Händlerumfrage zum Thema Nachhaltigkeit Umsatzbringer Nachhaltigkeit

Der Lebensmittelhandel brennt aktuell ein Feuerwerk an Nachhaltigkeits-Aktionen ab. Welche Erfahrungen machen die Händler auf der Fläche? Die LP hat nachgefragt.

Donnerstag, 20. September 2012 - Management
Bettina Röttig
Artikelbild Umsatzbringer Nachhaltigkeit
Interesse an nachhaltigen Produkten
Bildquelle: iStockphoto

Grüne Wochen im Lebensmittel-Einzelhandel: Verantwortungsvoll einkaufen und für den guten Zweck spenden im Rahmen der Rewe Nachhaltigkeitswochen, Sparen an nachhaltigen Produkten bei Penny (Jeder Penny für die Zukunft), den fairen Handel unterstützen bei Netto. Nahezu mit dem Dampfhammer wurde das Thema Nachhaltigkeit und die Botschaft „Tue Gutes: kaufe nachhaltig“ deutschen Verbrauchern in den vergangenen Wochen vom Lebensmittelhandel eingebläut. Angesetzt wird dabei bereits bei den Kleinen. Sie werden spielerisch an Umweltthemen herangeführt, können aktuell beispielsweise Tierbilder sammeln mit Edeka und dem WWF oder die Welt erkunden mit dem Rewe Stickeralbum Unsere Erde.

Nachhaltigkeit „aus der Nische holen“ und im Alltag von Konsumenten verankern. Mit rund 40 Mio. Kundenkontakten pro Woche sieht sich die Rewe Group prädestiniert für diese Aufgabe. Das wurde während des dritten Dialogforums der Kölner zum Thema Nachhaltigkeit immer wieder betont. Vor allem die eigenen Händler und Mitarbeiter wolle man noch stärker für das Thema begeistern.

Doch wie ist es tatsächlich um das Interesse der Verbraucher rund um das Thema Nachhaltigkeit bestellt? Was erleben Händler in ihren Märkten und wie engagieren sie sich selbst? Die LEBENSMITTEL PRAXIS hat bei Marktleitern und selbstständigen Kaufleuten nachgefragt.

96,7 Prozent der befragten Händler beobachten bei ihren Kunden ein wachsendes Interesse an nachhaltigen Produkten.

Erstes Erfolgs-Ergebnis der Blitzumfrage: Das Interesse der Verbraucher an nachhaltigen Produkten wächst. Knapp 97 Prozent der befragten Händler konnten diese Beobachtung machen. Insbesondere auf Sortimentsebene schlägt sich das wachsende Interesse in Zahlen nieder. So verzeichnet die Mehrheit (90,3 Prozent) der Kaufleute vor allem eine gestiegene Nachfrage nach Bio-Produkten. Auch Regionalität steht bei den Verbrauchern hoch im Kurs. 87 Prozent der Befragten vermelden wachsende Absätze in diesem Segment. Bei vielen Händlern (58 Prozent) gehen vor allem mehr und mehr Fairtrade-zertifizierte Produkte und MSC-zertifizierte Fischerzeugnisse über den Ladentisch. Zudem beobachtet ein Teil der Händler (38,7 Prozent) allgemein einen höheren Informationsbedarf rund um nachhaltige Themen seitens der Verbraucher.


Und wie sieht es bei den Marktmanagern selbst aus? Was von der Zentrale vorgegeben wird, muss noch lange nicht der persönlichen Einstellung des einzelnen Händlers auf der Fläche entsprechen. Allein das überstrapazierte Wort „Nachhaltigkeit“ lässt so manchen mittlerweile rot sehen. Die LP-Umfrage machte jedoch deutlich: Nachhaltigkeit ist bei den Einzelhändlern angekommen, wird auf der Fläche gelebt und mit Engagement vorangetrieben.

Für knapp 90 Prozent der Einzelhändler ist Nachhaltigkeit „wichtig“ oder „enorm wichtig“.

Für rund 51 Prozent der befragten Kaufleute ist Nachhaltigkeit nach eigenen Angaben „enorm wichtig“. Sie setzen sich aktiv dafür ein. 38,7 Prozent halten nachhaltige Themen immerhin für „wichtig“ und versuchen, sich aktiv zu engagieren. Eine kleine Gruppe (6,5 Prozent) wertet das Thema Nachhaltigkeit jedoch als Marketing-Gag einiger Unternehmen.

In ihren Märkten zeigen die Händler auf verschiedene Weise aktives Engagement, das oft über die zentralgesteuerten Aktionen hinaus geht. So setzen zahlreiche (58,1 Prozent) der Befragten auf herausgehobene Produktpräsentationen, um Kunden die Ware näher zu bringen. Vor allem regionale, Bio- und Fairtrade-Produkte werden nach Angaben der Marktmanager dabei ins Licht gerückt. In einigen Märkten sorgen eigene Regalstopper und Beschilderungen für Orientierung. Um das komplexe Thema zu erklären, stellen die Märkte ihren Kunden umfangreiche Informationen zur Verfügung, vor allem in Form von Handzetteln und Info-Broschüren. Infostände von regionalen Bauern oder auch Greenpeace waren ebenfalls unter den Beispielen. Persönliche Gespräche mit den Kunden seien besonders wichtig, betonen mehrere Interviewte. Hierfür wird in die Schulung der Mitarbeiter investiert. Auch Verkostungsaktionen und Kundenabende werden gerne zum Anlass genommen, Verbrauchern das Thema nahe zu bringen.

Verschafft der Lebensmittelhandel mit nachhaltigen Angeboten, ökologisch verträglichen und sozialgerechten Produkten auch ein gutes Gewissen, stellt sich dabei dennoch stets die Frage: Was ist mit der dritten Säule der Nachhaltigkeit, der ökonomischen Dimension?

89,7 Prozent der Händler ist sich sicher: ihre Kunden sind bereit, einen höheren Preis für Produkte zu zahlen, die einen positiven Beitrag zu Umwelt und Gesellschaft leisten. Bei der Schmerzgrenze gehen die Einschätzungen jedoch auseinander: Knapp 52 Prozent der Händler sehen diese bei einem Preisaufschlag von maximal 10 Prozent, gut 20 Prozent sind der Meinung, ihre Kunden würden maximal 5 Prozent mehr zahlen, für weitere 20 Prozent dürfen die Produkte höchstens 15 Prozent teurer sein und knapp 7 Prozent sind sich sicher, Verbraucher akzeptieren sogar Aufschläge, die darüber hinaus gehen (siehe Grafik).

Mit welchen nachhaltigen Produkten der Lebensmittel-Einzelhandel auch künftig bei seinen Kunden punkten kann, welche Beiträge zum Thema Umweltschutz und Soziales von der Ernährungsbranche geleistet werden und welche Themen im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategien der Unternehmen im Fokus stehen, lesen Sie auf den folgenden Seiten unseres Schwerpunktthemas.

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Bild öffnen Händlerbefragung zum Thema Nachhaltigkeit (Bildquelle: iStockphoto)
Bild öffnen Interesse an nachhaltigen Produkten
Bild öffnen Aufschlag für nachhaltige Produkte