„Fake Food“ „Blut“ an gefälschten Lebensmitteln

Oft bestehen Verbindungen zur Organisierten Kriminalität und vor allem zur Mafia. Für Fake Food ist Deutschland ein beliebter Marktplatz.

Montag, 06. Mai 2024 - Management
Thomas Klaus
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Bildquelle: Getty Images

Mit Wasser aufgespritzte Garnelen, mit Zucker gestreckter Honig, Fremdstoffe wie etwa Olivenblätter im Oregano, mit Kunststoffkörnern gemischter Reis oder gepanschter Wein – bei Lebensmitteln sind der Fantasie der Fälscher keine Grenzen gesetzt. Es wird gepanscht oder ersetzt, verdünnt oder verschnitten, falsch oder irreführend deklariert.

Grundsätzlich kann jedes Lebensmittel verfälscht werden, mit dem sich Geld verdienen lässt. Stets handelt es sich um Betrug, nicht um nachlässige Kennzeichnungsverstöße. Oft gehören die Täter zur Organisierten Kriminalität. In vielen Fällen sind es jedoch ansonsten unbescholtene, aber profitgierige Unternehmer.

Europaweiter Schaden in Milliardenhöhe
Das Problem ist nicht neu, aber in Zeiten diversifizierter und globaler Lieferketten nimmt es zu. Zwar haben Politik und Behörden die Dringlichkeit erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen. Aber oft können Fälschungen erst im Labor entlarvt werden, weil die Unterschiede zum Original nur schwer erkennbar sind.
Konkrete Summen zu nennen, ist unmöglich – was in der kriminellen Natur der Sache liegt. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) geht unter Bezug auf die EU-Kommission von einem jährlichen europaweiten Schaden zwischen acht und zwölf Milliarden Euro aus. Das BVL beteiligt sich als nationale Kontakt- und Koordinierungsstelle an dem Netzwerk zur Bekämpfung der Lebensmittelkriminalität, dem Food-Fraud-Network (FFN): Das FFN wurde 2013 von der Europäischen Kommission geknüpft. 
Bereits seit 2011 nehmen die Polizeibehörden Europol und Interpol im Zuge der sogenannten OPSON-Operationen weltweit Lebensmittelfälscher in die Zange. Der Begriff „OPSON“ stammt aus dem Griechischen und beschreibt den wertgebenden Bestandteil des Essens.

Das Bundeskriminalamt (BKA) erfasst Fälle der Lebensmittelkriminalität unter dem Schlüssel 716100. Die polizeiliche Kriminalstatistik weist für 2023 hierunter 1.782 Fälle mit 1.875 Tatverdächtigen auf. Die Fallzahlen steigen laut BKA gegenüber LP. Allerdings lassen sich aus den Zahlen keine Details zu den Tathandlungen und betroffenen Lebensmitteln lesen.

Hitliste mit Fisch, Fleisch und Ölen
Laut EU-Angaben werden Fisch, Fleisch sowie Fette und Öle am häufigsten gefälscht, gefolgt von Nahrungsergänzungsmitteln sowie Kräutern und Gewürzen. Endgültig hoch kriminell und blutig wird das Geschäft mit „Fake Food“, sobald die italienische Mafia im Spiel ist – was sehr häufig zutrifft. Nach Drogen sind gefälschte Lebensmittel und Agrarprodukte zu ihrem zweitwichtigsten Geschäftsfeld geworden. Judith Eisinger vom Vorstand des Vereins Mafia Nein Danke erläutert im LP-Gespräch, dass extra natives Olivenöl und Produkte mit geschützten Bezeichnungen wie DOP oder IGP besonders zahlreich betroffen seien; zu letzteren zählen Büffelmozzarella, Parmesan und San-Daniele-Schinken. Anhand des Büffelmozzarella-Beispiels wird die Expertin konkreter: „Eine der üblichsten Praktiken ist die Zugabe eines Teils Kuhmilch zum Büffelmozzarella. Das fällt selten auf, senkt allerdings die Kosten beträchtlich.“ Schließlich koste Kuhmilch nur einen Bruchteil von Büffelmilch. Meistens werde flüssige Kuhmilch, gelegentlich sogar importiertes Milchpulver verwendet.

LEH soll Verantwortung gerecht werden
Kann den Lebensmitteleinzelhandel das Thema der Lebensmittelfälschungen kaltlassen? Nein, sagt Judith Eisinger. Es sei im Sinne der Mafia-Bekämpfung sehr wichtig, dass Supermärkte und andere Handelsakteure „für die legale Herkunft ihrer Produkte garantieren“ könnten. Die Vorstandsfrau fügt hinzu: „Dafür müssten sie genau prüfen, wem sie die Ware abkaufen.“

Dass der Lebensmitteleinzelhandel nicht aus der Verantwortung entlassen werden darf, ist ebenfalls die Haltung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegen Lebensmittelkriminalität. In seinem Abschlussbericht fordert das Gremium, Lebensmittelindustrie, Lebensmittelhandwerk und Lebensmittelhandel müssten in ein umfassendes Bekämpfungskonzept eng einbezogen werden. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe empfiehlt unter anderem die Aufnahme der Fake-Food-Abwehr in Audits und QM-Systeme sowie runde Tische auf Länderebene. An denen sollten unter anderem Polizisten, Lebensmittelüberwacher und 
Lebensmittelunternehmer sitzen. Besagter Abschlussbericht ist bereits vier Jahre alt, und seitdem ist nicht allzu viel geschehen.

Fake Food: Zu sensibel kann es gar nicht geben

Kommentar von Thomas Klaus

Zur „Ehrenrettung“ der ehrlosen Gesellen, die Lebensmittelfälschungen als Geschäftsmodell für sich entdeckt haben, muss man festhalten: Sie wollen die Verbraucher nicht bewusst krank machen. Denn fette Schlagzeilen würden dünnere Gewinne bedeuten. Dennoch kommt es immer wieder zu Manipulation oder Falschkennzeichnung von Lebensmitteln, die die Gesundheit direkt bedrohen. Zum Beispiel, wenn Frostschutzmittel in Wein landet oder billigere Erdnüsse und Cashews in teurere Haselnüsse geschmuggelt werden. Für Allergiker kann das sogar tödlich enden. Das zeigte im Januar der Fall der Profitänzerin und Nussallergikerin Orla Baxendale, der eine Packung Kekse aus dem Supermarkt zum Verhängnis wurde. Allerdings waren keine Mafiosi am Werk, sondern die Packung war unvollständig bedruckt gewesen.

„Made in Verbrecherland“
Solche schlimmen Schicksale wie das der 25-Jährigen, die zeitlebens große Angst vor einer Vergiftung durch falsche Ernährung gehabt haben soll, werfen ein Schlaglicht auf das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Konsumenten und Händlern. Die Kunden müssen sich darauf verlassen können, dass sie in den Geschäften hohe Lebensmittelqualität erhalten und keine riskanten Kombinationen „Made in Verbrecherland“. Zu viel Sensibilität im LEH kann es bei diesem Thema wahrscheinlich gar nicht geben.