Interview Werner Schulte - Kuchenmeister „Der Markt bietet noch viel Luft nach oben"

Werner Schulte, Geschäftsleitung Marketing und Vertrieb bei Kuchenmeister, sieht für Fertigkuchen noch viel Potenzial im deutschen LEH.

Sonntag, 05. Juni 2011 - Hersteller
Reiner Mihr und Susanne Klopsch
Artikelbild „Der Markt bietet noch viel Luft nach oben"
Bildquelle: Hoppen

Spannende Zeiten für die Hersteller von Fertigkuchen: Durch den Einstieg von Dr. Oetker in das Segment und die verstärkten Aktivitäten etablierter Hersteller ist der Markt in Bewegung geraten. „Das wird allen gut tun", ist sich Werner Schulte sicher, Geschäftsleitung Marketing und Vertrieb bei Kuchenmeister: „Warum soll der Kuchenmarkt in zehn Jahren nicht doppelt so groß sein?"

Der Markt für Fertigkuchen im LEH ist durch den Einstieg neuer Wettbewerber bzw. die verstärkten Aktivitäten etablierter Marktteilnehmer stark in Bewegung geraten. Gibt der Markt überhaupt so viel her?
Werner Schulte: Ich sehe prinzipiell keine sichtbare Marktbegrenzung für diesen Bereich. Für mich spricht nichts dagegen, dass der Kuchenmarkt in zehn Jahren doppelt so groß sein könnte. Er hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt, weil die Verbraucher wahrgenommen haben, dass sich die Qualität der Produkte erheblich verbessert hat. Gleichzeitig wurde die Genussleistung verbessert. Ich bin mir sicher: Je mehr Qualität beim Verbraucher ankommt, umso stärker wird der Markt wachsen.

Wie viel Luft gibt es denn noch nach oben im Markt?
Sie dürfen nicht vergessen: Wir sprechen hier über den mehrere Milliarden Euro großen Süßwarenmarkt. Warum sollte sich der Fertigkuchenmarkt nicht Marktanteile vom Süßwarenmarkt abgreifen? Das hängt nur davon ab, wie gut wir unseren Job machen. Kekse und Kuchen oder andere Süßwaren können gleichermaßen zum Kaffee oder zu ähnlichen Gelegenheiten gegessen werden. Selbstverzehr im Kreise der Familie oder allein: Die Verwendungszwecke ähneln sich doch sehr. Ich sehe die Begrenzung durch die Präferenz des Verbrauchers. Und die bestimmen auch wir mit: durch unsere Qualität und unsere Angebotsformen. Und was den Eintritt von neuen Marktteilnehmern angeht, werden wir eigentlich das tun, was wir immer getan haben: Wir werden unsere Qualität noch weiter entwickeln und dem Handel wirtschaftlich sinnvolle Angebote machen.

Kuchenmeister produziert die Dr.-Oetker-Fertigkuchen: Was bedeutet das für die Marke Kuchenmeister?
Kuchenmeister ist eine Marke für den Preiseinstieg bis Mittelpreissegment, das obere Mittelpreissegment bis zum höherpreisigen Bereich wird von Bahlsen abgedeckt, Dr. Oetker ist eher im höherpreisigen Bereich anzusiedeln. Das wird der Marke Kuchenmeister nicht schaden. Anders ist es mit den verstärkten Aktivitäten des Handels in Richtung Eigenmarken: Hier müssen wir am Ball bleiben und durch innovative und hochwertige Produkte in verschiedenen Preisklassen und Angebotsformen Zeichen setzen.

Dr. Oetkers Markteintritt wird dem Markt im LEH also einen spürbaren Push geben?
Ganz klar. Es werden neue Kunden an das Kuchenregal im Einzelhandel herangeführt, und das wird letztlich allen Marktteilnehmern etwas bringen. Wir wissen aus der Marktforschung, dass das Segment über viele Jahre unter einem schlechten Image bei den sogenannten Qualitätsverwendern gelitten hat. Durch den Einstieg der beim Verbraucher sehr hoch angesehenen Marke Dr. Oetker, mit der auch eine große Backkompetenz verbunden wird, werden auch anspruchsvollere Verbraucher, die bisher nicht kaufenden Kunden für das Angebot im LEH sensibilisiert. Wie gesagt: Das hilft allen im Markt.

Kannibalisierungen mit anderen Segmenten des Backwaren-Marktes bzw. bloße Umverteilungen befürchten Sie nicht?
Wir sprechen hier von verschiedenen Convenience-Graden. Das Selberbacken hat für den Konsumenten eine emotional andere Bedeutung. Das ist dann eher der Anlasskonsum im Sinne eines Sonntagskuchens. Für den Folienkuchen brauche ich keinen besonderen Anlass, ich brauche nicht mal Gäste. In diesem Zusammenhang ist die Vorratshaltung auch noch ein ganz wichtiges Thema: Sie haben einen Kuchen in nahezu frisch-gebackener Qualität im Hause, der verzehrfertig ist.

Ist Bio ein Kaufargument für Fertigkuchen? Und wie sieht es mit Clean Label aus?
Bio hat sich im Kuchenmarkt nicht durchgesetzt. Bei Clean Label sieht es schon anders aus. Wir verzichten so weit wie möglich auf Zusatzstoffe. Das ist für viele Kunden wichtig. Denn je näher wir an die handwerklichen, hausfraulichen Rezepturen der Kuchen gelangen, umso mehr Erfolg werden wir beim Kunden haben. Den Verzicht auf Zusatzstoffe haben wir so weit umgesetzt, wie es für die Qualität zuträglich ist.

Wenn der Markt noch weiter wachsen soll, müssen Sie sicher auch investieren. Wo sehen Sie denn überhaupt noch Stellschrauben, um diesem Anspruch gerecht werden zu können?
Es sind viele kleine Stellschrauben, ein hoher Entwicklungsaufwand, technische Investitionen und Innovationsfreude. Backen ist letztlich ein sehr komplexes Handwerk. Ich glaube, wir sind im Laufe der Jahre durch kontinuierliche Weiterentwicklung mit unseren Kuchen inzwischen sehr nahe an das Attribut „wie selbstgebacken" herangekommen. Wir stecken viel Geld in die Weiterentwicklung der Technik. Das hat auch viel mit unserer Struktur als inhabergeführtes Familienunternehmen zu tun. Das Geld wird wieder ins Unternehmen investiert.

Wie viel investieren Sie denn im Jahr in neue Techniken?
2010 hat Kuchenmeister fast 16 Mio. Euro in die Standorte investiert. In diesem und im nächsten Jahr sind circa 20 Mio. Euro geplant. Das Geld fließt u. a. in den Neubau einer Produktionshalle samt Maschinen.

Wie wichtig sind Lizenzprodukte?
Diese Kooperationen sind ein wichtiger Bestandteil unseres Basis-Geschäfts, das Potenzial hat und in vielen Fällen die Kategorie vorangebracht hat. Wir bleiben auf jeden Fall weiter dran. Die Kooperation mit Nestlé bei der Marke Yes ist sicherlich die wichtigste Aktivität in diesem Zusammenhang: Kuchenmeister hat Produktion und Vertrieb des seit April wieder ganzjährig erhältlichen Kultprodukts übernommen.

Hat der Handel das Potenzial erkannt, das ihm das SB-Kuchenregal bietet?
Für den Handel ist dies im Grundsatz eine einfache Produktgruppe. Anspruchsvoll ist sie allerdings im Vergleich mit dem Süßgebäckregal durch die geringere Restlaufzeit der Kuchen. Diese liegt teilweise zwischen 28 und 35 Tagen. Die Kontrolle der Restlaufzeiten ist daher sehr wichtig. Grundsätzlich bin ich aber auch überzeugt, dass mit dem SB-Regal für Fertigkuchen noch mehr Geld zu verdienen ist und es ein Frequenzpunkt sein kann für sehr unterschiedliche Kundengruppen. Nach meiner Ansicht kann es auch von den Backshops des Handels profitieren, weil neue Kunde an die SB-Regale gebracht werden.

Die Preise für die wesentlichen Rohstoffe für Kuchen sind stark gestiegen: Wie kann ein Mittelständler reagieren?
Wir haben Preiserhöhungen durchsetzen müssen. Denn: Wir dürfen weder an Rohstoffen sparen noch an Rezepturen. Gleichzeitig automatisieren wir weiter die Produktionsprozesse so, dass Effizienz und Produktqualität gleichermaßen erreicht werden. Wesentlich ist auch, dass wir die qualifizierten Mitarbeiter an uns binden, denn auch das stärkt Qualität.

Kuchenmeister hat sich in den vergangenen zwei Jahren stark dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet. Gibt es neue Projekte?
Gemeinsam mit wichtigen Kunden arbeiten wir an einem Projekt, um in der Rohstoff-Produktion auf Palmöl umsteigen zu können, das nachvollziehbar zertifiziert ist. Wir sind derzeit dabei, mit den Lieferanten Standards zu definieren. Das kann man allerdimgs nur gemeinsam umsetzen. Deshalb engagiert sich Kuchenmeister auch so stark im Zentrum für nachhaltige Unternehmensführung ZNU der Uni Witten-Herdecke. Wir wollen gemeinsam nach Märkten suchen. Außerdem wollen wir den Dialog über das Thema Nachhaltigkeit und seine Umsetzung in der Praxis fördern. Und da müssen wir gemeinsam nach Lösungen suchen, ein Unternehmen allein kann das nicht.

{tab=Zur Person}

Der 46-jährige Werner Schulte, Geschäftsleitung Marketing und Vertrieb, ist seit neun Jahren bei Kuchenmeister. Der Diplom-Kaufmann war zuvor unter anderem für Eckes und Ferrero tätig. Der begeisterte Segelflieger ist verheiratet und hat zwei Kinder.

{tab=Zum Unternehmen}

Familie Trockels gründete das Unternehmen 1884. Derzeitiger Geschäftsführer ist Hans-Günter Trockels. Das Stammwerk ist in Soest, zwei weitere Produktionsstätten in Mettingen bei Osnabrück und in Duingen bei Hannover. 2010 erwirtschafteten die ca. 1.000 Mitarbeiter einen Umsatz von 230 Mio. Euro (2009: 220 Mio. Euro). Das Sortiment (rund 500 Produkte) umfasst unter anderem Frische-Torten, Tortenböden, Blechkuchen, Folienkuchen, Bisquitrollen, Milchbrötchen, Baumkuchen sowie Saisonartikel wie Stollen. 55 Prozent der im vergangenen Jahr produzierten 90.000 t werden unter der Marke Kuchenmeister angeboten, 31 als Handelsmarke, Industriemarken machen 14 Prozent der Produktionsmenge aus.

{tab=Bild}

Werner Schulte, Geschäftsleitung Marketing und Vertrieb Kuchenmeister