Kaffee-Kapseln Systemischer Wettbewerb

Konkurrenz auf engstem Raum – das kleine, aber expansive Segment der Kaffee-Kapseln weckt vielfältige Begehrlichkeiten.

Donnerstag, 07. Oktober 2010 - Getränke
Dieter Druck

Wie auf Knopfdruck – die kleine Kapsel sorgt für mächtig Wirbel in der Nische. Die Einführung eines eigenen Kaffee-Kapsel-Systems bei der österreichischen Aldi-Tochter Hofer hat das Thema auch hier zu Lande hochkochen lassen. Die Frage: Wann kommt der Discount und vor allem der Primus in Deutschland damit auf den Markt? Branchenkenner wiegeln leicht ab, und verweisen darauf, dass in der Alpenrepublik ein Espresso-System eingeführt wurde, dem die Milchkomponente fehle und das daher nicht so kompatibel mit den Ansprüchen deutscher Verbraucher sei. Einige bewerten die Hofer-Aktivitäten als Insellösung.

Aber es wird auch eingeräumt, dass wohl alle Discounter über ein eigenes Kapsel-System zumindest nachdenken. Über kurz oder lang wird davon ausgegangen, dass alle Eigenmarken, LEH und Discount, ein entsprechenden System bieten werden. Auch die Berichterstattung über erste Nespresso-kompatible Kapseln auf den französischen Markt belegen die hohen Begehrlichkeiten in einem Wachstumssegment. Die Markenanbieter sehen sich gerüstet: „Wir sind mit Qualität, Sortenvielfalt, Design und hoher Kundenzufriedenheit gut aufgestellt, um die Erfolgsgeschichte von Dolce Gusto fortzuführen", heißt es bei Nescafé. Und Jochen Wendt, Sales Director bei Lavazza: „Ob ein Verwender gegebenenfalls ohne zu probieren eine No-Name-Maschine mit einer No-Name-Kapsel kauft, wird sich zeigen, ebenso, wie viele Käufer davon letztlich dauerhaft dem System erhalten bleiben."

Im ersten Halbjahr 2010 setzten die Kapseln mit einem wertmäßigen Plus von 27 Prozent (IRI) das dynamische Wachstum fort. Nescafé-Dolce-Gusto-Kapseln verzeichneten nach eigenen Angaben ein überdurchschnittliches Wachstum von 40 Prozent. Dies wird zum einen einem verstärkten Maschinenabsatz, plus 11 Prozent in den ersten sechs Monaten des Jahres, zum anderen Produktneueinführungen wie Caffè Crema Grande zugeschrieben. Aktuell werden neue Maschinenvariaten eingeführt, um die Käuferbasis weiter auszubauen. Parallel dazu kommen mit Latte Macchiato Vanilla oder dem Kakaogetränk Nesquik für Kinder neue Sorten in den Handel.

Alle fragen sich natürlich, wo bleibt Krüger? Die Bergisch-Gladbacher hatten das offene System „K-fee" bereits im April im Verkaufstest. Die Einführung auf breiter Front soll „im letzten Quartal" starten, in rund 15.000 Verkaufsstellen. Mit Blick auf die erwartungsvollen Wettbewerber hält man sich mit Details zurück. Gestartet wird mit einem Maschinenmodell (19 bar Druck) und verschiedenen Kapselvarianten. Der Claim „Eine für alle" positioniert K-fee als System für Handelsmarken. Besonders hervorgehoben wird die Milchkomponente.

Bereits gestartet im deutschen Kapselsegment ist Lavazza mit der Linie A Modo Mio. Die Maschine kommt von Saeco. Lavazza, mit einem Absatz mehr 2 Mrd. Kapseln im Außer-Haus-Bereich stark vertreten, verspricht Kaffee-Bar-Qualität für Zuhause. Die Kapsel ist mit 7,5 g italienischem Espresso gefüllt. Zum Vergleich: für einen originären Italo-Espresso in der Bar werden 6,5 bis 7 g in den Siebträger getan. Um ein optimales Ergebnis zu erreichen, sei der Kaffee in der Kapsel vorgepresst (getampt), heißt es bei Lavazza. Die Differenzierung zum Wettbewerb entstehe allein schon durch den authentischen italienischen Ursprung (Maschine und Espresso). Die Premium-Positionierung sei „auf Grund der generellen Ausrichtung der Marke nur logisch", erklärt Wendt.

Aber es bleibt die Frage, ob sich die Kapsel jetzt auf breiter Front durchsetzen wird und ob durch die Handelsmarke eine Demokratisierung des Systems eingeleitet wird. Der Preis pro Tasse ist noch immer Hauptargument für den Nichtkauf von Kapseln. Anderseits passt die Kapsel zur sich weiter entwickelnden Kaffeekultur in Deutschland und dem damit verbundenen Upgrading. „Der Trend der Kaffee-auf-Knopfdruck-Systeme wird sich sicher fortsetzen und zu einer weiteren 'Premiumisierung' des Kaffee-Marktes führen", ist man bei Kraft Foods überzeugt. Die Bremer sehen u. a. Dynamik bei den milchbasierten Spezialitäten für Tassimo und Pads.

Eine gewisse Skepsis offenbart Hermann Arnold, Geschäftsführer Melitta Kaffee in Bremen: „Der absolute Zuwachs beträgt in diesem Jahre trotz massiven Einsatzes von Marketingmitteln und eines weit überproportionalen Platzierungsanteils in den Märkten laut IRI 385 t. Im gleichen Zeitraum legten Soft Pads und Ganze Bohne zusammen um 4.600 t zu." Daher bleibe es abzuwarten, ob die Kapsel im Wettbewerb zur Ganzen Bohne Boden gut machen könne. Die Wahlfreiheit beim Kauf sei für viele Verbraucher ein gewichtiges Argument. Zudem erwarten andere Anbieter einen scharfen Wettbewerb und die gleichzeitige Fragmentierung des Kapselmarktes, wobei es immer schwieriger werden kann, eine kritische Masse zu erreichen.
Auch die Pads sollten nicht aus den Augen verloren werden. Ihr LEH-Absatz stieg im ersten Halbjahr um 10 Prozent. Und Potenzial ist weiter gegeben. In Holland, so Senseo-Marketing-Chef Thorsten Bross, betrage die Haushaltspenetration mehr als 50 Prozent, hierzulande seien es gerade mal 20. Senseo lege dabei überproportional zu, getrieben durch Innovationen, die auf umfassendem Consumer-Insight basierten. „Atrraktive Marken wie Senseo können Shopper immer noch aktivieren, weniger attraktive schaffen dies oft nur noch über den Preis." Ebenso partizipiert Dallmayr von der Marktdynamik. Wichtig sei vor allem die Ansprache der zunehmend jüngeren Zielgruppe in den Segmenten Ganze Bohne und Softpads. Zudem erkennen die Münchner eine steigende Mehrverwenderschaft zwischen diesen Sortimentsbereichen.

Aktionsanteil weiter hoch

Klassischer Röstkaffee ist unverändert der größte Teilmarkt, verliert aber weiter, bei gleichbleibend hohem, preisgesteuertem Aktionsanteil. Das Geschehen passt aber nicht so ganz zu steigenden Rohkaffee-Preisen. Insbesondere hochwertige Qualitäten wie gewaschene Hochland-Arabicas haben sich laut Dallmayr überproportional verteuert. Der Preisabschlag auf Robusta-Sorten schlage für das Unternehmen nicht zu Buche, da das gesamte Filterkaffee-Sortiment und mehr als 95 Prozent des Espresso-Sortimentes aus reinem Arabica bestünden. Daher passte Dallmayr im August die Fabrikabgabepreise an und empfiehlt den Kunden im Handel, diese Preissteigerungen auch widerzuspiegeln.

Andere Marktteilnehmer erwarten als Resultat einer „dramatischen Rohstoffsituation" eher indirekte Preiskorrekturen etwa durch den Einsatz vom Maltodextrin und Karamell bzw. durch Änderungen der Füllmengen (z.B. weniger Kaffee pro Pad bzw. weniger Pads pro Packung).

In diesem preisaggressiven Umfeld stagnieren die Handelsmarken des Preiseinstiegsbereichs. Private-Label-Produkte einschließlich Aldi verbesserten sich insgesamt gegenüber den Vorjahr leicht um 0,5 Prozentpunkte auf 30,7 Prozent. Bei Soft-Pads und Filterkaffee waren sie rückläufig, im Segment Ganze Bohne legten sie von 39,4 auf 41 Prozent zu. Im Handel habe man zwar über die zurückliegenden 24 Monate den Platzierungsanteil der Eigenmarken teilweise deutlich erhöht, die erzielten Absätze seien aber trotz bester Regalplätze häufig unterproportional, konstatiert ein Markenanbieter. Aber es ist zu erwarten, dass sich Handelsmarken Themen wie Bio oder Fair Trade stärker widmen werden. Der Markt steht jedenfalls unter Druck – in allen Belangen. Nimmt man die ersten Jahresgespräche als Orientierung, bleibt dies auch so. Aber es ist Bewegung drin, und das ist besser als Stillstand.?

{tab=Diagramm, Verschiebungen}
Umsatz mit Kaffee in Mio. Euro, Absatz in Tonnen, LEH inklusive Discounter, DM und Kaffeegeschäfte. August 2009 bis Juni 2010, Veränderung gegenüber Vorjahr in Prozent

{tab=Neue Produkte}