Fleisch, Wurst & Geflügel Ein Blick in die Zukunft

In seinem Vortrag entwarf Referent Hendrik Haase beim Fleischkongress der Lebensmittel Praxis ein mögliches Szenario für die deutsche Fleischwirtschaft.

Dienstag, 10. März 2020 - Fleisch
Jens Hertling
Artikelbild Ein Blick in die Zukunft
Bildquelle: Peter Eilers

Bei uns hat sich etwas geändert, und das hat Auswirkungen auf viele Branchen: Es gehen immer Menschen wegen ihrer Lebensmittel auf die Straße, leitete Referent Hendrik Haase seinen Vortrag ein. „Es gibt eine neue Botschaft: Essen ist politisch“, so Haase. Das Potenzial an Menschen, die sich nachhaltiger und regionaler ernähren wollen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Vor allem der Markt für vegetarische und vegane Produkte boomt. Ernährung sei in der Generation Y ein fester Teil der Identität geworden, mehr als Musik oder Autos, so der Redner. Und mit dem Fokus auf den Teller, steigt das politische Bewusstsein für das, was auf dem Teller liegt. Umfragen in dieser Generation zeigten, dass deren Misstrauen gegenüber der Lebensmittelindustrie doppelt so hoch sei wie bei den vorhergehenden Generationen. „Die jungen Leute haben Fragen. Die Fleischbranche sollte ihre Chance zur Beantwortung der Fragen nicht verstreichen lassen“, sagte Haase.

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In seinem Vortrag erzählte Haase über seine Recherchen über die Herkunft von Fleisch des Discounters Aldi. Der Hintergrund: Im September 2014 hatte Aldi Nord den Aldi Transparenz Code (ATC) eingeführt. Es handelt sich dabei um einen Code, der den Kunden Informationen über das Herkunftsland von Fleischprodukten geben soll. „Wenn ich den QR-Code einscanne, erfahre ich gerade einmal, dass das Rind irgendwo aus Deutschland stammt. Also von einer Fläche von gut 35 Millionen Hektar“, so Haase. Und weiter: „Woher genau? Welcher Hof? Welche Haltungsform? Welches Alter? Keine Informationen.“ Der Post erreichte mehr als 1,2 Millionen Nutzer und wurde Hunderte Male kommentiert, wie Haase beim Kongress berichtet.

Als ein weiteres Beispiel führte der Referent die neuen Gründer an. Es gibt in Deutschland zahlreiche junge Gründer mit innovativen Ideen und Unternehmungen von Acker bis Teller. Sie arbeiten interdisziplinär an Lösungen, die die Lebensmittelwelt nachhaltiger, gesünder und transparenter machen können. Viele dieser Unternehmungen und Ideen drohen ohne Unterstützung von Politik, Wirtschaft und Kapital schnell zu versanden, so Haase. Nach seiner Auffassung fehlt es hier nach wie vor am generellen Verständnis der Potenziale dieser Bewegung sowie ein politisches sowie wirtschaftliches Handeln. „Während wir hierzulande schlafen, bildet sich andernorts – zumeist in Übersee – bereits kraftvolle Szenen, die auch international immer mehr an Bedeutung gewinnen“, so Haase. Während in Deutschland 2019 die Gesamtinvestitionen in Agri-Food-Start-ups bei circa 30 Millionen Euro lagen, bekommen einzelne Start-ups aus diesem Bereich in den USA ein Vielfaches davon als Einzelinvestitionen zugesprochen. 16,9 Milliarden US-Dollar (etwa 15,6 Milliarden Euro) sammelten US-Food-Start-ups, so Haase (Quelle: Agfunder), an Kapital ein.

„Ich bin weder Veganer oder Vegetarier. Ich wollte immer nur wissen, woher die Lebensmittel stammen“, sagte Haase als Fazit. Die Branche sollte auf diese Fragen eine Antwort finden, um sich weiter entwickeln zu können.