Interview mit Prof. Dr. Peter Kenning Die Macht der Marke

Wie kann sich ein Händler von der Konkurrenz abheben? Eigenmarken dienen zunehmend der Differenzierung. Warum, erläuterte Marketing-Professor Peter Kenning beim Handelsmarkenforum.

Mittwoch, 30. März 2016 - Management
Sonja Plachetta
Artikelbild Die Macht der Marke
Bildquelle: privat, Belz

Welche Faktoren begünstigen die Entwicklung von Handelsmarken?
Peter Kenning: Die Digitalisierung der Distribution wird auch die Entwicklung der Handelsmarken wesentlich beeinflussen. Hinzu kommt, dass auf sozio-kultureller Ebene Handelsmarken immer mehr als echte Marken gesehen werden. Stärker aber noch wirken meiner Meinung nach die technologischen Entwicklungen.

Welche technologischen Entwicklungen meinen Sie?
Durch die Digitalisierung werden die Sortimente zunehmend transparenter. In der Folge nimmt der Differenzierungsdruck im Sortiment noch einmal zu. Gleichzeitig verliert die Standortpolitik als Marketinginstrument an Bedeutung. Dies zwingt die Händler dazu, nach Ansatzpunkten der Differenzierung zu suchen. Die Handelsmarken rücken dann als mögliches und starkes Differenzierungsinstrument in den Fokus der Aufmerksamkeit.

Welche Faktoren behindern die Entwicklung der Handelsmarken?
Beim Thema Innovation könnte es Probleme geben. Viele Händler konzipieren ihre Handelsmarken immer noch als ,Me too plus’-Modelle. Starke Marken leben aber von Innovationen, und diese beherrschen viele Händler eher nicht. Wenn also die Hersteller nicht mehr innovativ sind, z. B. weil der Handel sie zu rasch imitiert, wird es für die Händler schwierig, differenzierte innovative Eigenmarken aufzubauen. Im Lebensmittelbereich könnte es in einigen Bereichen auch zu Problemen in der Beschaffung kommen, z. B. bei Eigenmarken mit regionalen Frischeprodukten.

Welche rechtlichen Aspekte spielen eine Rolle?
Aus rechtlicher Sicht positiv für die Handelsmarke ist das Verbot der vertikalen Preisbindung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV. Demnach dürfen Herstellermarken in der Regel nicht preisgebunden werden. Der Händler hingegen darf den Preis seiner Handelsmarken bis auf wenige Ausnahmefälle so setzen, wie er das möchte. Er hat somit deutlich größere preispolitische Freiheiten. Das ist ein klarer Marketing-Vorteil gegenüber der Herstellermarke. Ein internes Problem für Händler könnte dagegen das Verbot der selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstände nach § 248, II HGB sein. Diese Norm besagt, dass Investitionen in den Aufbau einer Marke unmittelbar ergebniswirksam sind und den Jahresüberschuss kurzfristig reduzieren. Ungeduldige Handelsmanager haben dann oft kein Interesse an einem langfristigen Markenaufbau. Dies ist vermutlich auch ein Grund dafür, warum kurzfristig ausgerichtete Unternehmen wie die Metro AG häufig keine so starken Handelsmarken haben wie inhabergeführte Systeme wie etwa dm.

Zur Person

Peter Kenning ist Professor für BWL, insb. Marketing, an der Heinrich- Heine-Universität Düsseldorf. 2011 wurde er in den wissenschaftlichen Beirat des Bundesverbraucherschutzministeriums (BMELV) berufen. Seit Oktober 2015 ist er Sprecher des Koordinationsgremiums des Netzwerks Verbraucherforschungdes Bundesjustizministeriums (BMJV). Wissenschaftliche Schwerpunkte sind u. a. Handelsmarketing und Consumer Neuroscience.

Welche Risiken gibt es, wenn Händler eine Eigenmarke auflegen?
Bei ,Me too’-Strategien gibt es für den Vollsortimenter kaum große Risiken, deshalb sind diese Strategien dort auch so erfolgreich und beliebt. Der Händler hat höchstens das Risiko dass er auf der gleichen Fläche nicht die gleichen Erträge realisiert wie mit der Herstellermarke. Ein Punkt bei Discountern ist: Wenn sie zu viele Eigenmarken führen, kann dies negative Effekte auf das Preisimage haben, da der Kunde keine Möglichkeit mehr zum Preisvergleich hat. Dies könnte ein Grund dafür sein, warum insbesondere Aldi in jüngster Zeit wieder Markenartikel eingelistet hat und mit massiven Preissenkungen in den Markt gegangen sind. Dadurch verdeutlicht Aldi seine Preiswürdigkeit und wird wieder stärker als Preisführer wahrgenommen.

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Raten Sie eher zu Einzelmarken oder zu einer Dachmarken-Strategie?
Das kommt darauf an, welche Risikopräferenz das Handelsmanagement hat. Bei einer Dachmarken-Strategie ist das Risiko höher, aber auch die Rendite, weil durch Standardisierung und effizientere Kommunikation Kosten eingespart werden. Doch es kann auf die gesamte Markenarchitektur durchschlagen, wenn es bei einem Artikel Probleme gibt. Das kann im schlimmsten Fall die Marke dauerhaft beschädigen. Bei Einzelmarken ist das Risiko geringer, dafür sind die Kosten höher. Im Ergebnis ist die Rendite dann geringer. Meiner Meinung nach erzwingt der Wettbewerb durch den zunehmenden Effizienzdruck verstärkt Dachmarken-Strategien. Die damit verbundenen Vereinheitlichungsprozesse sind z. B. bei der Rewe und der Edeka sehr deutlich.

Ist der dreistufige Aufbau bei Handelsmarken erfolgversprechend?
Das hängt meiner Meinung nach ganz wesentlich von der Qualitätsvarianz einer Warengruppe ab. Wenn die Basisqualität in einer Warengruppe sehr hoch ist, ist der Raum, in dem sich die höherwertigeren Marken positionieren können, so eng, dass der Kunde das nicht mehr wahrnimmt. Bei Orangen ist z. B. die Basisqualität sehr hoch, die klassische Handelsmarke hat dann schon eine sehr hohe Qualität. Darüber dann noch eine weitere Marke zu positionieren, wird schwierig, da die Unterschiede von den Kunden kaum noch wahrgenommen werden können. Hier sind dann oft zusätzliche kommunikative Maßnahmen notwendig, um die Marke zu differenzieren. Das geschieht z. B. semantisch, in dem man den Produkten besondere Namen gibt wie ,Sonnenperlen‘ oder Ähnliches. Für Handelsmarken ist das aber problematisch, weil sie derzeit kommunikativ nicht so stark aufzuladen sind, wie es Ferrero etwa mit seiner Piermont-Kirsche geschafft hat.