Fachkräftemangel Kinder, Kinder!

Was tun gegen Fachkräftemangel? Wer als Unternehmen langfristig funktionieren will, muss sich den Bedürfnissen der Mitarbeiter anpassen. Ein oft unterschätztes Thema ist dabei das Kinderkriegen.

Freitag, 15. Juli 2022 - Management
Elena Kuss
Artikelbild Kinder, Kinder!
Bildquelle: Melitta

2021 kamen in Deutschland so viele Kinder zur Welt wie seit 1997 nicht mehr. Wer nicht auf gut eingearbeitete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verzichten will, muss sich also etwas einfallen lassen. Prof. Dr. Ulrike Detmers, geschäftsführende Gesellschafterin der Mestemacher-Gruppe, ist überzeugt: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.“ Bei Mestemacher gebe es seit Jahrzehnten die Möglichkeit, aus dem Homeoffice zu arbeiten. Auch während der Elternzeit könnten Mitarbeiter bis zu 30 Stunden beschäftigt werden. „Unsere Bäckereien-Leiterin ist gerade Gruppenleiterin geworden, und wenn sie jetzt ein Kind bekäme, (…) dann würden wir alles tun, damit das gelingt“, sagt Detmers im Podcast Regalplatz der Lebensmittel Praxis.

Unternehmen wie die Melitta Group bieten Betreuungsplätze für die Kinder von Mitarbeitern und Eltern-Kind-Arbeitszimmer mit ausreichend Platz zum Spielen für die Kleinen an. Stephanie Rodenberg, HR-Referentin bei Melitta, verspricht jedoch noch mehr: „Wir werden zukünftig einen noch stärkeren Schwerpunkt auf Angebote legen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fördern. Dazu haben wir erst vor Kurzem einen Elternguide ausgebildet und installiert.“

Faktor Familienfreundlichkeit
Wie wichtig es für Fachkräfte geworden ist, dass Unternehmen familienfreundlich sind, zeigt auch das werbewirksam platzierte Zitat der Melitta-Mitarbeiterin Cordula Sturhahn-Neuhaus auf der Unternehmensseite: „Ich kann trotz Teilzeit von zu Hause aus arbeiten. Das hat mir in vielen ‚heißen‘ Projektphasen oder dann, wenn meine Kinder krank wurden, geholfen. Eine Win-win-Situation für Melitta, meinen Arbeitgeber, und auch für meine Kinder.“

Doch es sind bei Weitem nicht mehr nur die Mütter, die die Kinderbetreuung übernehmen. Immer mehr Väter beteiligen sich. 2021 hat sich der Elterngeldbezug der Männer um 2,1 Prozent erhöht. Trotzdem bleibt die Verteilung ungleich: 2020 haben 72 Prozent der Väter die Mindestdauer von zwei Monaten Elternzeit genommen; 62 Prozent der Mütter mindestens 10 Monate Elternzeit beantragt. Als Grund wird oft mangelndes Verständnis des Arbeitgebers genannt.

Die repräsentative Studie „Aus der Corona-Krise lernen“ zeichnet ein anderes Bild: 78 Prozent der Unternehmen stimmten der Aussage zu, dass in der Krise deutlich wird, wie wichtig es ist, dass sich Väter an der Kinderbetreuung beteiligen, damit nicht nur Mütter ihre Arbeitszeiten reduzieren. Im Ergebnis arbeiten 22 Prozent der Väter mehr von zu Hause aus als vor der Corona-Krise. Und 10 Prozent geben an, dass sie bei der Einteilung von Arbeitszeiten flexibler seien.

Vorstoß der Regierung
Um die aktive Vaterschaft zu stärken, plant die Ampelregierung, nach der Geburt eines Kindes Partner oder Partnerin zwei Wochen vergütet freizustellen. „Die Einführung wird derzeit geprüft und erarbeitet, ein entsprechender Gesetzentwurf soll noch in diesem Jahr vorgelegt werden“, so das Bundesfamilienministerium.

Viele Arbeitgeber sind jedoch wenig begeistert. Ulrike Detmers hält den Vorstoß für nicht prioritär. „Ich bin für die Elternzeit“, so Detmers. Wenn die Freistellung der Partner durchgesetzt werden würde, müsse der Arbeitgeber sich damit natürlich arrangieren. „Aber wir müssen erst mal die Krisen stemmen, die da auf uns zukommen. Deshalb bin ich dafür, dass wir beim Status quo bleiben“, sagt Detmers. Annemarie Leniger, Geschäftsführerin der Ostfriesischen Tee Gesellschaft, findet die Freistellung prinzipiell gut. Die Arbeit müsse jedoch erledigt werden. „Wir haben etwa 20 Väter im Jahr, die dann statt 30 Tage im Jahr 40 Tage Urlaub haben. 200 Tage, 1.600 Stunden, die dann irgendwie ausgeglichen werden müssen“, rechnet Leniger vor. André Watzenberg von Väter PAL, Ansprechpartner für Unternehmen, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, kann die Skepsis der Arbeitgeber aus betriebswirtschaftlicher Sicht nachvollziehen. Er entgegnet: „Bei Müttern stellt sich das gleiche Problem der Vertretung beim Mutterschaftsurlaub und in der Elternzeit.“ Die Umsetzbarkeit werde dabei nicht hinterfragt.