Round Table: Gemüsechips „Innovationen sind kein Glücksspiel“

Innovationen gelten gemeinhin als das Salz in der Suppe. Sie helfen Handel und Hersteller bei der „Verjüngung“ des Produktprogramms und der Zielgruppe, letztlich setzen sie neue Kaufimpulse und können für mehr oder zusätzlichen Umsatz sorgen.

Donnerstag, 26. Januar 2017 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild „Innovationen sind kein Glücksspiel“
Bildquelle: Andrea Enderlein

Ehrlich gesagt: Es ist nicht alles innovativ, was sich Innovation nennt. Und vor den Regalen im Supermarkt mag der eine oder andere glauben: Es gibt nun wirklich schon alles. Aber Innovation ist ein Prozess, der von Handel und Herstellern professionell betrieben wird. Und so sind Erfolge mit neuen Produkten eher keine Überraschung.

Das gilt auch für Gemüsechips, noch nicht allzu lange am Markt, fast schon unverzichtbar fürs Sortiment. Immer mehr Anbieter drängen ins Regal. Die Kategorie zählt zu den wachstumsstärksten 2016. Und wächst weiter.

Anbieter wie Tyrrells oder die Bio-Zentrale haben den Weg in den Chips-Markt geebnet. Kühne, traditioneller Hersteller von Sauerkrautkonserven, stieg Ende 2015 ein. Erklärtes Ziel: Die Marke „Enjoy“ soll eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Das gelang 2016 sehr gut, Kühne hat den Chips-Markt nicht nur wesentlich belebt, sondern auch die Marktführerschaft bei Gemüsechips erobert. Die Lebensmittel Praxis sprach mit Machern und Beobachtern.

Die Teilnehmer der Runde

Patrick Augener, Ökonom und Client Business Partner, seit zehn Jahren bei Nielsen, Dienstsitz Hamburg
Reiner Mihr, Chefredakteur Lebensmittel Praxis
Hans-Joachim Berrisch, Leiter Key-Account Kühne
Ramona Franke, verantwortet bei Kühne das Shopper-Marketing
Mohamed Abu-Yabes, Betriebswirtschaftler und Einzelhandelskaufmann, seit sieben Jahren bei der Rewe. Marktmanager im Rewe-Center in der Hanauer Landstraße in Frankfurt.

Welche Bedeutung haben Innovationen für Handel und Hersteller?
Mohamed Abu-Yabes: Die Kunden sind neugierig. Fast jede Neuheit wird zunächst angenommen, wird probiert. Natürlich muss sie bekannt gemacht und gut präsentiert werden. Und schmecken muss es natürlich auch. Also sind Neuheiten im Handel wichtig. Sie sorgen für Zusatzumsatz. Der Knackpunkt ist der Wiederkauf.

Hans-Joachim Berrisch: Für den Hersteller ist es wichtig, Innovationskraft zu zeigen. Wir beobachten die grundsätzlichen Trends – auch längerfristig. Dann übersetzen wir dies in die Produktentwicklung. Innovationen sorgen natürlich auch für eine Verjüngung der Marke.

Patrick Augener: Der Konsument ist in Fragen der Ernährung deutlich interessierter als noch vor wenigen Jahren. Deshalb sprechen wir ja auch vom sensiblen Konsumenten. Aspekte wie wenig Fett, Zusatzstoffe und Zucker, laktosefrei, glutenfrei, vegetarisch, vegan sind ja Ausdruck davon. Ein Hersteller, der diese und vergleichbare Aspekte in seinen Innovationsprozess einbaut, wird erfolgreich sein.

Ramona Franke: Dass sich die Menschen bewusster ernähren, ist ein wesentlicher Einflussfaktor im innovativen Prozess. Aber es gibt natürlich weitere Einflüsse – denken Sie nur an die Bloggerszene. Diese treibt Innovationen ebenfalls an.

Augener: Innovationen sind für Handel und Hersteller extrem wichtig. Das Problem: Nur etwa 10 Prozent aller Snacks-Neueinführungen können im zweiten Jahr ein Wachstum aufweisen. Da muss aber nach Kategorien unterschieden werden. Beim Beispiel Chips wird die Bedeutung der Innovation deutlich. 60 Prozent der Kaufentscheidungen, seien es reine Impulskäufe oder spontane Bedarfsdeckung, fallen erst im Geschäft. Hier müssen einfach Impulse durch Innovationen gesetzt werden. Da kommt es dann auf gute Werbung, gute Platzierung und gutes Verpackungs-Design an.

Abu-Yabes: Ja, das muss die Kunden „abholen“. Bei der Werbung darf heute keiner den Einfluss der sozialen Medien vergessen. Blogger, Youtube, Twitter – das gehört heute dazu. Eine Innovation ohne Internet kann ich mir gar nicht mehr vorstellen.

Augener: Das Leitmedium ist aber nach wie vor TV, natürlich immer mehr ergänzt durch soziale Medien. Gerade bei Jüngeren, wie der Generation Z, ist beispielsweise die globale Bedeutung von TV als bevorzugte Nachrichtenquelle mit 45 Prozent bereits um 20 Prozent niedriger als bei den Baby-Boomern.