Interview mit Lionel Souque "Die Technologie verändert alles"

Seit Juli 2017 steht Lionel Souque an der Spitze der Rewe Group und drückt ordentlich aufs Tempo, um Vollsortiment und Penny zukunftsfähig zu machen. Im LP-Gespräch erzählt er, welche Rolle das Konzept 2020, die Pünktlichkeit des Lieferservices und der Erwerb von Immobilien dabei spielen.

Dienstag, 10. April 2018 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild "Die Technologie verändert alles"
Bildquelle: Peter Eilers

Die Wahl zum „Supermarkt des Jahres“ steht an, wo Sie sich wieder als Juror engagieren. Worauf achten Sie besonders bei der Auswahl der besten Märkte?
Lionel Souque: Das ist immer sehr interessant in der Jury. Mir persönlich geht es nicht nur um die nackten Zahlen. Am spannendsten ist es, wenn Marktleiter oder Kaufleute vor der Jury mit Leidenschaft für ihr „Baby“ eintreten und uns zeigen, dass sie einen tollen Markt haben, der etwas Außergewöhnliches und Zukunftsweisendes bietet. Ich achte auf das Fachliche, aber auch darauf, wie der Markt aus Kundensicht wirkt.

Wird der Supermarkt der Zukunft überhaupt noch ein stationärer Laden sein?
Stationäre Supermärkte wird es immer geben, davon bin ich überzeugt. Nur wie groß deren Marktanteil künftig sein wird, weiß keiner. Supermärkte werden in Zukunft sicher nicht die gleichen sein wie heute. Aber die Supermärkte von heute sehen ja auch anders aus als die von vor 30 Jahren.

Wie sehen die Supermärkte der Zukunft aus?
Ganz klar: Oben drüber steht Rewe (lacht). Im Ernst: Es wird nicht die eine Lösung dafür geben. Die Märkte werden noch stärker an den jeweiligen Standort angepasst werden. Es wird weniger Uniformität geben als heute.

Was ist Ihre Zukunftsvision für einen Rewe-Markt? Wird es einen Rewe-Markt ohne Kassen geben, wie es Amazon mit Go probiert?
Langfristig wird die Technologie auf alles Einfluss haben – auf die Produktion und die Märkte. Auch der Kassiervorgang wird sich verändern. In 20 Jahren wird sich vielleicht niemand mehr anstellen und die Ware aufs Band legen wollen. Self-Scanning und Self-Checkout-Kassen werden auch in Deutschland bald eine größere Rolle spielen, wie das etwa in Belgien, Frankreich oder England schon zu beobachten ist. Aber ob das so wird wie bei Amazon Go oder ob Kunden ihren Einkauf zum Beispiel mit der Kundenkarte scannen werden, weiß ich nicht. Rewe arbeitet auch an solchen Lösungen.

Was testen Sie zurzeit in dieser Richtung?
Wir testen alles. Aber der Kassenvorgang hat für uns dabei nicht die Priorität Nummer eins. Wichtig sind für uns die Themen, die für die Kunden wichtig sind, also Sortiment, Service und das Einkaufserlebnis.

Was an Rewe 2020 ist zukunftsweisend?
Um uns von Discountern oder Online-Wettbewerbern wie Amazon zu differenzieren, legen wir unser Hauptaugenmerk auf Kundenservice, Beratung und Sortiment, besonders auf die Frische, auf Obst und Gemüse, die Bedientheken und das aufkommende Thema Gastronomie mit Salatbar sowie Convenience. Bei diesen Produktgruppen haben wir in unserem Konzept 2020 die Anzahl der Artikel erhöht und auch die anteilige Fläche. Frische ist für uns die Zukunft.

Wie wollen Sie sich mit Frische zum Beispiel von Edeka absetzen? Die machen das ja auch?
Bei Themen wie Convenience sind wir stärker als die Edeka. Edeka war dagegen in der Vergangenheit bei Kundenbefragungen oft vorn beim Thema Bedienungstheken, aber der Abstand hat sich stark reduziert, und in manchen Regionen haben wir die Edeka dort schon überholt. Es geht mir aber weniger darum, uns gegenüber der Edeka oder anderen Vollsortimenter zu differenzieren. Mein Hauptthema sind die Kunden. Wir wollen erreichen, dass sie mehr bei Rewe und weniger im Discount kaufen.

Was von Rewe 2020 hat sich bewährt?
Der große Vorteil von Rewe 2020 ist, dass das Konzept modular aufgebaut ist. Wir arbeiten mit sehr vielen verschiedenen Modulen, zum Beispiel für Obst und Gemüse, für Wein, für Bedienung, für Gastronomie, und die können individuell je nach Standort zusammengestellt werden. Das ist die eine Sache. Die andere ist, wie schon gesagt, der Frische mehr Platz einzuräumen. Zudem haben wir jetzt mehr Mitarbeiter zur Beratung auf der Fläche. Auf diese Weise können wir uns stärker vom Discount differenzieren..

Dennoch schneidet Rewe beim Thema Kundenzufriedenheit in Umfragen oft nicht so gut ab. Wie wollen Sie das ändern?
Es ist uns gelungen, uns in der Vergangenheit kontinuierlich bei der Kundenzufriedenheit zu verbessern, dennoch bleibt weiterhin Luft nach oben. Mein klares Ziel ist es, dass Rewe bei diesem Thema die Nummer eins in Deutschland wird.

Wie wollen Sie das erreichen?
Zunächst einmal mit dem neuen Konzept 2020. Wir sind auch im Preis aggressiver geworden. Und wir investieren sehr stark in Schulungen für unsere Mitarbeiter, etwa in Warenkunde oder beim Thema Führung für die Marktleiter und Stellvertreter. Wir wollen die besten Leute auf der Fläche haben in Sachen Kompetenz, Motivation und Leidenschaft, denn die Menschen machen den Unterschied – viel mehr, als es eine neue Technologie allein könnte.

Was tun Sie noch dafür?
Wir arbeiten künftig dezentraler und geben mehr Verantwortung ab – an die einzelnen Länder, an die Regionen und an den einzelnen Markt. Der Marktchef muss selbst Verantwortung übernehmen und in Summe weniger mit dem Außendienst abstimmen. Er ist freier bei der Sortimentsgestaltung, Personalrekrutierung oder lokalen Marketingmaßnahmen. Mit Weiterbildungen bereiten wir die Kollegen auf diese Freiheiten gut vor. Wir haben dazu einen erfolgreichen Test mit 140 Marktleitern in Deutschland. Das funktioniert.

Der Außendienst steht also nicht mehr so im Fokus?  
Nein, das habe ich damit nicht gemeint. Wir haben seit Oktober 2017 eine Stufe im Außendienst reduziert und die Bezirksleiterebene gestrichen. Unsere Vertriebsleiter führen heute rund 50 Märkte operativ und strategisch. Durch interne Umstellung der Aufgaben können die Vertriebsleiter sich nun vollständig auf die Weiterentwicklung der Märkte konzentrieren.

Haben Sie beim Stichwort „mehr Verantwortung“ auch im Sinn, mehr Märkte zu privatisieren?
Ja. Etwa 80 Prozent unserer Expansionsmärkte geben wir an Kaufleute oder Existenzgründer, die dann in der Lage sind, ohne viel Eigenkapital zu starten. Aber wir geben auch erfahrenen und erfolgreichen Kaufleuten die Chance, weitere Märkte zu übernehmen. Wir wollen mehr Kaufleute, aber wir brauchen auch ein gesundes Filialnetz.

Welche Elemente von Rewe 2020 werden Sie ausrollen und welche nicht?
Wir führen erst einmal die Tests sehr gewissenhaft durch. Manchmal werden bei Rewe jedoch Tests, die eigentlich nicht laufen, zu lange weiterverfolgt. Und umgekehrt testen wir manchmal Sachen, die eigentlich Potenzial haben, zu lange, bevor wir in den nationalen Rollout gehen.