Dorfläden Wer weiter denkt, kauft näher ein

Die Dorfläden verkörpern ein besonderes Format und eine Einkaufskultur der anderen Art auf kleiner Fläche, haben manchmal aber auch ihre Schattenseiten.

Freitag, 06. Juni 2014 - Management
Dieter Druck
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Erfolgs- oder Auslaufmodell? Die kleinen Flächen im LEH schmelzen weiter ab. Sie bleiben im harten Preiswettbewerb auf der Strecke, und die Lücken in der Nahversorgung werden größer. Vielen kleinen Ortschaften im ländlichen Raum, aber zunehmend auch Stadtteilen am Rand größerer Städte, fehlt die Einkaufsmöglichkeit für Lebensmittel. Dies ist wichtig, insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, mit einer steigenden Zahl immobiler Menschen. „Der Bedarf ist da,“ wie Rainer Utz, Geschäftsführer der gleichnamigen Großhandlung, konstatiert. „Die Bürger wollen den Dorfladen, die kommunalen Entscheidungsträger möchten ihn den Bürgern bieten.“ (siehe Interview S. 18) Und auch Wirtschaftsexperten sähen gute Perspektiven für den „neuen“ Dorfladen“. Ein weiteres Indiz dafür könnte sein, dass innerhalb des Dorfladen-Netzwerks, einem Zusammenschluss verschiedener Dorfläden in Deutschland, die Gründung einer „Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden e.V.“ (BmD) geplant wird. Der Vollzug soll in der zweiten Jahreshälfte stattfinden.

Vielleicht etwas nüchterner sieht es Sascha Jost. Der Leiter Projektmanagement und Mitgliederservice beim Handelsverband Württemberg e.V. in Stuttgart: „Wo die Wirtschaftlichkeit gegeben ist, hat der Dorfladen in jedem Fall eine Chance. Von einer flächendeckenden Renaissance dieses Formates in Baden-Württemberg ist aber unseres Erachtens nicht auszugehen. Zumal zwischenzeitlich auch andere Konzepte zur Verbesserung der Nahversorgung eine verstärkte Akzeptanz erfahren.“ Als Beispiele nennt Jost ehrenamtlich betriebene Bürgerbusse oder mobile Versorger.

Der Dorfladen ist vielerorts ein emotional aufgeladenes Format, insbesondere wenn Bürgerinitiative dahinter steckt. Er ist Kommunikations- und Einkaufsstätte in einem. Aber er siedelt in einer hochverdichteten Handelslandschaft, und er wird gemessen an Discountpreisen und an der Warenvielfalt der Vollsortimenter. Da ist nicht mitzuhalten. Und die Nähe der Einkaufsstätte kann nicht unbedingt mit hoher Akzeptanz gleichgesetzt werden. Die Kaufkraftabschöpfung im Ort über 35 Prozent zu bringen ist nicht so einfach, wie auch Manfred Sattler, Betreiber der Klieburg- Scheune (siehe Seite 22) erfahren hat. Und die Bürger mit Genossenschaftsanteilen seien nicht so sehr auf ihren Laden fixiert, dass man von einer grundlegenden Veränderung des Kaufverhaltens reden könnte, erklärt ein Insider der Nahversorgung.

„Oft fahren Leute wegen ein paar Cents 10 km hin und zurück, ohne die Kosten für die Fahrt zu berücksichtigen“, berichtet ein Dorfladenbetreiber mit leicht gefrustetem Unterton. Kaufverhalten zu ändern, ist schwierig und langwierig. Ein ehemaliger Afu-Ihre-Kette-Kaufmann aus dem Westerwald merkt an: „Hätten die Leute in dem Maße gekauft, wie sie über die Schließung meines 120 qm kleinen Geschäftes vor Jahren geklagt haben, stünde ich heute noch im Markt.“ „Die Kunden müssen akzeptieren, dass der Dorfladen nicht die Preiskalkulation eines Discounters hat und zum Überleben andere Preisschienen notwendig sind – was aber nicht heißt, dass der Dorfladen generell deutlich teurer sein muss, als andere Märkte“, fordert Jost.

Etwas anders seien die Gegebenheiten bei den bürgerschaftlich aufgestellten Läden, erklärt Günter Lüning, Vorsitzender Dorfladen Otersen w.V. und Sprecher des Dorfladen Netzwerks. „Hier ist Auskömmlichkeit das Geschäftsprinzip.“ Die Rendite stehe nicht im Vordergrund. Die sei in Otersen und den meisten anderen Bürgerläden nicht in Euro zu messen, sondern in Lebensqualität für die Menschen und die Zukunftsfähigkeit des Dorfes. In Otersen habe man bis zum sechsten Jahr mit leichtem Verlust und im siebten mit einem leichten Überschuss von rund 1 Prozent des Umsatzes abgeschlossen. Nach nach seinen Erfahrungen sollte im dritten, spätestens im vierten Jahr die „schwarze Null“ erreicht werden. Der Dorfladen in Ettenbeueren (Bayern) schreibe seit seinem Start eine schwarze Null und das seit 15 Jahren.