Lokale Netzwerke Kooperation bringt neue Kunden

Wie sich regionale Hersteller und Start-ups durchsetzen und dabei die Marketingorganisationen der Bundesländer helfen können, war Thema eines Hintergrundgesprächs der LP in Mecklenburg-Vorpommern.

Freitag, 16. Februar 2024 - Management
Andrea Kurtz, Reiner Mihr und Silvia Schulz
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Bildquelle: Störtebeker Braumanufaktur

Das Angebot an Lebensmitteln in Deutschland ist breit und tief. Zu den rund 170.000 Produkten auf dem Mark kommen jährlich 40.000 neue. Doch nur ein Drittel davon etabliert sich erfolgreich am Markt. Wie innovativ sind Hersteller hierzulande? Sind junge Firmen innovativer als alteingesessene Hersteller? Was treibt sie an? Dies diskutierte die LP bei einem Hintergrundgespräch mit etablierten und jungen Lebensmittelherstellern aus Mecklenburg-Vorpommern.

These 1: Innovationen sind nötig
„Wer im Handel unterwegs ist, braucht Vielfalt“, betonte Tobias Blömer, Geschäftsführer der Rostocker Wurst- und Schinkenspezialitäten. „Verbraucher wollen Neues und Innovatives.“ Natürlich brauche es ein Grundsortiment und Produkte fürs Aktionsgeschäft, sonst würden Standardprodukte unglaubwürdig.

Martin Horst, Gründer und Geschäftsführer des 2016 gegründeten Eisherstellers Jackle & Heidi, widerspricht. Es brauche nicht „die siebzehnte Sorte Himbeermarmelade, aber Unverwechselbares, Authentisches, vor allem Regionales“. Anke Hacks von der 2020 gegründeten Inselmühle Usedom, einer Naturmanufaktur mit eigenem Anbau, eigener Verarbeitung und Veredelung, ergänzt: „Es kommt auch drauf an, wo man verkauft. Die Usedomer sind stolz darauf, dass es die Inselmühle und ihre vielen Produkte gibt. Die kaufen sich ein Stück Heimat. Und sie probieren gerne Neues.“ Dazu kämen die Urlauber, die nicht auf den Euro schauten und regionale Produkte in ganz Deutschland bekannter machten.

Elisa Raus von den Störtebeker Brauspezialitäten weist auf die unterschiedlichen Kundenwünsche hin. „Den Kunden gibt es nicht“, erläutert sie. Es gäbe Verbraucher, die keine neuen Produkte brauchten sowie die, die immer neugierig sind. Für Kristine Rönnpagel, Geschäftsführerin der Rostocker Schokoladerie de Prie, ist Handwerklichkeit das Erfolgsrezept: „Wir müssen viel mehr in den Manufakturcharakter reingehen, um dem Kunden zu zeigen, so machen wir das.“

These 2: Eine gelungene Innovation verknüpft Altes und Neues
„Altes muss sein und bewahrt werden“, fordert Martin Horst. Neues müsse aber auch sein. Die Aufgabe eines Herstellers sei es, vorauszuschauen und zu wissen, was Kunden morgen wünschen und wollen. „Innovation heißt: immer einen Schritt voraus zu sein“, befand auch Elisa Raus. Kunden müssten und wollten immer wieder aufs Neue überrascht werden. Dabei hätten es Start-ups mit Innovationen leichter, erläutert Tobias Blömer. „Sie sind agiler und müssen den etablierten Händler nicht erst überzeugen, da sie meist andere Vertriebswege beschreiten.“ Doch auch etablierte Hersteller müssten sich immer wieder neu erfinden, beschreibt er. „Wobei es schwierig ist, eine Wurst innovativ zu nennen“, gibt er zu.

Anke Hacks betont: „Ich muss den Kunden auf der emotionalen Seite abholen.“ Leidenschaft ist auch für Schokoladenfachfrau Rönnpagel das Stichwort. Diese müsse auf den Verbraucher überspringen. „Wenn er das Produkt schätzt und liebt, wird er es wieder kaufen“, sagt sie. Das heiße aber auch, mit neuen Geschmacksvariationen zu überraschen.

These 3: Hersteller brauchen Kooperationen
„Nur die Zusammenarbeit mit anderen Herstellern aus der Region sorgt für Zukunftsfähigkeit“, so Elisa Raus. Jackle & Heidi und Störtebeker hätten zum Beispiel ein Biereis auf den Markt gebracht. „Wenn es zum Beispiel im Störtebeker-Shop Kaffee von Schokoladerie dePrie gibt, ist das Umsatz, aber vor allem die beste Werbung für uns“, meint auch Rönnpagel. Zudem könne Regionalität auch ein Benefit für den Handel sein, meint Blömer: „Denn die Zusammenarbeit ist das beste Beispiel dafür, dass die Wertschöpfung – von den Zutaten bis zum fertigen Produkt – im Bundesland bleiben kann, und damit kann sich auch der Handel profilieren, vom Wettbewerber abgrenzen.“

These 4: Regionale Marken haben Zukunft
„Ein Grundproblem in Deutschland ist die fehlende Wertschätzung für Lebensmittel“, so Matthias Horst. Dem Bauern, der sein Unternehmen mit Milch beliefere, zahle er 1,15 Euro pro Liter. Damit sichere er seine Existenz. Deshalb sei ein Eis von Jackle & Heidi teurer, das sollte der Kunde transparent nachvollziehen können. „Als Marke müssen wir authentisch sein und Kunden neben einem guten Produkt mit interessantem Storytelling überzeugen“, sagt auch Elisa Raus. Störtebeker mache daher keine Preiskämpfe mit. „Nur so haben wir als Marke eine Chance“, meint sie. Doch eine regionale Marke müsse im LEH auffallen, betont Anke Hacks. „Das können und machen einige selbstständige Händler sehr gut, aber es ist zu selten und dann kommt die regionale Marke nicht an“, meint sie.

These 5: Regionale Hersteller haben Bestand
„Wir werden hier vor Ort weiterhin unsere Manufaktur und das Ladengeschäft betreiben und damit die Marke weiter vorantreiben“, ist sich Rönnpagel sicher. Als zweites Standbein wolle man sich als Lieferant für Großabnehmer wie Hotels oder Kreuzfahrtschiffe etablieren, vielleicht auch als Hersteller für Merchandisingprodukte. „Die starke Marke und unsere Firmengruppe werden uns klare Wettbewerbsvorteile verschaffen“, glaubt auch Tobias Blömer. Er werde gemeinsam mit den Handelspartnern Klassiker permanent aktivieren und zusätzlich Neuentwicklungen in die Regale bringen: „Auch in Sachen Tierwohl und Nachhaltigkeit werden wir uns permanent optimieren.“

Optimistisch und voller Pläne ist auch Anke Hacks: „Wir werden in den nächsten Jahren doppelt so viele Produkte anbieten wie heute. Wir werden deutschlandweit verkaufen, unser Onlinegeschäft ausbauen und auch über Deutschlands Ländergrenzen hinaus verkaufen. Wir werden sicher mehr Kooperationen in MV haben und unsere Schaumanufaktur vergrößern.“