Recycling Strategie Neue Dimensionen

Die stoffliche Wiederverwertung von Verpackungen wird angesichts immer teurer und zum Teil knapper werdenden Rohstoffe zur strategischen Frage.

Mittwoch, 15. September 2010 - Management
Bernd Liening

Bei der oft kritischen Diskussion über vermeintlich überflüssige Verpackungen wird häufig unterschlagen, dass Verpackungen kein Selbstzweck sind, sondern vielfältige und unverzichtbare Funktionen erfüllen. Sie schützen Lebensmittelprodukte vor Verderb und gewährleisten ihre Sicherheit von der Herstellung über Lagerung und Vertrieb bis hin zum Verbrauch. Sie vermitteln den Konsumenten vom Gesetzgeber vorgeschriebene wesentliche Informationen wie Nährwertangaben. Darüber hinaus tragen Verpackungen erheblich dazu bei, das Aufkommen von Lebensmittelabfällen zu reduzieren, weil erst sie die Lagerfähigkeit und lange Haltbarkeitsdauer gewährleisten.

Dass die Abfallproblematik der Verpackungen nur die eine Seite der Medaille ist, veranschaulicht ein Blick auf die Situation in den Entwicklungsländern. Nach Zahlen des Bundesverbandes der Ernährungswirtschaft (BVE) haben dort sogenannte „Nach-Ernteverluste“ aufgrund von unzureichenden oder überhaupt nicht vorhandenen Verpackungen eine Größenordnung zwischen 25 und 30 Prozent. In industrialisierten Ländern wie Deutschland mit modernen Verpackungstechnologien beträgt die Quote lediglich 2 bis 3Prozent.Zahllose Beispiele in der gesamten Ernährungs- und Konsumgüterindustrie belegen, welche Fortschritte bei der generellen Reduzierung von Verpackungsmaterial und beim Einsatz neuer Verfahren gemacht wurden und werden. Bei Mars Deutschland zum Beispiel stehen beim Einsatz von Papier die Prinzipien Wiederverwertung und Reduktion sowie eine fortlaufende Hinterfragung des Status quo und eine kontinuierliche Prozessoptimierung im Vordergrund. Bereits 2008 waren 65 Prozent des verwendeten Papiers recycelt, vor allem Transportverpackungen. Noch in diesem Jahr soll der Anteil auf 80 Prozent erhöht werden. Zeitgleich will Mars das Aufkommen seiner Verkaufsverpackungen um zehn Prozent reduzieren.

Von der ersten Produktidee über die Produkt- und Verpackungsentwicklung bis zur Wiederverwertung oder Entsorgung der Verpackungen: Bei Dr. Oetker werden auf allen Stufen des Produktlebenszyklus die Umweltauswirkungen berücksichtigt und im Vorfeld Maßnahmen entwickelt, um Belastungen so gering wie möglich zu halten. Bereits bei den Verpackungen der Rohware wird in Zusammenarbeit mit den Lieferanten das Material so weit wie möglich reduziert – etwa durch die Anlieferung in Silofahrzeugen, durch Big Bags und Tanks. Bei den Verkaufsverpackungen kommen neben Glas, Kunst- und Verbundstoffen vor allem Pappe und Papier zum Einsatz.

Wie in jedem Produktionsbetrieb fallen auch in den Oetker-Werken mehrere Arten von Abfällen an, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechend nach „Abfällen zur Beseitigung“ oder „Abfällen zur Verwertung“ unterschieden werden. Mit großem Aufwand werden bis zu 30 verschiedene Abfallfraktionen getrennt. Dabei stellt ein Farbtrennsystem die Übersichtlichkeit sicher. Auf den Werksgeländen sind optisch gut zu unterscheidende Behältnisse zur Abfalltrennung aufgestellt. Anschließend werden die Abfälle nochmals nachsortiert und dem Stoffkreislauf als Rohstoff zurückgeführt. Der Anteil der „Abfälle zur Beseitigung“ am Gesamtabfallaufkommen konnte so nach Unternehmenszahlen kontinuierlich verringert werden.


Viel brisanter als bei Verpackungen, die entweder aus nachwachsenden Rohstoffen (Papier, Pappe) bestehen oder in größerem Umfang gesammelt und recycelt werden, ist die Notwendigkeit zur stofflichen Wiederverwertung bei anderen Produkten und Materialien. Aus diesem Grund treibt die Europäische Kommission aktuell eine europaweit abgestimmte Rohstoffpolitik voran. Ein neuer Bericht stellt bei 14 für Hightech-Produkte unverzichtbaren Rohstoffen, darunter Beryllium, Kobalt und Magnesium, eine drohende Knappheit fest. Als Problem gilt, dass der Großteil davon aus nur vier Ländern kommt: China, Russland, Brasilien und Kongo. Da sich die Nachfrage nach den Edelmineralien mittelfristig verdreifachen wird, müsse sehr viel konsequenter Recycling betrieben und so sparsamer mit den wertvollen Rohstoffen umgegangen werden, warnt der Bericht.
Das ist auch der Ansatz des BVSE-Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. „Angesichts knapper werdender Rohstoffreserven nehmen die Gewinnung von Sekundärrohstoffen und deren stoffliche Verwertung volkswirtschaftlich an strategischer Bedeutung zu.“

Nach Ansicht des BVSE wird daher die Sekundärrohstoffversorgung der Industrie zukünftig zu einem wichtigen, „vielleicht sogar zu einem entscheidenden Faktor“ für die weltweite Industrielandschaft. Es liege auf der Hand, betont BVSE-Präsident Burkhard Landers, dass das die ureigenste Aufgabe und Verpflichtung der privaten und mittelständischen Sekundärrohstoffbranche sei. Landers: „Ziel muss es sein, Ressourcen so zu nutzen, dass wir sie gebrauchen, aber möglichst nicht verbrauchen.“ Erforderlich seien dafür jedoch gesicherte Stoffströme hinsichtlich der Quantität und vor allem auch der Qualität, damit eine wirtschaftlich sinnvolle Substitution von Primärrohstoffen ermöglicht werden kann. Dazu gehöre dann aber auch, betonte Landers, dass der Einsatz von Sekundärrohstoffen für die Industrieproduktion deutlich gesteigert werde. Hier gebe es noch viel Potenzial, das noch brach liege. Und hier wird der Einzelhandel als „Inverkehrbringer“ der Hightech-Produkte und mit seinem direkten Kontakt zum Konsumenten wie bei allen Recyclingsystemen in die Pflicht genommen werden. EU will die Rohstoffpolitik künftig europaweit absprechen.

Kreislauf-Wirtschaft

In Deutschland hat sich sehr viel getan, um unnötige Verpackungen zu vermeiden und unumgängliche Verpackungen zu reduzieren und wiederzuverwerten. Grundsätzliche Zielsetzung ist es, in allen Betrieben der Ernährungswirtschaft, Verpackungslösungen zu entwickeln, die zu geringst möglichem Verpackungsgewicht und -volumen führen, die aktuelle, umweltschonende Materialien und -verfahren berücksichtigen und die Wiederverwertbarkeit der Verpackungen und ihre Eignung für bestehende Verwertungssysteme erhöhen. Mit der Verpackungsverordnung wurde die Wirtschaft im Jahr 1991 erstmals verpflichtet, Verpackungen nach Gebrauch zurückzunehmen und einer Verwertung zuzuführen. Die Aufnahme dieses Prinzips der abfallwirtschaftlichen Produktverantwortung für Hersteller und Vertreiber war der wesentliche Ansatz für die mit der Verordnung eingeleitete Trendwende zur Reduzierung des Verpackungsaufkommens. Durch die seinerzeitige Gründung der Duales System Deutschland GmbH (DSD) hat die Ernährungsindustrie ihren Beitrag zur Etablierung einer flächendeckenden Erfassung und für die Kreislaufwirtschaft geleistet.

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stabil und aus nachwachsenden Rohstoffen: Wellpappe ist der Stoff, aus dem die meisten Verkaufs- und Transportverpackungen sind.