Nonfood-Lieferkette In Europa fehlt Know-how

Ulrich Brobeil (Foto), Geschäftsführer Deutscher Verband der Spielwarenindustrie e. V., beklagt die Folgen der Abhängigkeit von Asien und die Auslieferungszeit, die sich verdoppelt hat. Er rechnet mit Regallücken.

Sonntag, 14. November 2021 - Management
Rolf Schlipköter
Artikelbild In Europa fehlt Know-how
Bildquelle: Daniel Karmann

Wird es zu Preiserhöhungen kommen?
Ulrich Brobeil:
Die Situation ist angespannt. Das liegt an der Rohstoffknappheit und der Kapazitätsauslastung vieler Fabriken sowie der großen Nachfrage nach Konsumgütern, insbesondere nach Spielwaren, die nahtlos an das Boom-Jahr 2020 anschließt, aber auch an den aktuellen Frachtraten für Container. Bis dato ist es den meisten Spielwarenherstellern gelungen, die Preise noch relativ stabil zu halten. Das wird sich nicht durchhalten lassen, weil sie auf Dauer nicht alleine die Hauptlast tragen können. Ja, es wird zu moderaten Preissteigerungen kommen. Einige Hersteller haben bereits Schritte in diese Richtung angekündigt. Das Jahr 2021 wird für Verbraucher teuer, aber wenn man es mit dem Vorkrisenjahr 2019 vergleicht, hält sich alles noch im Rahmen.

Wird versucht, auf Ersatzprodukte aus Deutschland oder der EU auszuweichen?
Komplexe Lieferketten lassen sich nicht einfach von heute auf morgen neu strukturieren. Die Spielwarenbranche zählt seit rund 40 Jahren zu den Branchen mit einer sehr hohen internationalen Vernetzung. Zahlreiche Fertigungskompetenzen sind inzwischen in Europa gar nicht mehr vorhanden. Selbst wenn Hersteller wollten, stießen sie auf ein mittlerweile fehlendes Produktions-Know-how. Ein Beispiel für diese Verflechtung liefert elektronisches oder Hightech-Spielzeug. In den letzten Jahren erlebten wir einen Heli- und Quadrocopter-Boom in der Branche, aber die Mikrochips dafür stammen aus Fernost. Oder auch viele Kunststoff- und Holzkleinteile, die etwa in Gesellschaftsspielen enthalten sind, stammen aus Asien.

Rechnen Sie mit Lücken im Weihnachtsgeschäft?
Das kann durchaus passieren, besonders bei begehrtem Trend-Spielzeug, TV-beworbenen Produkten oder hochpreisigen Spielwaren, die in der Regel nicht in sehr hohen Auflagen produziert werden. Vor der Pandemie dauerte es knapp ein Vierteljahr von der Auftragserteilung über die Produktion in Asien bis zur Auslieferung in Deutschland. Heute sprechen bereits einige Hersteller davon, dass sich diese Zeit verdoppelt hat. Betroffen davon sind in erster Linie Neuheiten. Ich empfehle deshalb, nicht bis auf den letzten Drücker zu warten und zu hoffen, dass es die Onlineanbieter auch noch in der letzten Woche vor Heiligabend richten werden.

Rechnen Sie mit Sortimentsverschiebungen?
Das glaube ich eher weniger, aber es könnte durchaus passieren, dass die eine oder andere Neuheit erst etwas später in die Läden kommt. Dafür greift der Verbraucher vielleicht eher zu Klassikern, die es ja in jeder Warengruppe gibt. Denn auch das hat die Pandemie gezeigt: Es waren nicht immer nur Neuheiten, die gefragt waren, sondern auch gute alte Bekannte in den Regalen, bei denen der Verbraucher von vornherein wusste, was ihn erwartet.