USA Grüne Handelsschmiede Austin, Texas

Lebensmittelhändler wie Whole Foods und In.gredients machen in den USA vor, wie sich Bio und Nachhaltigkeit verkaufen lassen.

Freitag, 19. September 2014 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Grüne Handelsschmiede Austin, Texas
Entscheidungshilfe: Rating-Systeme am PoS (hier für WPR) visualisieren, wie grün die Produkte sind.
Bildquelle: Whole Foods Market

Wenn es um Inspirationen für das eigene Geschäft geht, blicken Händler gerne mal ins Ausland. In Nordamerika steht vor allem ein Unternehmen auf den Besuchslisten ganz weit oben: Whole Foods Market (Umsatz 2013: knapp 13 Mrd. USD, etwa 10 Mrd. Euro). Gegründet 1980 in Austin, Texas, expandierte „Amerikas gesündester Lebensmittelhändler“ in den vergangenen Jahren dynamisch und betreibt heute knapp 400 Filialen in den USA, Kanada sowie Großbritannien. Oft gepriesen für eine makellose Produkt-Präsentation und sein umfangreiches Convenience- und Gastro-Angebot, rückt manchmal in den Hintergrund, dass es sich bei der Kette vor allem um ein Nachhaltigkeits-Konzept handelt.

Als Anbieter von ausschließlich natürlichen und bio-zertifizierten Produkten gilt das Unternehmen in den Vereinigten Staaten als einer der Vorreiter auf diesem Gebiet. Die Unternehmens-eigenen Qualitäts-Standards verbieten u. a. künstliche Aromen, Farbstoffe und Konservierungsmittel, gehärtete Öle und andere spezifische Zutaten. 2003 wurde die Kette nach eigenen Angaben der erste zertifizierte Bio-Händler in den USA (CCOF-Zertifizierung).

Information, Kennzeichnung, Emotionalisierung – in seinen Märkten zeigt Whole Foods, wie das Thema Nachhaltigkeit vermittelt werden kann. Sind Porträts regionaler Lieferanten auch hierzulande bereits Standard, legt das Unternehmen vor allem bei Leitsystemen (Ampelfarben) vor, die anzeigen, wie nachhaltig die Produkte in den Regalen sind. So zeigt der Tierwohl-Rating-Standard der Nichtregierungsorganisation Global Animal Partnership, unter welchen Bedingungen die Schlachttiere jeweils aufgezogen und gehalten wurden – von dem Verzicht auf Käfige oder Verschläge und der Garantie der Bewegungsfreiheit (Schritt 1) über der Garantie, dass jedes Tier Zugang zu Außengelände erhält (Schritt 3) bis zu dem Verbot jeglicher physischer Veränderungen und dem Gebot, das jedes Tier sein gesamtes Leben auf einer Farm verbringt (Schritte 5 und 5+).

Ab Herbst 2014 soll ein dreistufiges Rating-System für frisches Obst und Gemüse sowie Blumen folgen, das die Produkte in „gut“, „besser“ und „am besten“ einteilt, basierend auf verschiedenen Faktoren wie Pestizid- und Abfall-Management, Biodiversität, Wassereinsparungen, soziale Leistungen für Farmarbeiter etc.

Die dynamische Entwicklung des Unternehmens ist exemplarisch für den wachsenden Appetit der US-Bürger auf Bio-Lebensmittel. Bio-Lebensmittel sind in den USA heute in rund 20.000 „Natural Food Stores“ sowie knapp drei Viertel aller konventionellen Supermärkte erhältlich. Um 11,5 Prozent auf 35 Mrd. USD (27 Mrd. Euro) kletterte der Umsatz mit Öko-Produkten im vergangenen Jahr in den USA. 32,3 Mrd. USD (gut 24 Mrd. Euro) entfallen auf biologisch angebaute Lebensmittel – das entspricht gut 4 Prozent der Gesamtausgaben für Lebensmittel. Konsumenten stellten die Verbindung zwischen Nahrungsmitteln und Gesundheit her, dieses Wissen entfache das Interesse an Öko-Produkten, sagt Laura Batcha, CEO der Handelsorganisation Organic Trade Association. In Umfragen gaben 81 Prozent der Familien 2013 an, zumindest ab und zu Bio-Lebensmittel zu kaufen. Bei Obst und Gemüse ist bereits jedes zehnte verkaufte Produkt bio-zertifiziert.

Nachhaltiger Nachbarschaftsmarkt

Als Laden für unverpackte Ware gestartet, fokussiert sich In.gredients in Austin, Texas, nun auf „zero waste“.

Sie zählen zu den Pionieren der „Unverpackt“-Ladenkonzepte: Die Brüder Christian, Joseph und Patrick Lane eröffneten 2012 im texanischen Austin mit In.gredients einen Nachbarschaftsladen, der auf unverpackte Ware, Bio-Qualität und regionale Produzenten setzt – Gentechnik ist tabu, Saisonalität im Fokus. Von Getreide über Wein, Molkereiprodukte bis zu Haushaltsreinigern: Wer bei In.gredients einkauft, füllt die Produkte in Behälter ab – möglichst selbst mitgebrachte, denn hierfür spenden die Betreiber je 5 US-Cent (4 Cent) an ein lokales Charity-Projekt. Die Verankerung in der Gemeinde ist Grundpfeiler des Konzepts. Zahlreiche Events – Konzerte, kulinarische Workshops, Filmvorführungen zu Nachhaltigkeits-Themen – bringen die Nachbarschaft auf der Veranda oder im Vorgarten zusammen. Nach rund zwei Jahren änderten die Gebrüder Lane die ursprünglichen Ziele (verpackungs- und abfallfrei) in „zero waste“, „local food“ und „community“ (abfallfrei, lokale Lebensmittel und Community/Gemeinschaft) und bieten nun auch verpackte Ware an. Die Begründung: „Wenn wir alles beim Alten ließen, würden wir nicht lange genug im Geschäft bleiben, um etwas bewegen zu können.“ Die richtige Verpackung helfe bei der Vermarktung von Produkten, zudem habe es sich als besondere Herausforderung erwiesen, Mengen zu visualisieren, beispielsweise bei einem Pfund Tee für 45 USD (35 Euro). Um im Laden von der Größe eines Convenience-Stores Platz zu schaffen, wird Bulkware ausgelistet, die nicht lokal ist und sich als Ladenhüter erwies.

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Bild öffnen Whole Foods Market setzt in seinen Märkten auf Individualität, Einheits-Ladendesign gibt es nicht.
Bild öffnen Entscheidungshilfe: Rating-Systeme am PoS (hier für WPR) visualisieren, wie grün die Produkte sind.
Bild öffnen Hoch- und Schönstapeln ist die Paradedisziplin der Whole-Foods-Mitarbeiter: Äpfel werden zu Pyramiden gestapelt – jeder einzelne scheinbar auf Hochglanz poliert.
Bild öffnen Vorbild für Handels-Gastronomie: Beinahe über die gesamte Fläche erstreckt sich das umfangreiche Angebot an Fertiggerichten.