Rohmilchkäse Ein Schweizer lässt den Käse im Dorf

… und verkauft ihn ausgereift in die ganze Welt. Rohmilchkäse kann in verschiedenen Reifestadien genossen werden. Der Affineur Walo von Mühlenen legt besonderen Wert auf Qualität, Authentizität und perfekte Reifung des Käses. Mit seinem Talent und seiner Erfahrung sammelt er weltweit erste Plätze bei Käse-Prämierungen.

Donnerstag, 06. Februar 2020 - Molkereiprodukte
Friederike Stahmann
Artikelbild Ein Schweizer lässt den Käse im Dorf
Bildquelle: Friederike Stahmann

Dass die Schweiz berühmt ist für ihren Käse hat gute Gründe. Das liegt nicht zuletzt an der Ausgangslage: ein kleines Land mit vielen Bergen – landwirtschaftlich nutzbar eigentlich nur mit Kühen – produziert Milch, viel Milch. Da die nur kurz haltbar ist, verlegte man sich schon vor Jahrhunderten auf die Käseherstellung.

Heute wird fast die Hälfte der Milch zu Käse verarbeitet. Rund 191.321 Tonnen Käse allein 2018. Vom Käseberg vertilgen die Schweizer selbst, obwohl sie immerhin 21 Kilogramm jährlich im Durchschnitt pro Kopf essen, nur einen Teil. Knapp 40 Prozent der Jahresproduktion geht ins Ausland. Nicht selten als Delikatesse. Und das wird nicht zuletzt möglich, weil zuvor ein Affineur seine Hand angelegt hat. „Es ist wichtig, dass jeder Käse seine eigene unverwechselbare Herkunft hat, nur dann hat ein Käse Charakter. Aber was nützt Charakter, wenn der Käse zu jung verkauft wird? Erst die richtige Reifung bringt den vollen Geschmack zur Geltung“, so Walo von Mühlenen. Er als Affineur – ein französischer Begriff, der so viel wie „Veredeler“ bedeutet – zeichnet sich durch profundes Wissen und Erfahrung in Sachen Käse aus. Die hohe Kunst in seinem Job ist es, „junge Talente“ zu finden und durch Reifung und Pflege geschmacklich auf höchstes Niveau zu bringen. Für die Reifung werden spezielle Keller ausgesucht, deren Klima optimal zu dem jeweiligen Käse passt.

Und das kann der Affineur aus Freiburg, wie unzählige Preise bei internationalen Käseprämierungen zeigen. Die wichtigsten für von Mühlenen sind sicher die beim World Cheese Award, dem größten Käsewettbewerb der Welt. Im vergangenen Jahr gingen im italienischen Bergamo mehr als 3800 Käse aus 42 Nationen an den Start. Die 260 Mann kopfstarke Jury besteht aus Experten verschiedener Couleur – von Händlern, über Käufer, Produzenten bis hin zu Gastronomiekritikern. Sie haben die Qual der Wahl.

Weltmeisterlich
Wer erfolgreich ist, kann sich nicht nur freuen in seiner Kategorie einen der besten Käse der Welt platziert zu haben, sondern darf sich auch internationaler medialer Aufmerksamkeit bei Experten und Verbrauchern gewiss sein. Marketing par excellence. Nach dem Triple in den Jahren 1992, 2002, 2005 holte die Marke Walo 2012 erneut den Award. Diesmal für den Rotwein Bärgler. Im Oktober vergangenen Jahres in Bergamo trat der Affineur Walo mit 17 Käsesorten an und fuhr mit insgesamt 15 Auszeichnungen nach Hause. „Jeder Käse unseres Angebotes ist ein potenzieller Weltmeister“, kann daher von Mühlenen mit Stolz sagen.

Damit nicht genug. Auch bei den World Championships in Wisconsin ist der Affineur erfolgreich. Ebenso wie bei Prämierungen in Großbritannien. Alles mit dem kleinen aber nicht unbedeutenden Nebeneffekt „des direkten Kontakts mit den Kunden vor Ort“, begründet von Mühlenen seine Teilnahme.

Dass Walo von Mühlenen den Käsehandel und das Affinieren im Blut hat, kommt nicht von ungefähr. Der Urgroßvater begann vor fast 150 Jahren Emmentaler zu affinieren. Er reiste durchs Land und wusste daher bald, welche Sennereien den besten Emmentaler machten. Die kaufte er auf. Jetzt brauchte er für die Ausreifung der Rohlinge noch die „richtigen“ Keller. Im Sommer nicht zu warm, im Winter nicht zu kalt. Der Urgroßvater fand für das Affinieren seiner Rohkäse einen gut belüftbaren Naturkeller. Hier konnten bei hoher Luftfeuchtigkeit und gleichbleibenden kühlen Temperaturen die Käse bis zur Vollendung reifen. Die Ergebnisse waren schon damals so überzeugend, dass sich die Oberschichten aus Russland und Italien die ausgereiften Käse-Laibe per Schiff und Bahn bringen ließen.

Den Unterschied zwischen gut gemeint und gut, erlebte dann die nächste Generation bei der Gründung der Schweizerischen Käseunion 1914. Das Ziel der Organisation „die Käseproduktion im In- und Ausland zu einem Preis zu verwerten, welcher dem Handel einen angemessenen Verdienst, dem Käser eine gesicherte Existenz und dem Landwirt einen den Produktionskosten der Milch entsprechenden Preis sichert“, ging zwar jahrzehntelang auf. Für einen innovativen Affineur kam dies aber einer staatlichen Reglementierung des Käsehandels gleich. Denn die Käseunion kaufte die gesamte Schweizer Käse-Produktion auf und vertrieb diese zu vom Schweizer Bundesrat festgesetzten Preisen. Faktisch ein Wirtschaftskartell.

Erst Ende der 1990er-Jahre endeten die Vorrechte der Schweizerischen Käseunion. Mit dem im Jahr 2002 in Kraft getretenen Agrarabkommen zwischen der EU und der Schweiz wurden die Zölle und Exportsubventionen für den gesamten Käsesektor gegenseitig und schrittweise abgebaut. „Wir haben in dieser Zeit unsere Firma auf die Stärken aufgebaut, die wir hatten: Das Wissen um die besten Lieferanten, die besten Lagermöglichkeiten und einen Kundenstamm, der bereit ist für Qualität zu bezahlen“. In dieser Zeit begann in Deutschland, dem wichtigsten Exportland für die Freiburger Marke, die Renaissance der Käse-Bedienungstheke. Eine Steilvorlage für von Mühlenen und sein Hart- und Halbhartkäse-Sortiment.

Seit 2012 arbeitet man mit Dicke Food in Wuppertal zusammen. Der Mittler zwischen Herstellern und Handel übernimmt die Abwicklung der Bestellungen in Deutschland. Zwischen 100 und 150 Tonnen Premiumkäse pro Jahr finden so ihren Weg aus den Kellern der Freiburger Firma in den gehobenen LEH des Nachbarlandes. „Wir sind gut unterwegs“, so die Standortbestimmung des Affineurs. Auch wenn er um die weißen Flecken auf der Distributionskarte weiß. Die Konkurrenz in der Käsebedientheke sei groß, vor allem aus Österreich, die preislich billiger anbieten könnten, als die Schweizer. „Wir kosten zwar mehr, bieten aber auch mehr“, gibt sich der Käsekenner kämpferisch.

Qualitätsbewusst
Ein 14 Monate gereifter Gruyère sei nicht mit einem Bergkäse, der nur ein Vierteljahr im Lager war, zu vergleichen. Leider, so von Mühlenen, wäre vor allem die deutschen Käseeinkäufer sehr preissensibel. Den Konsumenten selber schätzt er dagegen als eher qualitätsbewusst ein, der das Schweizer Label zu schätzen wisse. Besonders gut kämen derzeit Stärnächäs, Rotwein Bärgler und der neue, selbst entwickelte Thurgauer Löwenkäse bei den Kunden an.

Walo von Mühlenen legt großen Wert auf Qualität, Authentizität und perfekte Reifung des Käses, so dass es auch vorkommen kann, dass gerade kein reifer Käse vorhanden ist. „Die Familie von Mühlenen würde nie einen Käse verkaufen, der nicht perfekt ist“. Denn die letzte wichtige Aufgabe des Affineurs ist es den Käse zu selektionieren, der reif für den Verkauf ist, und die beste Verpackung und Logistik auszuwählen. Eine schnelle Lieferung mit der Spedition garantiert Frische beim Kunden. Die Käse vom Freiburger Käsehändler sind inzwischen in der ganzen Welt erhältlich: In England in Käsespezialitätengeschäften und Warenhäusern wie Harrods, in Deutschland bei Kaufhof sowie verschiedenen Edeka-Händlern wie Scheck-in, Hieber oder Zur Heide, in den USA und in Japan.