Bio besser verkaufen Die dänische Schule

Die Dänen lieben Öko-Lebensmittel. Wir haben einigen der Bio-Weltmeister über die Schulter geschaut und Beispiele mitgebracht, wie der nordische Handel das grüne Sortiment pusht.

Montag, 10. Oktober 2016 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Die dänische Schule
„Gemeinsam für bessere Lebensmittel“ lautet der Slogan des Lebensmittelmanifests der Coop Danmark. Eines der sechs Versprechen: Bio für alle. Hierfür verzichtet Coop auf Teile seiner Margen.
Bildquelle: Jacob Rosenvinge für Organic Denmark

100 Prozent der Bevölkerung . Auf solch einen Bekanntheitsgrad kommt wahrscheinlich Angela Merkel, aber sicher kein Gütesiegel hierzulande. In Dänemark hat ein Bio-Label diese Höchstmarke erreicht. Das staatliche Öko-Siegel, ein prägnantes rotes Ø, kennt heute praktisch jedes Kind in unserem nordischen Nachbarland. Bereits seit Jahren verteidigt Dänemark erfolgreich den Titel „Bio-Weltmeister“. Aktuell liegt der Bio-Marktanteil im Lebensmittelhandel nach Angaben des Branchenverbands Organic Denmark bei 9,9 Prozent für das erste Halbjahr 2016.

Noch viel Luft nach oben, meinte die letzte Regierung. Sie kündigte Anfang 2015 an, die Bio-Anbauflächen bis 2020 im Vergleich zu 2007 verdoppeln sowie den Absatz von Bio-Produkten im Inland und den Export fördern zu wollen. Der Anteil von Bio-Lebensmitteln in öffentlichen Mensen und Kantinen soll zudem bis 2020 60 Prozent betragen. Die heimischen Supermarktketten ziehen mit und kurbeln über unterschiedliche Aktionen und Maßnahmen ihre Bio-Umsätze an.

Wie aufmerksamkeitsstark das staatliche Öko-Label am PoS in Szene gesetzt werden kann, macht u. a. die Dansk Supermarked Group in ihren Märkten (Netto, Føtex) vor. Auf Regalschildern sowie als große Deckenhänger leitet es den Kunden durch die Märkte und zieht ihn regelrecht zum Regal. Zweitplatzierungen an umsatzstarken Positionen können den Umsatz verdreifachen. „Wir platzieren die Top-Seller aus dem Bio-Trockensortiment gebündelt auf mehreren Gondelköpfen, um über diese Zweitplatzierungen insbesondere den ‚Heavy Usern‘ einen Service zu bieten“, erklärt Michael Askgaard, Leiter des Warenhauses Føtex Storcenter Nord in Aarhus.

Seit Anfang 2016 generiert er vor allem über ein neues Angebot hohe Umsatzsteigerungen bei Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau. Büros können über Click & Collect Obstkisten ordern – zur Verfügung steht ausschließlich Öko-Ware. 50 Bestellungen werden bereits pro Woche abgewickelt – ein Umsatzplus für Bio-Obst von rund 84 Prozent seit Januar. Dansk Supermarked setzt zudem auf Preis-Aktionen: Jeden ersten Samstag im Monat werden die Preise aller Bio-Artikel um 20 Prozent gesenkt. Vor allem für hochpreisige Artikel wie Bio-Fleisch senken die Angebote die Kaufhürde.

Weg von solchen Preisaktionen ist Coop Danmark (1.200 Märkte unter verschiedenen Vertriebslinien wie Superbrugsen, Dagli Brugsen, Irma, Kvickly, Fakta). Das Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, seine Bio-Umsätze bis 2020 auf 10 Mrd. DKK (etwa 13 Mrd. Euro) zu verdoppeln (im Vergleich zu 2014). Heute steht der Konzern für rund 50 Prozent der Öko-Umsätze im Lebensmittelhandel, entsprechend kommt dem Aktionsplan eine hohe Bedeutung zu.

„70 Prozent unserer Kunden kaufen Bio-Lebensmittel mindestens einmal im Monat. Bio-Kunden sind eine sehr wertvolle Zielgruppe, da sie ein breiteres Konsumspektrum und größere Einkaufskörbe haben sowie bereit sind, Premiumpreise für Qualität zu bezahlen“, erklärt Thomas Roland, Leiter der CSR-Abteilung von Coop Danmark, den Fokus auf die Kundengruppe. Um das hoch gesteckte Ziel zu erreichen, greift Coop auf eine Reihe von Maßnahmen zurück. So verzichtet der Konzern auf einen Teil seiner Margen und investiert zwischen 2015 und 2020 jährlich 200 Mio. DKK (rd. 27 Mio. Euro) in die Senkung der Preise für Bio-Produkte.

Ein neuer Fokus liegt auf den ländlichen Gebieten. „Wir waren zu konservativ, haben das Potenzial für Bio-Produkte auf dem Land lange unterschätzt“, sagt Roland. Dieser Fehler wurde jüngst korrigiert – mit Erfolg. Aufgrund der Neueinführung bzw. deutlichen Erweiterung der Bio-Sortimente z. B. in den Nahversorgermärkten der Kette Daglibrugsen sind die ländlichen Standorte derzeit die Treiber des Bio-Wachstums innerhalb des Konzerns.

Neue Vermarktungsideen testen und zugleich die eigenen Kaufleute motivieren, mehr Bio zu verkaufen, das gelingt z. B. durch den Coop-internen Wettbewerb um den Titel „Ökologischster Supermarkt“. Jedes Jahr können sich die Märkte der Coop zwei Wochen lang kreativ austoben und Maßnahmen ausprobieren, wie sie ihre Bio-Absätze ankurbeln können. Während des diesjährigen Wettbewerbs erreichten die Märkte im Schnitt ein Bio-Wachstum von 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Zur ganzjährigen Basisarbeit gehört die richtige Sortimentsstrategie. Welche Warengruppen zu den „Bio-Einstiegsdrogen“ zählen und welche mit zunehmendem Öko-Interesse zusätzlich in den Einkaufskorb gelangen, visualisiert Coop anhand seiner Bio-Treppe (siehe S. 26). Einige Produkte gibt es mittlerweile ausschließlich in Bio-Qualität. Bei Irma sind dies z. B. Mehle, Bananen, Zitronen und Möhren. Auch über Produktinnovationen sollen Kunden begeistert werden. „Wir haben mit der Bio-Molkerei Thise vor rund zwei Jahren eine ganz neue Produktkategorie entwickelt, als wir Skyr als erste in Dänemark einführten“, berichtet Roland. Heute ist Skyr eines der wichtigsten Molkereiprodukte in Dänemark. Mit „Thise & Ko“ (Kuh) will Coop an die Erfolgsgeschichte anknüpfen. „Unter dem Namen vermarkten wir nun erstmals aktiv Fleisch von Kälbern aus der Milchwirtschaft, die eigentlich ein Beiprodukt sind“, erklärt der CSR-Chef.

Noch liegt der durchschnittliche konzernweite Bio-Anteil bei Coop bei rund 10 Prozent – je nach Kette variieren die Anteile zwischen 8 (Discounter Fakta) und 30 Prozent (Irma). Bio-Primus Irma soll bis 2025 einen Anteil von im Schnitt 50 Prozent erreichen. Dass dies möglich ist, zeigen einzelne Läden, die bereits jetzt diese Marke erreicht haben.

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