Fleischkongress Service kontra Kosten

Auf die Bedienungstheke kann man nicht verzichten, 
behaupten drei Praktiker von Edeka und Rewe. Fragt sich nur, 
wie viele Stunden man die Fleischtheke pro Tag offen hält.

Mittwoch, 20. März 2024 - Management
Heidrun Mittler
Artikelbild Service kontra Kosten
Bildquelle: Peter Eilers

Märkte, die sich gegenüber dem Discount profilieren wollen, setzen auf die Fleisch- und Wurst-Bedienungstheke. So weit, so gut. Wie aber kann man den Service an der Bedientheke gewährleisten, wenn das Personal knapp wird? Das ist die Kernfrage der Podiumsdiskussion, die drei langjährige Praktiker beim LP-Fleischkongress bestritten haben: Christian Lamboley, 
Filialvertriebsleiter bei Edeka Kunzler im Saarland, Daniel Schulz, Inhaber E-Center Schulz in Unna, und Franz Sander, Serviceleiter bei Rewe Kramer in Recklinghausen.

In einem Punkt sind sich die drei Diskutanten einig: Ohne Theke verliert der Markt sein wichtigstes Alleinstellungsmerkmal. Diese trägt wesentlich zum Image der Verkaufsstätte bei, schafft eine Wohlfühlatmosphäre und übernimmt auch soziale Verantwortung. Bei der Frage, wie das Personal eingesetzt werden soll, scheiden sich allerdings die Geister. Christian Lamboley fordert, dass man einen Mitarbeiter zeitlich nur dann an der Theke einplanen soll, wenn er oder sie die Kosten mindestens wieder einspielt.

Faustformel für Gewinn
Er macht folgende Rechnung auf: Der Gesamtbruttostundenlohn inklusive aller Nebenkosten dient als Grundlage und wird mit einem Faktor von etwa 5 multipliziert. So kommt er in seinem Unternehmen auf rund 120 Euro Kosten pro Stunde. Dabei setzt er den Rohertrag mit 40, die Allgemeinkosten mit 10 Prozent an.

Seine Forderung lautet: Die Theke nur dann öffnen, wenn die 120 Euro in dieser Stunde auch tatsächlich umgesetzt werden. Eine spitzenmäßige Verkaufskraft kann durchaus Ware im Wert von 400 bis 500 Euro pro Stunde verkaufen – aber nur, ­wenn die Frequenz an der Theke stimmt, was grundsätzlich von Standort und Tageszeit abhängig ist.

Wenn aber zu den Randzeiten die 120 Euro nicht umsetzbar sind, will Lamboley die Bedientheken geschlossen halten und die Kunden zur SB-Ware lenken: „Sonst kostet das ein Vermögen!“

Franz Sander, der alle Bedienungstheken bei Rewe Kramer in Recklinghausen unter seinen Fittichen hat, widerspricht Lamboley: „Wir müssen flexibel sein, nicht der Kunde.“

Einsatzplanung ist anspruchsvoll
Er sieht sich selbst in der Pflicht, seine insgesamt 48 Thekenmitarbeiter sinnvoll einzuplanen. „Das ist wie Sudoku“, berichtet er, montags qualme ihm bei der Personaleinsatzplanung für die kommende Woche immer der Kopf. Während der ruhigen Zeit zwischen Mittag und Nachmittag plane er dann eben nur eine Person ein, zwischen 17 und 19 Uhr aber drei.

Und übrigens: Spätestens am Mittwoch kommen die ersten Änderungswünsche der Mitarbeiter, was die Einsatzplanung betrifft. Die Rechenformel, die Lamboley anwendet, kann Sander nachvollziehen, will sie in dieser Form aber nicht anwenden. Für ihn muss das Gesamtbild stimmen, außerdem die Zahl, die am Jahresende unter dem Strich steht.

Personal in den Fokus rücken
Wenn der Kunde kommt, aber keiner hinter der Theke steht, ist das für Daniel Schulz „tödlich“. „Das gibt kein gutes Bild ab“, weiß er. Selbst wenn das Personal in dieser Zeit im rückwärtigen Bereich Eigenproduktionen vorbereitet. Eine Möglichkeit, Präsenz zu zeigen, sind „Workstations“, also Arbeitsflächen an der Theke, an denen die Mitarbeiter Braten wickeln, Spieße stecken oder Rouladen rollen können – und der Kunde ihnen dabei zuschauen kann.

Schulz, der sein E-Center erst vor zwei Jahren eröffnet hat, sucht noch intensiv nach Mitarbeitern für die Bedienung. Sein Credo: „Aus der Wertschätzung für Mitarbeiter und Kunden entsteht Wertschöpfung.“ Dabei dürfe man in dieser Betrachtung die Kunden nicht vergessen, schließlich „bezahlen die unser Gehalt“.

Schulz, der vor der Selbstständigkeit viele Jahre lang als Vertriebsleiter bei Rasting tätig war, macht sich Gedanken, wie er gerade junge Menschen für die Arbeit hinter der Theke begeistern kann. Dabei sind „ein gutes Gehalt und 36 Tage Urlaub“ für ihn gesetzt. Aber wäre es nicht „eine geile Sache“, fragt er, „jungen Menschen eine Viertagewoche anzubieten?“

Die Idee dahinter: Wer von Montag bis Donnerstag arbeitet, hat dann im besten Fall frei bis zur nächsten Woche Mittwoch. Eine ideale Voraussetzung, um Freizeitaktivitäten nachzugehen.