Flüchtlinge Flüchtlinge - neue Kollegen, neue Kunden - Flüchtlinge - neue Kollegen, neue Kunden: Teil 2

Keine Frage: Es ist anstrengend, Flüchtlinge ins Arbeitsleben einzugliedern. Wie Integration gelingen kann, zeigt das Beispiel von Ahmed Elmi Sultan, der sich bei Edeka Cramer auf eine Ausbildung vorbereitet. Zudem sorgt die Flüchtlings- welle auch für zusätzliche Kaufkraft. Wie kann der Handel davon profitieren?

Freitag, 11. März 2016 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Flüchtlinge - neue Kollegen, neue Kunden - Flüchtlinge - neue Kollegen, neue Kunden: Teil 2
Sultan packt an, wo er gebraucht wird. Am liebsten aber arbeitet er im Backshop.
Bildquelle: Insa Hagemann, Heidrun Lippe

Eigene erfahrungen haben ihre einstellung geprägt
Inga Ali ist die treibende Kraft hinter dem Flüchtlingsengagement bei Edeka Cramer. Gemeinsam mit ihrem Vater Jürgen und Bruder Sebastian leitet sie das Einzelhandelsunternehmen, das 1947 gegründet wurde und im Laufe der Jahre auf acht Märkte angewachsen ist. Während eines Auslandsaufenthaltes in den USA hat die damalige Inga Cramer ihren heutigen Mann Mohammad kennengelernt, einen Somali, die beiden haben geheiratet und eine Familie gegründet.

Es ist der Kauffrau ein Anliegen, um „Verständnis für Ausländer“ zu werben und Raum für unterschiedliche Kulturen zu schaffen. Im „Burgdorfer Mehrgenerationenhaus“ hat sie eine Reihe von Mitstreitern gefunden, die das gleiche Ziel verfolgen. Hier leben nicht nur Menschen verschiedenen Alters aus unterschiedlichsten Milieus zusammen, das Haus ist auch ein Treffpunkt für Jung und Alt. Die Stadt Burgdorf unterstützt verschiedene Projekte, als eingetragener Verein kann die Einrichtung auch Spenden gut gebrauchen. Ehrenamtliche kümmern sich unter anderem um die Integration von Migranten, etwa als Paten. Wichtige Bereiche werden hier vernetzt, so gibt es einen direkten Draht zur Arbeitsagentur und gut organisierte Sprachkurse. Wenn die ehrenamtlichen Lehrer den Eindruck gewonnen haben, dass ein Flüchtling für den Arbeitsmarkt bereit ist, suchen sie nach Arbeitsmöglichkeiten. Hier kommt zum Beispiel Edeka Cramer ins Spiel. Das Unternehmen hat derzeit vier Mitarbeiter beschäftigt, die den Einstieg in den Handel versuchen. Die rechtlichen Fragen, wie der Status und die Arbeitserlaubnis, sind dann bereits geklärt – eine Tatsache, die Inga Ali ausdrücklich betont und wertschätzt. Natürlich gebe es auch andere Möglichkeiten, ausländische Mitarbeiter zu rekrutieren. „Aber warum sollte ich nach Spanien fliegen, um dort Azubis anzuwerben“, fragt Inga Ali, „wir haben doch genug Arbeitssuchende bei uns im eigenen Land.“

Das Wichtigste, aber meistens auch Mühsamste, ist das Erlernen der deutschen Sprache. Bei der Einstellung verlässt sich Frau Ali auf die Empfehlung der Sprachlehrer, die explizit zu einem Praktikum, einem EQJ (Einstiegsqualifizierungsjahr) oder einer Ausbildung raten. So konnte bei Edeka Cramer schon ein Mitarbeiter (nach einem vorherigen Praktikum) eine Ausbildung beginnen. Ein zweiter wird für unterstützende Tätigkeiten in der Küche eingesetzt, ein dritter in der Backabteilung, Sultan schließlich ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

„Ich hoffe, dass alle, die derzeit noch Hilfstätigkeiten übernehmen, bis zum Sommer sprachlich so fit sind, dass sie eine Ausbildung beginnen können“, sagt die Kauffrau. Dabei ist es durchaus nicht selbstverständlich, dass sie die drei jungen Männer für eine Ausbildung begeistern kann. Schließlich müssen die Migranten erst einmal viel Zeit in ihre Lehre investieren – Zeit, in der sie „nur“ ihr Ausbildungsgehalt beziehen und somit kaum ihre Familien zuhause unterstützen können.

Was stellt denn die größte Herausforderung im Umgang mit den Flüchtlingen dar? Inga Ali überlegt kurz und antwortet: „Es bedarf Überzeugungsarbeit, die Mitarbeiter zu motivieren, dass sie sich immer wieder neuen Menschen annehmen. Und das zusätzlich zu ihrer täglichen Arbeit, denn es ist bei Weitem ein Unterschied, einen Migranten einzuarbeiten als einen deutschsprachigen, neuen Mitarbeiter“. Wie gut, dass sie so verständnisvolle Mitarbeiter hat, wie Sebastian Drees und sein Team.

Die Edeka engagiert sich zentralseitig mit eigenen Projekten. So unterstützt die Region Minden-Hannover im Raum Berlin und Brandenburg das Projekt „Fair welcome“, das geflüchteten Menschen auf der Suche nach einem Arbeits- und Ausbildungsplatz begleitet. Eine weitere Maßnahme ist im Großraum Hamburg an den Start gegangen: Hier will die Edeka 10 bis 15 Flüchtlinge als Auszubildende einstellen. Dabei handelt es sich um die Kernberufe Verkäufer ein Durchstieg zum Kaufmann ist möglich. Bei entsprechender Qualifikation sollen die Flüchtlinge auch in der Verwaltung, Logistik und Gastronomie ausgebildet werden.

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Inga Ali macht’s möglich: Die Edeka-Kauffrau gibt Sultan, wie er in Lehrte genannt wird, eine Chance.
Bild öffnen Sultan packt an, wo er gebraucht wird. Am liebsten aber arbeitet er im Backshop.
Bild öffnen Der junge Mann aus Somalia lernt noch immer jeden Tag neue Produkte kennen.