Interview mit Josef Sanktjohanser „Der Mindestlohn wird Arbeitsplätze kosten“ - Mindestlohn

Für 2014 sieht HDE-Präsident Josef Sanktjohanser an sich gute Rahmenbedingungen für den Handel. Doch es gibt auch viele Herausforderungen.

Donnerstag, 16. Januar 2014 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild „Der Mindestlohn wird Arbeitsplätze kosten“ - Mindestlohn
Bildquelle: Hoppen

Was bedeutet die geplante Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro für den LEH?
Der angekündigte gesetzliche Mindestlohn ist ein Schritt in die falsche Richtung. Das wird Arbeitsplätze kosten. Ein Mindestlohn muss von den Tarifpartnern festgelegt werden, nur dann können die unterschiedlichen, regionalen Gegebenheiten entsprechend berücksichtigt werden. 8,50 Euro haben in Bayern eine andere Wirkung als in Sachsen-Anhalt.

Die Stimmung im Einzelhandel ist verhalten optimistisch. Dass sie nicht besser ist, liegt u. a. an den stark ?gestiegenen Energiepreisen, sagt Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland (HDE).

Beim Deutschen Handelskongress haben Sie gesagt, dass Sie ohne eine Modernisierung des Tarifwerkes keine Zukunft für den Einzelhandel sehen. Wie müsste aus Sicht des Handels ein zukunftsfähiges Tarifwerk aussehen?
Zukunftsfähige Tarifverträge müssen sich an der Realität orientieren. Dafür ist eine Modernisierung unerlässlich. Statt Kaltmamsell und Flakhelfer brauchen wir Eingruppierungsbeispiele von aktuellen Tätigkeiten in den Unternehmen. Der Tarifvertrag muss auf alle Vertriebsformen des Einzelhandels zugeschnitten sein, auch auf den Online-Handel. Anforderungen an verschiedene Tätigkeiten und die jeweilige Vergütungshöhe im Tarifvertrag müssen wieder in Einklang zueinander gebracht werden. Für Unternehmen, die in mehreren Tarifgebieten arbeiten, brauchen wir eine Vereinheitlichung der Strukturen. Das erleichtert die Anwendbarkeit und schafft einen Anreiz zur Tarifbindung für tarifungebundene Unternehmen. Damit sind regionale Differenzierungen bei der Entgelthöhe – und damit regionale Tarifverhandlungen – ausdrücklich nicht gemeint. Die können und sollen auch weiterhin bestehen bleiben.

Welche Auswirkungen haben Ihrer Einschätzung nach die Pläne der neuen Bundesregierung für den Lebensmittel-Einzelhandel noch?
Zwar ist nicht mehr die Rede von Steuererhöhungen, dafür werden aber auch bestehende Missstände nicht angegangen. Wir hätten uns die Abschaffung der kalten Progression gewünscht. Auch die ungerechten Hinzurechnungen von Mieten und Pachten bei der Gewerbesteuer bleiben weiter erhalten. Das kann den Unternehmen an die Substanz gehen – denn auch in Jahren mit wenig oder ohne Gewinn müssen die Betriebe dann über die Hinzurechnungen bezahlen. Die Gewerbesteuer ist antiquiert, ungerecht und in ihrer heutigen Form verfassungswidrig. Die Finanzierung der Kommunen muss grundsätzlich auf eine neue Grundlage gestellt werden. Enttäuschend ist auch, dass die kalte Progression bei der Einkommensteuer nicht abgemildert, geschweige denn abgeschafft wird.

Welche weiteren wichtigen Themen und Knackpunkte sehen Sie für den Lebensmittelhandel im Jahr 2014?
Für den Lebensmittelhandel stehen 2014 vor allem auf der europäischen Agenda einige wichtige Themen – beispielsweise die Ausdehnung der Herkunftskennzeichnung von Fleisch auf Milch, Milch als Zutat, unverarbeitete Lebensmittel und primäre Zutaten. Die praktische Umsetzung dieser Lebensmittelinformations-Verordnung ist eine große Herausforderung für den Handel. Hier müssen wir auf die richtige Balance zwischen Transparenz und Informationsüberflutung achten. Darüber hinaus spielen im Rahmen der Lebensmittelinformations-Verordnung die Nährwertkennzeichnung, das Einfrierdatum, die Mindestschriftgröße, die Allergenkennzeichnung loser Ware und der Fernabsatz von Lebensmitteln eine Rolle. Viele ungeklärte Auslegungsfragen machen den Unternehmen die praktische Umsetzung schwer. Ein weiteres großes Themenfeld ist die Debatte um die Ausdehnung der Gebührenpflicht für amtliche Lebensmittelkontrollen. Demnach sollen die Unternehmen für die bei ihnen durchgefü hrten amtlichen Kontrollen selbst bezahlen. Das ist aus unserer Sicht nicht tragbar. Die Kontrollen gehören zu den Leistungen des Staates – die Kosten sollten demnach wie bisher auch von den durchführenden Behörden getragen werden. Außerdem geht es um die Transparenz von Kontrollergebnissen. Hier müssen wir sehr genau hinschauen. Die Veröffentlichung von Unternehmensdetails, vorläufigen Ergebnissen oder leichten Verstößen kann einen unverhältnismäßig hohen wirtschaftlichen Schaden anrichten. Jegliche Neuregelung sollte das gut funktionierende, bestehende System von Eigenkontrollen und Drittzertifizierung berücksichtigen.

Weitere Themen werden das Tierwohl und der Tierschutz, die Klontechnik, die Überarbeitung der EU-Öko-Verordnung und das transatlantische Handels- und Investitionsabkommen mit den USA sein.