Trend 2015 Verhaltene Stimmung

2015 wird kein leichtes Jahr – davon sind jedenfalls die von uns befragten Lebensmittelhändler überzeugt. Sie schätzen die Aussichten für das gerade begonnene Jahr sehr verhalten ein.

Freitag, 16. Januar 2015 - Management
Reiner Mihr
Artikelbild Verhaltene Stimmung
Bildquelle: LP

Während sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft zum Jahresende 2014 deutlich verbessert hatte, war der Lebensmittelhandel weniger gut gelaunt. So stieg der Ifo-Geschäftsklimaindex im Dezember zum zweiten Mal in Folge. Fallende Ölpreise und sinkender Euro-Kurs machte Ifo-Chef Hans-Werner Sinn dafür verantwortlich. Zuvor hatte es zwar viele Schwächesignale aus der Wirtschaft gegeben, doch zum Jahresende verschwanden diese offenbar. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, das die Meinung von Finanzexperten bündelt, sah es jedenfalls so und führte das ebenfalls auf den schwachen Euro und den sinkenden Ölpreis zurück.

Im deutschen Handel war dagegen noch Mitte Dezember eher weniger Optimismus greifbar. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland (HDE), sagte: „Die Bundesregierung setzt auf Umverteilung statt auf Anreize für Wachstum. Das gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Die Weichen für die Binnenkonjunktur müssten neu gestellt werden. Angesichts verschiedener politischer Entscheidungen wie beim Mindestlohn oder der Rente mit 63 nehme die Verunsicherung zu.

Dies und einige weitere allgemeine Entwicklungen haben wohl auch die Stimmung im Lebensmittelhandel deutlich eingetrübt. Der von der LEBENSMITTEL PRAXIS Jahr für Jahr abgefragte Trendindex zeigt mit plus 5 den niedrigsten Stand seit 2009. Aber immerhin noch positive Tendenz. Hier dürften viele Faktoren eine Rolle spielen, die von der allgemeinen weltpolitischen Lage über die Krisen in diversen europäischen Ländern bis zur schwankenden Kauflaune der Deutschen reichen.

Die LEBENSMITTEL PRAXIS befragt stets zum Jahresende ausgewählte Führungskräfte im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel zu ihrer Einschätzung des noch laufenden Jahres und zu ihren Erwartungen für das Folgejahr. Der Trendindex ergibt sich aus dem Saldo von positiven und negativen Erwartungen der Befragten. Dabei wurde das Jahr 2014 noch überwiegend positiv bewertet. Die Erwartungen für 2015 allerdings kippen ins Negative.

Klar: Die Stressthemen bleiben auch 2015 – Kostendruck, Preiskampf, starke Discounter, Nachwuchssorgen, Angriff der Online-Anbieter. Die Herausforderungen wachsen gleichzeitig. Wer sein Profil beispielsweise mit regionalen Produkten schärft, sieht sich kritischen Verbrauchern gegenüber, die genauer hinschauen, woher die Produkte stammen. Wer die Verbraucherwünsche ernst nimmt, sieht sich einem wachsenden Angebot an Artikeln für besondere Ernährungsansprüche gegenüber: laktosefrei, glutenfrei, vegetarische und vegane Artikel. Daraus ergeben sich neue Fragen: wie platzieren, wie den Verkauf fördern, Preispositionierung und vieles mehr. Aber, so sagt ein Händler, „Handel ist Wandel, das heißt ja nichts anderes, als mit neuen Bedingungen umzugehen. Der Kunde legt fest, was er kauft. Wir müssen unsere Sortimente permanent an das anpassen, was der Kunde wünscht.“

Und sicht zu vergessen die Lebensmittel-Informations-Verordnung. Sie sorgt mit Vorschriften zu Pflichtangaben, Schriftgröße, Herkunftsnachweisen und mehr für einigen Aufwand. Mehr Umsatz wird das nicht bringen.

Trotz der als nicht leicht eingeschätzten Lage werden aber die Probleme angegangen: Viele der Befragten wollen in Modernisierung investieren. Energiesparende Technik, Lichtsysteme, Kühlflächen stehen da ganz weit vorne. Und auch bei den vorherrschenden Interessen stehen offensive Themen oben an: neue Technologien, Frische, Premium und Eigenmarken, Nachhaltigkeit, Gastronomie im Handel, um einige Beispiele aufzuführen.

Großes Augenmerk gilt – wie schon in den Vorjahren – der Rekrutierung und Ausbildung neuer Mitarbeiter sowie der Motivierung und Weiterbildung des bestehenden Verkaufspersonals. Hier geht es vielen Befragten darum, den Unterschied zum Discounter über qualifizierte Mitarbeiter deutlich machen zu können.

Der HDE plädiert indes für eine Stärkung der Binnen-Kaufkraft und sieht als wichtige Schritte einer wachstumsfreundlichen Politik die Abschaffung der kalten Progression und die Entlastung der Verbraucher bei den Stromkosten. „Die Strompreise für einen Privathaushalt haben sich seit 2000 fast verdoppelt. Wir brauchen eine faire Beteiligung aller an den Kosten der Energiewende“, sagt Stefan Genth. Es sei einfach ungerecht, wenn die Privathaushalte für die Entlastung der Industrie beim EEG zahlen müssten.

Er betont den hohen Druck, unter dem gerade mittelständische Unternehmen im aktuellen Strukturwandel im Handel stehen: „Der Wettbewerb im Einzelhandel verschärft sich durch die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft. Wir appellieren an Städte und Gemeinden, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Handel auch in kleineren und mittleren Städten in Zukunft noch ermöglichen.“ Damit spricht Genth eine Reform der Gewerbesteuer an.

Die Stimmungslage in der Ernährungsindustrie  ist übrigens ebenfalls verhalten. Das liegt wohl vor allem an verminderten Exportchancen, fallenden Verkaufspreisen im In- und Ausland bei teilweisen steigenden Rohstoffpreisen sowie am weiter hohen Konkurrenz- und Kostendruck. Aber auch beim Bundesverband der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) sieht man die Kauflaune der deutschen Verbraucher positiv, das Konsumklima in Deutschland bleibe auf hohem Niveau und der Inflationsdruck sei nach wie vor niedrig.