Schwieriges Terrain für die Markenbildung Was der Kunde will

Mit Marken in der Fleisch- und Wurstbedienungstheke ist das so eine Sache: Präsentiert man Eigen- neben Fremdmarken gleichberechtigt oder alles anonym?

Donnerstag, 10. Februar 2011 - Management
Dörte Fleischhauer
Artikelbild Was der Kunde will
Bildquelle: Mugrauer

Ob bei Rewe, Kaiser's Tengelmann, Coop oder Kaufland – die Fleisch- und Wurstbedienungstheken in den Märkten werden mit Produkten unterschiedlicher regionaler und überregionaler Lieferanten bestückt. Neben Produkten der konzerneigenen Metzgereibetriebe, die „Brandenburg", „Birkenhof" oder „Landklasse" heißen und die wie ihre Produkte auch als Marken wahrgenommen werden sollen, liegen Schinken, Salami und Leberwurst von Rügenwalder, Reinert oder Stockmeyer. Deren Herkunft ist in manchen Märkten für Kunden sichtbar, in manchen nicht.

Die Handelskonzerne gehen mit der Markenkoexistenz auf unterschiedliche Weise um: Bei Coop wird Fleisch ausschließlich unter der Eigenmarke „Landklasse" angeboten. „Wir wollen damit transportieren, dass es hier um Markenfleisch, um eine Fachabteilung mit erfahrenen Fleischermeistern und Fleisch-Fachverkäufern und um erstklassige Produktqualität geht", sagt Klaus Burger, bei Coop Kiel Geschäftsführer Einkauf und Frische sowie Geschäftsführer für die Sky-Märkte. Und um das entsprechend im Kundenbewusstsein zu manifestieren, prangt die Wortmarke unübersehbar über der Fleischtheke, auf der Kleidung des Verkaufspersonals, auf dem Verpackungsmaterial und sie wird aufmerksamkeitsstark in den Eigenpublikationen beworben.

Geht es um die Wurst, sieht dies ganz anders aus: Es sind weder Hersteller noch Marken zu sehen. „95 Prozent unserer Wurstwaren in Bedienung verkaufen wir ohne die Erzeugermarken zu zeigen. Die Umverpackung wird entfernt, bevor die Waren in die Theke gelangen." Warum? „So sind wir näher am Verbraucher", erklärt Burger, „der kann sich bei der Frischware in der Bedienungstheke besser auf Qualität, Geschmack und den Service konzentrieren".

Für Hans-Theo Hennes, oberster Frische-Category-Manager bei Kaiser's Tengelmann und Birkenhof-Geschäftsführer, hingegen ist völlig klar, dass es neben der Eigen- auch andere Marken geben muss: „'Rügenwalder' und ‚Stockmeyer' etwa sind Hersteller, die der Kunde erwartet, die man also auch in der ‚Birkenhof'-Theke anbieten muss und die von uns entsprechend beworben werden." Das Fleischsortiment wird unter ähnlichen Kriterien zusammen gestellt. Dort wird allerdings die Eigenmarke stärker herausgestellt.

Auch in den Fleisch- und Wurstbedienungstheken der Rewe („Wilhelm Brandenburg"), treten Markenartikel, regionale Marken und Eigenmarken gleichberechtigt in der Theke auf. Es gilt, den Präferenzen der Kunden hinsichtlich Qualität, Geschmack, Regionalität, Markenimage oder Preisstellung gerecht zu werden. Diese Aspekte werden aber auch in der Eigenmarke laufend aktuell abgebildet", sagt Michael Klußmann, Bereichsleiter Service Vollsortiment National. Insgesamt sei der Markencharakter in der Theke jedoch weniger ausgeprägt als bei SB-Ware, schränkt er ein.

Grundsätzlich gilt die Fleisch- und Wurstbedienungstheke als schwierig, wenn es um das Thema Markenauftritt und Markenbildung geht. Der Grund: „Auf den ersten Blick ist für den Kunden alles einfach nur Wurst und Fleisch, Unterschiede kaum erkennbar", so die Erfahrung von Christoph Hack, Experte für Markenführung und Marketingeffizienz beim Beratungsunternehmen Brand:Trust. Er ist unter anderem spezialisiert auf den Lebensmittelhandel. „Sollen Eigen- und Fremdmarken nebeneinander platziert werden, ist die elementare Frage: Wie kann sich ein Wurst- oder Fleischprodukt differenzieren? Jedes Produkt braucht seine eigene Identität. Das heißt, ein Sortiment muss sauber aufeinander abgestimmt sein und wie ein gutes Orchester funktionieren, ohne dass sich Eigen- und Fremdmarke ‚zerfleischen'", beschreibt Hack. Dabei dürften aber Marketing und Markenführung nicht verwechselt werden, denn „eine Marke ist der verdichtete Ausdruck unternehmerischer Spitzenleistungen". Und auch Bekanntheit sei ein nicht zu vernachlässigendes Kriterium. Doch höchste Relevanz habe die Begehrlichkeit des Kunden. „Was nützt das Produkt, das nahezu jeder kennt, wenn es keiner kaufen will?"

Ob aufmerksamkeitsstark nebeneinander platziert oder anonym präsentiert: Das einträchtige Nebeneinander verschiedener Marken in der Bedienungstheke wird sorgfältig abgewogen, und zwar basierend auf einer Vielzahl von Kriterien: Vorgaben des Category Managements in den Konzernzentralen, Kundenbefragungen, Daten der Gesellschaft für Konsumforschung und Nielsen-Informationen, hausinterne Benchmarks, ebenso Markttrends, saisonale und regionale Besonderheiten. Werden Fremdmarken herausgestellt, vereinbaren die Handelszentralen mit den Herstellern, in welchem Umfang, um überzogene Erwartungshaltungen der Lieferanten zu vermeiden.

In den HIT-Märkten spielt nach Aussage von Geschäftsführer Ulrich Naujoks das Thema Marke, egal ob Fremd- oder Handelsmarke, eine untergeordnete Rolle. „Wir verkaufen nur, was der Kunde will. Denn der entscheidet, und wir wollen ja den Kunden zufrieden stellen, nicht den Lieferanten."

{tab=Nadelöhr Personal}

Alle Anstrengungen in der Markenzusammenstellung und -präsentation stehen und fallen mit der Kompetenz der Mitarbeiter. Ist Wurst von Rügenwalder mehr zu empfehlen als die von Reinert? Woher stammt das Roastbeef? Und warum gibt es Ware von Bedford nur in der Bedienungstheke? Das Verkaufspersonal hat den direkten Einfluss auf die Kaufentscheidung: „Wenn es den Mitarbeitern hinter der Bedienungstheke nicht gelingt, den Wert und die Besonderheiten der Ware zu vermitteln, wird es zukünftig nur noch SB-Theken geben. Warum sollte der Kunde dafür bezahlen?", fragt Christoph Hack vom Beratungsunternehmen Brand:Trust. Der Haken: „Fachpersonal für die Fleisch- und Wurstbedienungstheke ist eine aussterbende Spezies", bedauert Hans-Theo Hennes von Kaiser's Tengelmann. Zudem sei eine Bedienungstheke bei den derzeitigen Öffnungszeiten der Märkte mindestens 12 Stunden besetzt, das könne man nicht allein mit hoch qualifizierten Mitarbeitern stemmen.

Andererseits hat er auch festgestellt, dass der Wert einer solchen Bedienungstheke in den Märkten wächst. „Sie ist vergleichbar mit einer traditionellen Fachmetzgerei. Die sterben jedoch immer mehr aus, und der Verbraucher sucht Ersatz. Haben sich viele Märkte noch vor einigen Jahren davon verabschiedet, wird die Theke wieder notwendig, denn die Kunden erwarten Service und Beratung bei Fleisch und Wurst."

Bilder zum Artikel

Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen
Bild öffnen

Marketing