Reportage Drehkreuz der Frische

Das Perishable-Center am Frankfurter Flughafen ist der größte Knotenpunkt in Europa für den globalen Umschlag von Frischprodukten.

Donnerstag, 09. Mai 2013 - Sortimente
Dieter Druck
Artikelbild Drehkreuz der Frische
Saisonlos: Flugware sorgt für ganzjährige Verfügbarkeit der Ware.
Bildquelle: Mugrauer

Die Schaufeln in den Triebwerken der Boeing sind eben zum Stillstand gekommen. Die Maschine der Lufthansa Cargo ist vor rund 16 Stunden in der ghanaischen Hauptstadt Accra gestartet. Jetzt klappt die Ladeluke auf und eine Hebebühne fährt heran. Im Eiltempo wird entladen. Keine 30 Minuten dauert es, bis der Laderaum leer ist. An Bord sind überwiegend frische Ananas. Flugware, wie man im Handel sagt. Ein Begriff mit dem immer ein besonderes Qualitäts- und Frischeversprechen verbunden ist.

Wenn frische, kühlbedürftige Erzeugnisse in Deutschland „landen“, dann mit hoher Wahrscheinlichkeit im Perishable-Center auf dem Flughafen Frankfurt (PCF), dem größten seiner Art in Europa. Etwa 50 Flieger werden hier durchschnittlich pro Tag entladen. An Sonntagen sind es mehr als 80. Denn montags will jeder frische Ware. Das heißt, pro Tag werden durchschnittlich 250 t Ladung bewegt. In der Spitze sind es bis zu 700 t.

Wir stehen am sogenannten I-Punkt des Umschlagzentrums. Hier kommen Obst & Gemüse, Fleisch, Fisch, Blumen sowie kühlbedürftige pharmazeutische Produkte aus aller Herren Länder auf den Boden zurück. Flugnummer und Frachtdaten werden geprüft, und dann geht es direkt in den 9.000 qm umfassenden Hallenkomplex. Frischware wird eingelagert, umgeschlagen und kommissioniert. 95 Prozent der Fracht gehen am gleichen Tag wieder per Lkw oder Flugzeug raus. Innerhalb der Hallen bestehen 20 verschiedene in Realzeit kontrollierte Temperaturzonen zwischen -24 und +24 Grad Celsius.

Eingangskontrollen bezüglich Temperatur, Vollständigkeit und Beschädigung sind die ersten Checks. Ware aus Nicht-EU-Ländern kann durch den Zoll vor Ort abgewickelt werden. Heute sind Zollbeamten mit einem Röntgenwagen vor Ort und durchleuchten eine Charge Schnittblumen aus Kolumbien. Gesucht wird nach möglichem Rauschgift.

Veterinäramt, BLE (Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung) und Hessisches Landeslabor für Pflanzenschutz führen entsprechende stichprobenartige Produktkontrollen gemäß den EU-Vorgaben für die Einfuhr von Lebensmitteln durch. Beanstandete Lieferungen, z. B. wegen Schimmelbesatz oder zu hoher Pestizidbelastung, können in einem Quarantäneraum separat von andern Produkten gelagert werden. Aber dass Ware aus dem Verkehr gezogen werde, passiere sehr selten, sagt Projektleiter Stergios Boudrikas. Dank Bio-Zertifizierung, ist das PCF auch als Erstempfänger in der Europäischen Union für Bio/-Öko-Importe zugelassen. Ebenso ist man gemäß dem IFS (International Logistic Standard Higher Level) zertifiziert. ISO- und HACCP-Zertifikate sind selbstverständlich.

Den größten Anteil am Warenumschlag haben Obst und Gemüse mit rund 35 Prozent Anteil. Mini-Karotten aus den USA, Mangos aus Brasilien, Physalis aus Thailand, essbare Blüten aus Israel, Ananas aus Ghana, Papayas aller Kaliber mit Absender Costa Rica und Spargel aus Peru sind heute hier kurz zwischengelagert. „Alles ist das ganze Jahr über verfügbar“, unterstreicht Geschäftsführer Christoph Herchenheim.

Fleisch und Fisch stehen nach Blumen an dritter Stelle im Umschlagranking. Die Produkte werden in einem Reinbereich, der täglich gereinigt und desinfiziert wird, umgeschlagen. Kobe-Rind aus Japan, Wagyu aus Neuseeland und argentinisches Rindfleisch warten bei einer Temperatur zwischen 0 und 6 Grad Celsius auf ihren Weitertransport.

Aus einem Kühl-Transporter wird eine 3 m lange Styropor-Kiste angekarrt. An der Seite ist eine Aussparung, aus der das Schwert eines riesigen Schwertfischs ragt. Sorgsam gepolstert, damit es während des Transports keinen Schaden nimmt. Er nimmt den umgekehrten Weg und geht von Frankfurt aus in die Luft.

Für Fisch ist der Standort in Deutschland inzwischen der größte Umschlagplatz mit einer Jahrestonnage von 32.000 t. Eingehender Frischfisch wird sensorisch gecheckt, und es werden von Veterinären im Rahmen der Eingangskontrollen Stichproben für das Labor gezogen.

Bei Bedarf wird nachgeeist, damit die Kühlkette geschlossen bleibt. Nicht geschlossen wird das PCF. An 365 Tagen rund um die Uhr wird Fracht angeliefert und möglichst schnell weitergeleitet. Frische duldet keinen Aufschub.

Bildquelle: Mugrauer

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Warenbewegung: Durchschnittlich werden im Perishable-Center pro Tag 250 t Frischware umgeschlagen.
Bild öffnen Saisonlos: Flugware sorgt für ganzjährige Verfügbarkeit der Ware.
Bild öffnen Absender und Empfänger: Etwa 95 Prozent der Ware gehen am gleichen Tag wieder raus.
Bild öffnen Einblicke: Der Zoll durchleuchtet auf der Suche nach Rauschgift eine Charge Rosen aus Kolumbien.
Bild öffnen Vernetzt: Der Standort Frankfurt bietet eine zentrale Lage und gute Erreichbarkeit der deutschen sowie europäischen Ballungsräume.
Bild öffnen Nicht vom Kap: Physalis (Kapstachelbeere) aus Thailand für einen deutschen Großhandel.
Bild öffnen Flugananas aus Ghana: Eine edle, reife Frucht, die auch etwas mehr kostet.
Bild öffnen Frische-Check: Die roten Kiemen sind für den Veterinär ein Zeichen für Frische.
Bild öffnen Kontrollzeichen: Hier hat das Hessische Landeslabor für Pflanzenschutz einen Blick drauf gehabt.
Bild öffnen Waren- und Sortenmix: Obst und Gemüse haben den größten Anteil am Warenumschlag.
Bild öffnen Spitzenposition: Das Perishable-Center ist mit 32.000 t pro Jahr der größte Fischumschlagplatz in Deutschland.
Bild öffnen Project Coordinator: Stergios Boudrikas behält den Überblick.
Bild öffnen Tempomacher: Die Ware wird flugs verteilt auf eine der 20 unterschiedlichen Temperaturzonen.
Bild öffnen Direkter Weg: Vom Rollfeld geht es unmittelbar in den 9.000 qm großen Hallenkomplex.
Bild öffnen Edle Teile: Vom Japanischen Rind.
Bild öffnen Stark frequentiert: Etwa 50 Maschinen werden pro Tag entladen.

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