Beliebter denn je Alkoholfreies Bier

Alkoholfreie Biere erleben einen neuen Aufschwung. Ein Grund dafür ist die gestiegene geschmackliche Qualität.

Mittwoch, 22. Februar 2012 - Warenkunden
Tobiass Dünnebacke
Artikelbild Alkoholfreies Bier
Es gibt zwei Wege, alkoholfreies Bier herzustellen.
Bildquelle: Hoppen

Alkoholfreies Bier hatte über viele Jahre einen schlechten Ruf und galt als keine geschmackliche Alternative zu „echtem“ Bier. Grund war der technische Stand der Brauwirtschaft in den 1980er- und 1990er-Jahren. Meistens gelang es nicht, nach der Entalkoholisierung den kräftigen Geschmack eines guten alkoholhaltigen Bieres zu erhalten. Der Gerstensaft ohne Prozente fristete daher eher ein Nischendasein, und der Markt wurde in erster Linie von einer Marke dominiert. Diese Zeiten sind vorbei. In den letzten Jahren sprangen immer mehr Brauereien auf den Zug auf. Von den großen Marken gibt es kaum noch eine, die nicht auch als alkoholfreie Variante in den Getränkemärkten zu finden ist. Grund ist die gestiegene Nachfrage der Verbraucher. Und dieser Durst wird gerne bedient, hadern doch die Brauereien mit dem kontinuierlich sinkenden Pro-Kopf-Verbrauch bei klassischen Bier-Sorten. Die Gründe für die wachsende Beliebtheit sind vielfältig: Niedrigere Promillegrenzen im Straßenverkehr und Alkoholverbote am Arbeitsplatz gehören dazu. Manche wollen auch einfach den Bier-Geschmack erleben, ohne am nächsten Morgen dafür die Quittung zu bekommen. Aber wie wird alkoholfreies Bier eigentlich hergestellt und wie konnte die geschmackliche Qualität verbessert werden? Gerade weil ein guter Geschmack schwer zu realisieren ist, lassen sich die großen Bier-Brauer nicht gern in die Karten gucken. Die LEBENSMITTEL PRAXIS fand trotzdem einen Experten aus der Branche, der es uns erklärte.

Die Herstellung

Alkoholfreies Bier wird zunächst wie jedes andere deutsche Bier nach dem Reinheitsgebot aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe gebraut. Das Malz kann dabei aus verschiedenen Getreidesorten gewonnen werden. Die in Deutschland gebräuchlichsten sind Gerste und Weizen (Weißbier oder Weizenbier). Dem Reinheitsgebot für Bier entsprechend, basiert der Brauprozess ausschließlich auf natürlichen, biochemischen Vorgängen.

Der erste Schritt ist das Mälzen. Dabei wird das Getreide in der Mälzerei mit Wasser versetzt und zum Keimen gebracht. Dabei werden im Korn auf natürliche Weise Enzyme mobilisiert, die zum einen die Gerstenstärke in eine lösbare Form überführen, und die zum anderen, später im Sudhaus beim Maischen, zur Verzuckerung der gelösten Stärke genutzt werden. Nach rund einer Woche wird das Malz getrocknet und geschrotet. Danach wird beim sogenannten Einmaischen erneut Wasser zugegeben. Durch Erhitzung entsteht in der Maische aus der Stärke mit Hilfe der Enzyme der sogenannte Malzzucker. Beim Brauvorgang wird Hopfen hinzugegeben und in der sogenannten Sudpfanne kurze Zeit gekocht. Im Gärkeller wird schließlich der in der Maische enthaltene Malzzucker durch die Bierhefe vergoren. Dabei bilden sich auf rein natürlichem Wege Alkohol und Kohlensäure.


Die Hefe ist ein zur Gattung der Pilze gehörender Mikroorganismus, der bei Anwesenheit von Sauerstoff den Stoffwechselvorgang der Atmung zur Energiegewinnung. Fehlt Sauerstoff erfolgt die Energiegewinnung der Hefe über die Vergärung von Zucker. Da das Endprodukt des Gärungsstoffwechsels Alkohol ist, nennt man diesen biochemischen Vorgang die „alkoholische Gärung“.

Entalkoholisierung

Verfolgt man nun das Ziel, ein alkoholfreies Bier herzustellen, also nach der Definition des Lebensmittelrechts ein Bier mit weniger als 0,5 Volumenprozent Alkohol, so ergeben sich zwei Möglichkeiten, den Alkoholgehalt unter diesen gesetzlichen Grenzwert zu reduzieren:

Bei der ersten Methode lässt sich der Prozess durch die Art der Gärführung beeinflussen. Aus einer geringeren Hefegabe, kalten Gärtemperaturen oder dem vorzeitigen Abbruch der Gärung resultieren niedrige Alkoholgehalte. Der physikalische Alkoholentzug aus dem fertigen Bier lässt sich mit der sogenannten Dialyse durchführen oder durch Destillation.


Bei der Dialyse nutzt man spezielle Membranen, die bei einem bestehenden Konzentrationsgefälle nur den Alkohol passieren lassen. Beim Verfahren der Destillation wird der Alkohol durch Energiezufuhr (Wärme) ausgedampft. Setzt man die Destillationsapparatur zum Beispiel unter Vakuum und lässt das zu entalkoholisierende Bier in einer dünnen Schicht als Film an einer beheizbaren Wandung entlang laufen, so kann man das Ausdampfen des Alkohols schon durch geringe Wärmezufuhr, also auf sehr schonendem Wege, erreichen.

Durch solche technischen Möglichkeiten bei der Vakuum-Verdampfung sind die Brauer heute in der Lage, den Sauerstoff bei der Entalkoholisierung aus dem Prozess herauszuhalten: Neben der schonenden Wärmezufuhr ein entscheidende Faktoren für den mittlerweile guten Geschmack der alkoholfreien Biere.

Der Alkoholgehalt
Nicht überall, wo „alkoholfrei“ draufsteht, sind auch wirklich 0,0 Volumenprozent Alkohol drin. Laut Gesetz darf ein Bier als alkoholfrei bezeichnet werden, wenn der Gehalt die 0,5 Volumenprozent nicht überschreitet. Wenngleich alkoholfreie Biere mit diesem sehr geringen Restalkoholanteil keine physiologischen Auswirkungen auf den Körper bedingen, könnten trockene Alkoholiker aufgrund der Haptik, der Farbe und des bierigen Geschmacks verleitet werden, doch wieder zu alkoholhaltigen Bieren zu greifen. Daher sollten trockene Alkoholiker keine alkoholfreien Biere trinken.

Isotonische Wirkung
Einige Hersteller bewerben ihr alkoholfreies Bier als Sportgetränk. Ein Argument ist dabei die so genannte isotonische Wirkung einiger Produkte. Isotonisch bedeutet, dass die Anteile der festen und flüssigen Elemente im Getränk der Verteilung im Blut entspricht. So ist der Körper in der Lage, nach dem Sport die Nährstoffe schnell aufzunehmen. Es kommt also auf die Gesamtmenge der im alkoholfreien Bier enthaltenen Kohlenhydrate, Mineralien und Vitamine an. Wenn diese in etwa der Menge der im menschlichen Blut gelösten Stoffe entsprechen, sind die isotonischen Eigenschaften gegeben.

Gehütetes Geheimnis
Die wenigsten Brauereien geben bekannt, wie sie ihr alkoholfreies Bier herstellen. Experten schätzen, dass die Vakuum-Verdampfungsmethode, also die Destillation unter Vakuum, heute am häufigsten angewendet wird, seltener das Dialyse-Verfahren. Manche Brauereien arbeiten mit Kombinationen aus gestoppter Gärung und den beiden anderen Verfahren.

{tab=Fragen:}

  1. Bis zu welchem Alkoholgehalt darf ein Bier als alkoholfrei bezeichnet werden?
  2. Welche Herstellungsverfahren bei alkoholfreiem Bier gibt es?

{tab=Antworten:}

  1. Bis zu 0,5 Volumenprozent Alkohol..
  2. Biochemisch: Vorzeitige Stoppung der Gärung; ?Physikalisch: Dialyse und Destillation.
Die Warenverkaufskunde erscheint regelmäßig als Sonderteil im Magazin Lebensmittel Praxis. Redaktion: Tobias Dünnebacke.
Wir danken Frank Homann, Leiter der Qualitätssicherung bei der Warsteiner Brauerei, für den fachlichen Rat und das zur Verfügung gestellte Material.
Fotos: Hoppen (Titel), fotolia

Bilder zum Artikel

Bild öffnen Aus einer Nische ist ein Wachstumsmarkt geworden.
Bild öffnen Es gibt zwei Wege, alkoholfreies Bier herzustellen.
Bild öffnen Hopfen ist ein Hanfgewächs und sorgt für den leicht bitteren Geschmack des Bieres. Ein wichtiges deutsches Anbaugebiet ist die Hallertau in Bayern.
Bild öffnen Malz kann aus verschiedenen Getreidearten gewonnen werden. In Deutschland am wichtigsten: Gerste und Weizen. Eher selten werden Roggen und Dinkel verwendet.
Bild öffnen Due Hefe kommt beim Gärprozess ins Spiel und sorgt dafür, dass der Zucker in Alkohol und Kohlensäure verwandelt wird. Es gibt ober- und untergärige Hefen.
Bild öffnen Die Qualität des Wassers, Hauptbestandteil von Bier, spielt natürlich eine große Rolle. Brauwasser kann aus eignen Quellen kommen oder von den Brauern aufbereitet werden.
Bild öffnen Je höher die Temperatur inder Mälzerei, desto dunkler wird später das Bier.