Handelsumfrage Trend 2024

Wieder mal schauen viele gespannt aufs neue Jahr. Was kommt, was bringt’s, was wird sich ändern? Und auch wenn die Gesellschaft ständig mit bleibenden und neuen Krisen konfrontiert wird – das gab es früher auch schon.

Donnerstag, 18. Januar 2024 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Trend 2024
Bildquelle: LP-Trendbefragung, NielsenIQ., Peter Eilers

Aufbaujahre nach dem Zweiten Weltkrieg, Kuba-Krise, Korea- und Vietnamkrieg, Ölkrisen, Kalter Krieg, Golfkrieg, Afghanistan – gottlob ist schon einiges, aber nicht alles in Vergessenheit geraten. Die aktuellen Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Klimakrise, wirtschaftliche Probleme, Inflation und auch noch Corona werden dadurch nicht kleiner. Aber es wird deutlich: Die Menschheit lebt schon immer mit Krisen und muss sie bewältigen und überwinden. Das klappt mal besser, mal schlechter.

Der absolut ausgeleierte Spruch „Gegessen wird immer“ – will sagen, die Ernährungsbranche kommt schon immer irgendwie durch – stimmt dabei nur teilweise. Klar muss hierzulande keiner hungern, und die Ernährungswirtschaft ist stark und zuverlässig. Dennoch tangieren Krisen auch sie. Dann, wenn das Geld knapper wird, wenn sich die Gewohnheiten verändern, wenn die Stimmung schlecht ist – keine gute Zeit für den Konsum.

Wie in jedem Jahr hat die LP von Ende Oktober bis Mitte November wieder Lebensmittelkaufleute aus dem selbstständigen und Filial-Bereich sowie Einkäufer aus Zentralen und Regionalgesellschaften des LEH vom Marktforschungsunternehmen NielsenIQ nach ihrer Einschätzung des vergangenen Jahres und ihren Erwartungen für 2024 befragen lassen. Aus den Antworten und Einschätzungen dieser aktuellen LP-Trend-Umfrage sind hier zehn Entwicklungen herausgefiltert, die den Lebensmittelhandel beeinflussen und verändern werden.

1. Digitalisierung im Handel
Längst kein Trend mehr, sondern Notwendigkeit. Es geht um die Verbesserung von Betriebsabläufen, aber auch um bessere Kundenpflege. Das sollte zu Effizienzsteigerung, Kosteneinsparungen, Kundenzuspruch (Personalisierung) und größerer Wahrnehmbarkeit (Kommunikation, Erreichbarkeit auch außerhalb des Standorts) führen.

2. Künstliche Intelligenz
Korrespondierend mit Punkt 1 wird die „KI“ Einzug ins Warenlager, ins Bestellwesen, in die Regalbestückung, die Personaleinsatzplanung und vieles mehr halten. Das kann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten und zu deutlichen Erleichterungen im Arbeitsalltag führen, wirft aber auch Fragen auf, wie zum Beispiel zum Datenschutz, Haftung oder Rechte-Inhabern beim KI-Einsatz.

3. Verschärfter Personalmangel
Der Personalmangel im Lebensmitteleinzelhandel schränkt schon jetzt teilweise Leistungen ein, wenn zum Beispiel Bedienungsabteilungen nicht mehr durchgängig offen gehalten werden können oder für die Fläche keine Mitarbeiter oder Auszubildenden gewonnen werden können. Das erfordert Reaktionen.

4. Massive Veränderungen in den Sortimenten
Natürlich ist Handel immer Wandel. Dennoch sorgen externe Faktoren für Verschiebungen. Wenn zum Beispiel Eiweißalternativen immer mehr Einzug halten, am deutlichsten sichtbar bei Fleisch- und Wurstprodukten. Auch Anforderungen wie Lieferketten-Transparenz, Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung oder Verpackungsoptimierungen beeinflussen Sortimente dauerhaft.

5. Besondere Ernährungsansprüche
Vor allem unter jungen Menschen steigt das Bewusstsein für die Ernährung und die Herkunft der Nahrungsmittel. Das ist natürlich grundsätzlich eine positive Entwicklung, schraubt aber die Ansprüche an die Verkäufer von Lebensmittelprodukten nach oben. Die eher ethische Entwicklung hin zu vegetarischer und veganer Kost tut ihr Übriges. Und natürlich gibt es Menschen, die unter Laktoseintoleranz oder Glutenunverträglichkeit leiden. Deren Schicksal befeuert und verändert ganze Sortimente.

6. Auflagen
Gerade weil Aufmerksamkeit und Öffentlichkeit für Ernährungsthemen zunehmen, steigt der Druck von außen auf Hersteller und Handel. Da werden Rezepturen beeinflusst (Zuckerdiskussion), Lieferketten kontrolliert, Verpackungsregeln verschärft oder Bioanbau gefördert.

7. Energieversorgung
Lebensmittelproduktion, -lagerung und -inverkehrbringen verschlingt Energie. Der Gasschock durch den UkraineKrieg scheint zwar weitgehend überwunden, an den dauerhaften Kostensteigerungen in diesem Bereich ändert das wenig.

8. Umwelt und Entsorgung
Die Schonung von Umwelt und Ressourcen hat sich im Prinzip jeder auf die Fahnen geschrieben, nur über die richtige Art und Weise wird gestritten und weiter gestritten werden. Lebensmittelhersteller und -handel agieren und reagieren unterschiedlich. Dass Nahrungsmittel in der Regel verpackt werden, schafft eine weitere Herausforderung: Was sind umweltverträgliche Verpackungen, wie mit ihnen umgehen, wie wiederverwenden, wie entsorgen?

9. Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln
Die Vorstellung, dass in Deutschland die Versorgung mit Nahrung immer sichergestellt ist, kam zu Beginn der Coronakrise ins Wanken. Seitdem ist das Vertrauen in die Verfügbarkeit von Lebensmitteln zumindest – auch angesichts zahlreicher Krisen in der Welt – etwas eingetrübt.

10. Handels-/Eigenmarke versus Herstellermarke
Die Eigenmarken des Handels profitieren von knappen Kassen bei den Konsumenten. Andererseits sollten Herstellermarken dem Verbraucher besondere Eigenschaften in Qualität, Bekanntheit, Attraktivität und Innovation bieten und damit auch das Geschäft im Handel befeuern.

Ende 2023 zeigten sich einige Lichtblicke in der Konsumstimmung. So stand der Konsumklima-Index der Gesellschaft für Konsumforschung im Dezember 2023 bei einen Indexwert von minus 27,6 Punkten. Für Januar 2024 prognostizierte die GfK für das Konsumklima einen Wert von minus 25,1 Punkten. Immerhin war das eine leichte Verbesserung bei der Stimmung der Konsumentinnen und Konsumenten, weil sich die Indikatoren für die Einkommensaussichten, die Konjunkturerwartung und auch die Anschaffungsneigung etwas aufhellten. Aktuelle politische Entscheidungen sind hier wohl noch nicht erfasst.

Dennoch: Diese etwas aufgehellte Stimmung spiegelt sich auch in der aktuellen Trend-Umfrage der Lebensmittel Praxis wieder. Immerhin 40 Prozent der Befragten erwarten 2024 eine Verbesserung für den Lebensmittelhandel. Am stärksten ausgeprägt ist diese Erwartung bei den Einkäufern in den Zentralen – hier sind 60 Prozent dieser Meinung. Das wird sicher auch dadurch unterstützt, dass eine Mehrheit das letzte Jahr als etwas oder auch wesentlich verbessert bewertet. Nur die selbstständigen Lebensmittelkaufleute sind zum Teil anderer Meinung – ein Viertel sieht die Lage schlechter als zuvor.

Die Herausforderungen jedenfalls werden 2024 wieder mal nicht geringer. Als größtes Problem für den Dienstleistungsbereich und damit auch den Handel wird der sich verschärfende Personalmangel gesehen (siehe Grafiken). Hier steht die Branche im Wettbewerb mit anderen und muss sich strecken. Björn Fromm, der neue Präsident des Bundesverbandes des deutschen Lebensmittelhandels (BVLH), sagt: „Wir als Branche müssen in der medialen Öffentlichkeit auch immer wieder deutlich machen: Wir haben gute Arbeitsbedingungen und gute Löhne im Handel. Seit mehreren Jahren gibt es mit Ausnahme des letzten Jahres Reallohnzuwächse in unserer Branche und wir tun alles, um moderne und flexible Arbeitsbedingungen zu schaffen.“ Er appelliert aber auch an die Leistungsbereitschaft und den Willen zur Mitarbeit: „Wir müssen die Menschen wieder motivieren, in der Leistungsgesellschaft mitzumachen. Wir brauchen Menschen, die mit Leib und Seele dabei sind“ (siehe auch Interview mit Björn Fromm, BVLH).
Große Bedeutung für die Befragten im Handel haben auch die Digitalisierung oder der Einsatz künstlicher Intelligenz, die nach deren Meinung immer wichtiger werden. Dies wird natürlich zum Teil auch beim Personalmangel helfen – wenn sich zum Beispiel die Selbstbedienungskassen weiter durchsetzen –, Beratung, Serviceleistung und Kommunikation in vollsortierten Läden wird die aber kaum ersetzen. Dafür werden Abläufe optimiert und Ressourcen sinnvoller eingesetzt.

Dabei hält sich in der Befragung das Thema Nachhaltigkeit als wichtigster Einfluss auf die Marktentwicklung auch in diesem Jahr hartnäckig weiter. Zwar werden regionale Vermarktung und regionale Positionierung ebenfalls als besonders wichtig angesehen, allerdings mit einigem Abstand. Dass die Handels-/Eigenmarken im harten Wettbewerb mit den Herstellermarken stehen, ist sicher kein Geheimnis, und die Befragten zeigen das mit ihrer Aussage überdeutlich. Dabei machen offenbar der scharfe Wettbewerb und ein Erstarken der Discounter diesmal weniger Sorgen. Man gewöhnt sich halt an alles.

Spannend war und bleibt die Frage, ob der Lebensmittelhandel auf den Werbe-Handzettel verzichten kann. Die meisten Befragten jedenfalls verabschieden sich bereits von ihm (hoher Rewe-Anteil) und begrüßen mehrheitlich den Abschied von dieser gedruckten Werbeform mit großem Ressourceneinsatz. Aber die Zahl derjenigen, die zum Handzettel stehen, ist ebenfalls noch recht groß. Die Suche nach den richtigen Alternativen zur papierbedruckten Kundenansprache ist in vollem Gange, der Königsweg noch nicht gefunden. Die Befragten favorisieren die eigene App beziehungsweise Social-Media-Aktivitäten. Auch der Online-Newsletter steht hoch im Kurs. Klassische Werbung oder Whatsapp-Angebote fallen unter „ferner liefen“.

Dass Discounter wie Eigenmarken in krisenhaften Zeiten Vorteile haben, steht kaum infrage. Umso wichtiger ist es für Vollsortimenter, ihr Profil zu schärfen. Natürlich bietet sich hier ein ordentliches Instrumentarium an, das von Frische und Regionalität bis zu Serviceleistungen reicht. Investitionsmüde ist der Handel dabei nicht. Diese und weitere spannende Einblicke in die „Denke“ der Kaufleute finden sich auf den folgenden Seiten.

Handel ist Wandel – und wird das auch 2024 sein.

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