher Markus Teubner. Eine Maßnahme, die sicherstellen soll, dass die Produktion für Kunden und Landwirte reibungslos fortgeführt werden kann. Teubner ist es wichtig zu betonen, dass es sich bei der Umstellung von Gas auf Öl um eine vorübergehende, präventive Maßnahme handelt. „Unsere Nachhaltigkeitsinitiativen in den Bereichen Energieoptimierung, Elektrifizierung, Ökostrom, alternative Wärmeenergie und neue Energieträger wie Wasserstoff haben weiterhin hohe Priorität für uns, und wir treiben sie voran.“ So wolle man zum Beispiel das Arla-Werk in Pronsfeld bis Ende 2025 auf Ökostrom umstellen.

Dass es zu Einschränkungen der Angebotsvielfalt aufgrund einer möglichen Energieknappheit kommen wird, verneinen die von der LP befragten Molkereien. „Beim Müller-Portfolio sind aktuell keine Einschränkungen (vor allem hinsichtlich Energie etc.) geplant. Alle geplanten Produktaktivitäten und Initiativen auf den unterschiedlichen Müller-Marken werden wie geplant umgesetzt“, erklärt Andreas Wagner, Marketing Manager Müller. Ähnlich äußerten sich auch die Vertreter von Bauer, Sachsenmilch und Weihenstephan.

Also kein verkleinertes Angebot. Im Gegenteil: 2023 wird es im Mopro-Regal wieder ein Feuerwerk von Innovationen geben. Arla wird den deutschen Markt mit Neuheiten aus den Bereichen Frischkäse, milchbasierte Kaffeegetränke und Trinkmilch bereichern. „Dabei wird das Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielen“, so der Sprecher.

Von Sachsenmilch werden aktuell zwei Neuprodukte lanciert: „Unser Schokopudding mit Vanillesoße“ und „Unser Kakao“. „Damit reagieren wir auf die steigende Nachfrage nach Milchmischgetränken mit einem echten Klassiker und sprechen als Familienmarke eine etwas jüngere Zielgruppe an“, berichtet Grit Bobe, Verkaufsleiterin Regionalmarke Sachsenmilch. Bei der Marke Müller wird es im Jahr 2023 neben einigen Saison- und Limitiert-Konzepten (unter anderem Müllermilch, Joghurt mit der Ecke, Milchreis oder Fruchtbuttermilch) auch Innovationen in den Bereichen Dairy und Non-Dairy geben. Wann genau, „dazu können wir Ihnen aber Stand heute noch keine Launch-Termine nennen“, erläutert Andreas Wagner. Wie auch Weihenstephan will Bauer das bestehende Kerngeschäft weiterentwickeln. „Gerade im Fruchtjoghurt-Bereich sind wir mit unserer Dachmarke ‚Der große Bauer‘ stark aufgestellt. Parallel dazu arbeiten wir an weiteren Innovationen“, unterstreicht der Geschäftsführer.

Verhalten gute Aussichten
Die Signale für das Jahr 2023 scheinen damit auf Grün zu stehen – trotz aller herausfordernden Rahmenbedingungen. „Insgesamt bleibt der Verband verhalten optimistisch, auch wenn Prognosen für 2023 oder darüber hinaus vor dem Kontext der Fragestellungen im Bereich Energie schwerfallen. Fraglich ist jedoch, ob ein Übertrumpfen des Rekordjahres 2022 möglich ist“, so Dr. Björn Börgermann, der Geschäftsführer des Milchindustrie-Verbandes.

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