Bezahlung im Handel Streitthema: Wie viel verdient ein Mitarbeiter? - Mindestlohn

Es rumort im Handel: Die Tarifverträge müssen neu verhandelt werden, die Frage nach dem Mindestlohn ist weiter offen. Eine Bestandsaufnahme

Donnerstag, 18. April 2013 - Management
Heidrun Mittler
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Trotz dieser Bedenken nimmt der Mindestlohn in der Branche allmählich Gestalt an: Heribert Jöris, Geschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE) und dort für Tarifpolitik zuständig, fordert einen verbindlichen tariflichen Mindestlohn. „Das wäre ein wichtiger Schritt, um Lohndumping in der Branche zu vermeiden.“

Knackpunkt Tarife: Etwa die Hälfte aller Beschäftigten im Einzelhandel arbeitet in Unternehmen, die formal tarifgebunden sind. Ein weiteres Viertel ist in Unternehmen beschäftigt, die die Anwendung des Tarifvertrags oder großer Teile davon per Arbeitsvertrag vereinbart haben, so Untersuchungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (eine Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit). Das klingt erst einmal so, als wären drei Viertel aller Mitarbeiter im Einzelhandel unter Obhut der Tarife.

Allerdings hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in den letzten Monaten auf Missstände aufmerksam gemacht: Die Privatisierung von Märkten führe zur Entrechtung von Beschäftigten (siehe LP vom 4. Dezember 2012). Hubert Thiermeyer, Verdi Bayern, attackierte speziell die Edeka als größten Arbeitgeber. Seiner Ansicht nach sind „weniger als die Hälfte“ aller Edeka-Mitarbeiter tarifgebunden. Thiermeyer weiter: „Wir stellen bei der Privatisierung einen starken Einfluss der Konzerne auf die selbstständigen Einzelhändler fest. Dieser endet aber, wenn es um die Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten geht.“

Die Edeka-Zentrale wehrt sich gegen den Angriff, verweist auf ihre genossenschaftliche Struktur und dass die Privatisierung von Regiemärkten einzig dem „genossenschaftlichen Auftrag“ entspreche. Zudem sei es allen Mitarbeitern möglich, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Der Streit geht weiter: Seit Anfang März betreibt Verdi-Sekretärin Katharina Wesenick ein eigenes Projekt zur Privatisierung im Einzelhandel – nicht nur mit Blick auf Edeka.

Verdi wird in den nächsten Wochen und Monaten eine entscheidende Rolle für die Geldbörse der Einzelhändler spielen: Die Arbeitgeberverbände haben alle Entgelt- und Manteltarifverträge gekündigt. Nun müssen die Tarifpartner neu verhandeln.

Stefanie Nutzenberger, Verdi-Bundesvorstandsmitglied für den Handel, befürchtet eine „Verschlechterung der Arbeitsbedingungen von mehr als 2,7 Mio. Beschäftigten“ und setzt alles daran, in den Verhandlungen eine solche Entwicklung zu verhindern. Über die grundsätzliche Arbeit der Tarifkommissionen lesen Sie auf S. 12. Eine Stellungnahme der Arbeitgeber finden Sie im unten stehenden Kasten.

* Die Angaben beziehen sich auf das Bundesland Berlin und beschreiben die dort gu?ltigen Tarifverträge. Die Zahlen geben also an, wie viel ein Beschäftigter mindestens brutto verdient, wenn er nach Tarif bezahlt wird. Je nach Bundesland gibt es große Unterschiede, zudem muss man beachten, in welche Lohngruppe der Mitarbeiter eingruppiert wird.

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Bild öffnen Die entscheidende Frage lautet: Reicht das Einkommen wirklich
aus, um davon den Lebensunterhalt zu bestreiten? So viel verdient ein Mitarbeiter direkt nach der Ausbildung: ... (Bildquelle: Shutterstock)
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Bild öffnen „Wir lassen nicht zu, dass der ruinöse Verdrängungswettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.“ Stefanie Nutzenberger, Verdi Bundesvorstand (Bildquelle: Ver.di)