Studie Warum im Netz shoppen?

Gute Nachrichten für Händler: Lebensmittel werden stationär gekauft, nicht online. So das Ergebnis einer Studie vom Marktforschungsunternehmen Nielsen.

Mittwoch, 01. Juni 2016 - Management
Susanne Klopsch

Frische Produkte wie Gemüse oder Fleisch, Blumen, aber auch Wein und alkoholhaltige Getränke, werden fast ausschließlich im Geschäft gekauft. Das Internet spielt – noch – keine Rolle. Und selbst bei vielen anderen Produkten wie Unterhaltungselektronik oder Videospielen ist das Netz noch nicht das Maß aller Dinge. Kunden beginnen allerdings hier ihren Einkauf und kaufen dann offline. Nielsen hat in einer Studie in 26 Ländern weltweit untersucht, wie Verbraucher das Internet nutzen, um online und offline einzukaufen sowie warum und was sie online erwerben. Klares Ergebnis: Die Befürchtung, Online-Shopping mache den stationären Handel überflüssig, bewahrheitet sich nicht. Die Ruhe vor dem Sturm?

Chance für stationären Handel?

Online auch für Food? Nina Gemkow, Director Consumer & Shopper bei Nielsen Deutschland, und DietmarTönnies, Rewe-Händler in Odenthal, diskutieren.

Lebensmittel werden heute überwiegend im Geschäft gekauft. Das wird – auch vor dem Hintergrund eine  wachsenden Online-Angebotes – nicht exakt so bleiben. Was wird si konkret verändern?
Nina Gemkow: Neben bereits etablierten „Online-Produkten“ wie Tiernahrung oder Windeln werden verstärkt andere Warengruppen wie Frische angeboten. Dies und ein verstärkter Wettbewerb werden E-Commerce für viele Konsumenten attraktiver machen. Schon heute gibt es Haushalte, die die Lieferung nach Hause schätzen und für die E-Commerce ein etablierter Kanal ist, durch den sie bis zu 10 Prozent ihres FMCG-Bedarfs decken.

Dietmar Tönnies: Aus meiner Sicht wird der Online-Handel in Zukunft mehr werden, auch bei Lebensmitteln. Dies ist einerseits ein Risiko für den stationären Händler, aber auch eine große Chance, mit einer leistungsstarken Großhandlung an seiner Seite. Es gibt bspw. immer mehr ältere, teilweise mobil eingeschränkte Menschen, die ländlich wohnen und einen weiteren Weg zum Supermarkt haben. Diese Kunden könnten wir mit einem Lieferservice auch über eine Online-Bestellung erreichen. Dies wäre ein Beitrag zur Nahversorgung. Leider ist dies technisch noch nicht überall gegeben (Thema: Breitbandausbau). Darüber hinaus kann das Online Geschäft mit der Großhandlung zusammen dem Kaufmann eine Verlängerung der Ladentheke vor Ort bieten. Wir hätten als Kaufleute die Möglichkeit, Produkte anzubieten, die wir aufgrund unserer Größe zurzeit nicht im Sortiment führen. Hier besteht die Mög-lichkeit, unser Sortiment digital zu erweitern. Auch die Wünsche unserer Kunden werden immer vielfältiger, und durch die Kombination Supermarkt-/ Online-Geschäft bieten wir einen Mehrwert von Flexibilität und Service.

Was sind genau die Hürden für deutsche Verbraucher, ihre Verbrauchsgüter online zu kaufen?
Gemkow: Ein eingeschränktes Angebot und eine zögerliche Nachfrage der Konsumenten. Das Angebot beschränkt sich zum einen oft auf bestimmte Regionen und Warengruppen, oder es ist preislich und zeitlich nicht attraktiv genug etwa durch hohe Lieferkosten. Zum anderen spielen das gelernte Einkaufsverhalten, die Einkaufsroutine, eine entscheidende Rolle. Aufgrund der hohen Geschäftsdichte in Deutschland sind es die Konsumenten gewohnt, mehrmals die Woche in unterschiedlichen Läden, oftmals um die Ecke, einzukaufen. Vielen Konsumenten fehlt online das „Echt“-Erlebnis, gerade bei Lebensmitteln.

Tönnies: Unsere Kunden sind es gewohnt, sich vor Ort im Supermarkt von der Frische zu überzeugen und nach Begutachtung auswählen zu können. Das funktioniert über eine Internetseite nicht. Unsere Kunden wollen fühlen, riechen, schmecken, sich inspirieren und beraten lassen, etwas erleben. Der Einkauf von Lebensmitteln hat auch viel mit Vertrauen zu tun.Wir als Kaufleute und unsereMitarbeiter vor Ort stehen ganz persönlich für dieses Vertrauen. Außerdem ist der Supermarkt der „Lebens-Mittel Treffpunkt“ und hat damit auch eine ganz wichtige soziasoziale und gesellschaftliche Komponente, die die Menschlichkeit einer Gesellschaft mit unterstützt.

In anderen Bereichen schon Realität – wie lange wird es dauern, bis wir auch im LEH den Online-Einkauf und den stationären Kauf „friedlich“ nebeneinander finden?
Gemkow: Wir befinden uns an einem Scheideweg. Sollten sich Angebot und Nachfrage so positiv weiterentwickeln, kann der E-Commerce- Anteil am Gesamtumsatz von FMCG-Produkten in den kommenden Jahren sogar deutlich steigen. Der Konsument trennt nicht mehr bewusst zwischen On- und Offline – er lebt in einer Realität und wünscht sich bereits heute das Beste aus beiden „Welten“.

Tönnies: Ich bin der Meinung, dass es Produkte gibt, die eher die Voraussetzungen haben, online gekauft zu werden als andere. Beispiele solche mit sperrigen, schweren Verpackungen oder solche mit langem MHD. Genauso gibt es Sortimente, für die auch in Zukunft der Supermarkt aufgesucht wird. Das sind vor allem Frischeprodukte wie Obst und Gemüse, Convenience, Fleisch, Wurst, Käse und Fisch.

Nun gibt es Produkte, für die niemand ein Geschäft aufsuchen muss (und will): Waschmittel, Hygienepapier, vielleicht Tierfutter und mehr.Wie verändert sich der Einkaufskorb? Welche Sortimentsänderungen stehen dem stationären Handel bevor?
Gemkow: Bei einigen Kategorien wie Tierfutter findet bereits eine großeWanderung ins Netz statt. Gründe hierfür sind Bevorratung,Convenience- und Preisvorteile sowie eine erweiterte Produktauswahl. Eine Möglichkeit wäre, im Geschäft vor Ort die wichtigsten Produkte bereitzuhalten und das Regal „digital zu erweitern“, d. h. dem Shopper die Möglichkeit zu geben, Produkte im Geschäft zu bestellen und sich nach Hause liefern zu lassen. Tönnies: Vorstellbar ist dies etwa in Form einer „Regalverlängerung“ für Premium-Sortimente. Rewe bietet dies aktuell in mehr als 40 Märkten im Raum Köln, Bonn, Leverkusen, Aachen mit Beef by Rewe an. Der Kunde kann über die Online-Plattform beef.rewe.de hochwertige Fleischsortimente wie Wagyu, Iberico oder Dry-aged bestellen und im Markt an der Servicetheke abholen. Dies hat für Kaufleute zwei Vorteile: Der Supermarkt kann ein Premium- Sortiment präsentieren und hat durch die individuelle Vorbestellung absolut keine Abschriften.

Wenn der Online-Handel mit FMCGs – auch mit frischen Produkten – eine Chance für den stationären Händler sein soll – was sind die Voraussetzungen dafür?
Gemkow: Es muss ein attraktives Angebot geben; aktuell bieten nur sehr wenige Händler frische Produkte im Internet an. Das hat seine Gründe. Gerade bei frischen Produkten sind schnelle Verfügbarkeit, die Kühlkette und Vertrauen in die Qualität unerlässlich. Der Kunde muss einen Mehrwert gegenüber dem Einkauf im stationären Geschäft sehen, etwa durch mehr Convenience, personalisierte Angebote oder ein erweitertes Sortiment z. B. exotische Obstsorten, die es nur online zu kaufen gibt.