Edeka Goerzen Die Zukunft der Theke

Die Fleisch-Bedientheke wird an Bedeutung zunehmen, davon sind Händler überzeugt. Ein Gespräch mit Edeka-Kaufmann Dirk Goerzen über die Theke als Bühne für das Geschäft von morgen.

Freitag, 15. Juli 2022 - Fleisch, Wurst, Geflügel
Jens Hertling
Artikelbild Die Zukunft der Theke
Bildquelle: Ingo Hilger

Der Fleischkonsum geht zurück, die Preise explodieren – wo sehen Sie die Fleischtheke 2030?
Dirk Goerzen:
Ich sehe einen Trend in Richtung Regionalität und Tierwohl als starke Strömung – hier spielt auch das wachsende Umwelt- und Nachhaltigkeitsbedürfnis mit hinein. Genauso wichtig sind Besonderheiten im Bereich Steak – wie Premiumqualität oder Dry-aged.

Die Theke ist ein Alleinstellungsmerkmal des Lebensmittelhandels. Wird es dabei bleiben?
Natürlich. Ich kann nur für mich sprechen, aber: Die Kombination aus Frische, persönlicher Beratung, Vielfalt und Qualität macht uns so schnell keiner nach. Wir arbeiten wie eine Fachmetzgerei, eine Manufaktur – und bieten viele Fleischprodukte weg von der Masse, hin zur Spitzenklasse wie Charolais oder Steak No. 1 an.

Welches Fleisch soll an der Theke verkauft werden und welches sollte in der SB-Truhe liegen?
Je höher die Wertigkeit, desto eher Richtung Theke – Beratung, Spitzenqualität und Spezialitäten gehören zusammen. Bei unserem Rasting-Tierwohlprogramm „Bauernliebe“ kann ich dem Kunden viel zeigen und erklären, diese „Story“ spiele ich am besten im Gespräch.

Ist die Zeit der Flyer, wo Fleisch im Angebot verramscht wird, vorbei?
Auch wenn es weiterhin Angebote für preissensible Kunden geben wird, ist die Zeit der Billigstverkäufe aus meiner Sicht vorbei. Das muss auch so sein, wenn es ein dauerhaftes Auskommen für Landwirte und eine vernünftige Aufzucht für die Tiere geben soll. Wir brauchen eine funktionierende Landwirtschaft und eine sichere Grundversorgung – auch aus den Regionen.

Muss Fleisch noch teurer werden?
Fleisch braucht Wertschätzung und ein ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis, damit der Landwirt davon leben kann, es aber für den Kunden kein reines Luxusprodukt ist.

Im Moment steigt die Inflation. Die Verbraucher kaufen laut Marktforschern mehr beim Discounter und mehr Preiseinstiegsprodukte. Markenprodukte werden es in Zukunft schwerer haben. Wie schädlich ist das für die Fleischtheke?
Fleisch ist Vertrauenssache, und das erfüllen wir mit der Beratung an der Theke optimal. Auch wenn es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Wellenbewegungen gibt. Ich muss dem Kunden aber erklären, wofür er sein Geld ausgibt. Dabei habe ich mit dem Thema Regionalität einen starken Vorteil.

Welche Rolle spielt es, dass Personal kaum noch verfügbar ist?
Die letzten zwei oder drei Jahre ist der Markt dünner geworden. Fachpersonal für die Theke ist nicht einfach zu finden beziehungsweise zu halten, aber bis jetzt haben wir immer gute Teams zusammengestellt. Gute Arbeitsatmosphäre und faire Bezahlung sind dabei unverzichtbar.

Stichwort Fachkräfte: Wie schnell finden Sie neues Thekenpersonal?
Bei uns arbeiten nur gelernte Kräfte, damit wir die Qualitäts- und Beratungsansprüche der Kunden erfüllen können. Die finden wir mal schneller, mal müssen wir ein bisschen suchen. Eine pauschale Zeitschiene gibt es da nicht. Uns helfen insbesondere unsere Netzwerke bei der Suche nach Personal, zum Beispiel Empfehlungen von eigenen Mitarbeitern.

Ihre Einschätzung: Welche Rolle wird in Zukunft Tierwohl spielen?
Tierwohl wird eine Riesenrolle spielen. Aber es muss für den Verbraucher noch einfacher zu verstehen sein, was hinter welcher Stufe steckt und wie das Tier aufgezogen wird. Vielleicht brauchen wir hier auch noch mehr Differenzierung.

Und die Alternativen? Welche Zukunft sehen Sie für fleischlose Produkte in der Bedienungstheke?
Schon heute zeigen wir beim Grillsortiment Gemüsespieße und Maiskolben. Aber es ist noch schwierig, klassische Ersatzprodukte zu zeigen. Das funktioniert in SB besser.

Nimmt der Kunde Bio-Fleisch an?
Ich kann nur für den SB-Bereich sprechen. Da läuft Bio sehr gut.

Sehen Sie bei Bio-Fleisch noch Wachstumschancen?
Aktuell ist Bio ein Wachstumsmarkt. Ich würde mir ein noch vielfältigeres Sortiment wünschen.